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§ 35 SOG M-V
Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (Sicherheits- und Ordnungsgesetz - SOG M-V)
Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern

Abschnitt 3 – Verarbeitung personenbezogener Daten (§§ 25 - 49) → Unterabschnitt 2 – Maßnahmen der Datenerhebung (§§ 27 - 35)

Titel: Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (Sicherheits- und Ordnungsgesetz - SOG M-V)
Normgeber: Mecklenburg-Vorpommern
Amtliche Abkürzung: SOG M-V
Gliederungs-Nr.: 2011-3
Normtyp: Gesetz

§ 35 SOG M-V – Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung und gezielten Kontrolle (9)

(1) Die Polizei kann im Rahmen der Gefahrenabwehr personenbezogene Daten in einem Dateisystem speichern, damit andere Polizeibehörden Erkenntnisse über das Antreffen sowie über Personen nach § 27 Absatz 3 Nummer 2 bei Gelegenheit einer Überprüfung aus anderem Anlass übermitteln (Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung), sofern dies zur Abwehr einer im einzelnen Falle bevorstehenden Gefahr erforderlich ist. Die Maßnahme kann auch in den Fällen des § 67a Absatz 1 durchgeführt werden, sofern dies zur Abwehr einer im einzelnen Falle bevorstehenden Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes erforderlich ist. Die hiervon umfassten personenbezogenen Daten sind insbesondere die Personalien einer Person sowie die amtlichen Kennzeichen, Identifizierungsnummern oder äußeren Kennzeichnungen der von ihr benutzten oder eingesetzten Kraftfahrzeuge, Wasserfahrzeuge, Luftfahrzeuge oder Container.

(2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 ist auch die Ausschreibung zur gezielten Kontrolle zulässig. Unbeschadet anderer Vorschriften kann die Polizei im Rahmen der gezielten Kontrolle

  1. 1.

    die Identität von Personen feststellen, die sich in einem zur gezielten Kontrolle ausgeschriebenen Fahrzeug oder Container befinden,

  2. 2.

    das zur gezielten Kontrolle ausgeschriebene Fahrzeug oder den Container sowie die darin befindlichen Sachen durchsuchen sowie

  3. 3.

    die zur gezielten Kontrolle ausgeschriebene Person durchsuchen

und die daraus gewonnenen Erkenntnisse an die ausschreibende Polizeibehörde übermitteln. Die für die Identitätsfeststellung sowie die Durchsuchung von Personen und Sachen geltenden Vorschriften sind im Übrigen anzuwenden.

(3) Die Maßnahmen nach Absatz 1 und 2 bedürfen der Anordnung durch die Leitung der zuständigen Polizeibehörde.

(4) Die Anordnung ergeht schriftlich. In ihr sind anzugeben:

  1. 1.

    die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, soweit möglich mit Namen und Anschrift,

  2. 2.

    sonstige Angaben nach Absatz 1,

  3. 3.

    Art, Umfang und Dauer der Maßnahme sowie

  4. 4.

    die Gründe.

(5) Die Anordnung ist auf höchstens sechs Monate zu befristen. Liegen die Voraussetzungen für die Anordnung nicht mehr vor oder ist der Zweck der Maßnahme erreicht oder zeigt sich, dass er nicht erreicht werden kann, ist die Ausschreibung unverzüglich zu löschen. Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als sechs weitere Monate ist zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung fortbestehen. Eine Verlängerung bedarf der gerichtlichen Anordnung nach Maßgabe des Absatzes 4 auf Antrag der Leitung der zuständigen Polizeibehörde; der Antrag muss die Angaben nach Absatz 4 Satz 2 Nummer 1 bis 3 sowie den Sachverhalt und eine Begründung enthalten.

(9) Red. Anm.:

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Vom 3. April 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 98)

Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 - wird folgende Entscheidungsformel veröffentlicht:

  1. 1.

    § 33 Absatz 2 Satz 3, § 33c Absatz 1 Satz 2, § 33d Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 35 Absatz 1 Satz 2 jeweils in Verbindung mit § 67a Absatz 1, soweit darin auf § 67c Halbsatz 1 Nummer 1 verwiesen wird, sowie § 33b Absatz 1 Satz 2 und § 35 Absatz 1 Satz 1, soweit er in Verbindung mit § 7 Absatz 1 Nummer 4 die Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten umfasst, und § 44 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (Sicherheits- und Ordnungsgesetz - SOG MV) in der Fassung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern und zur Änderung anderer Gesetze vom 27. April 2020 (Gesetz- und Verordnungsblatt Mecklenburg-Vorpommern Seite 334) verstoßen gegen Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1, Artikel 10 Absatz 1 und Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes und sind nichtig.

  2. 2.

    § 33 Absatz 2 Satz 1 und § 26a Absatz 3 Satz 1 Halbsatz 2, § 33c Absatz 5 Alternative 2, § 33d Absatz 3 Satz 3 in Verbindung mit § 33c Absatz 5 Alternative 2 und § 35 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern, soweit er nicht nichtig ist, sind mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 und mit Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.

  3. 3.

    Bis zu einer Neuregelung, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2023, gelten die für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärten Vorschriften mit den folgenden Maßgaben fort:

    Maßnahmen gemäß § 33 Absatz 2 Satz 1, gemäß § 33c Absatz 5 Alternative 2 und gemäß § 33d Absatz 3 Satz 3 in Verbindung mit § 33c Absatz 5 Alternative 2 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern dürfen nur ergriffen werden, wenn eine wenigstens konkretisierte Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Sachen von bedeutendem Wert besteht, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist, wie zum Beispiel wesentliche Infrastruktureinrichtungen oder sonstige Anlagen mit unmittelbarer Bedeutung für das Gemeinwesen.

    Eine Ausnahme von dem Gebot des Abbruchs der Datenerhebung bei Eindringen in den grundrechtlich geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung nach § 26a Absatz 3 Satz 1 Halbsatz 2 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern darf, soweit sie dem Schutz der verdeckt Ermittelnden selbst oder einer Vertrauensperson selbst dient, nur erfolgen, wenn ansonsten eine Gefahr für deren Leib oder Leben besteht. Wenn ein Abbruch unterbleibt, müssen die Kernbereichsrelevanz vor der Weitergabe der Information überprüft, der fehlende Abbruch dokumentiert, festgehaltene kernbereichsrelevante Informationen sofort gelöscht oder auf sonstige Weise vernichtet und dies ebenfalls dokumentiert werden.

    Maßnahmen gemäß § 35 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern dürfen nur ergriffen werden, wenn eine wenigstens konkretisierte Gefahr für ein Rechtsgut von mindestens erheblichem Gewicht besteht.

Die vorstehende Entscheidungsformel hat gemäß § 31 Absatz 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes Gesetzeskraft.