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§ 33c SOG M-V
Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (Sicherheits- und Ordnungsgesetz - SOG M-V)
Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern

Abschnitt 3 – Verarbeitung personenbezogener Daten (§§ 25 - 49) → Unterabschnitt 2 – Maßnahmen der Datenerhebung (§§ 27 - 35)

Titel: Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (Sicherheits- und Ordnungsgesetz - SOG M-V)
Normgeber: Mecklenburg-Vorpommern
Amtliche Abkürzung: SOG M-V
Gliederungs-Nr.: 2011-3
Normtyp: Gesetz

§ 33c SOG M-V – Einsatz technischer Mittel zum Eingriff in informationstechnische Systeme (7)

(1) Die Polizei darf durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in von der betroffenen Person genutzte informationstechnische Systeme eingreifen und aus ihnen Daten erheben, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Gefahr vorliegt für

  1. 1.

    Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder

  2. 2.

    solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Bundes oder eines Landes oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt.

Eine Maßnahme nach Satz 1 ist auch zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 67a Absatz 1 vorliegen. Dies gilt in den Fällen der §§ 67a Absatz 1, 67c Halbsatz 1 Nummer 1 nur, wenn eine im einzelnen Falle bevorstehende Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation oder für die Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland besteht. Die Maßnahme darf sich nur gegen eine Person richten, die für eine Gefahr verantwortlich ist. In informationstechnische Systeme anderer Personen darf die Maßnahme nur eingreifen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine nach Satz 1 oder 2 betroffene Person dort ermittlungsrelevante Informationen speichert.

(2) Die Maßnahme darf nur durchgeführt werden, wenn die Abwehr der Gefahr ansonsten aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Sie darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte (§ 3 Absatz 4 Nummer 2) unvermeidbar betroffen sind. § 26a gilt mit der zusätzlichen Maßgabe, dass, soweit möglich, technisch sicherzustellen ist, dass Daten, die den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffen, nicht erhoben werden.

(3) Es ist technisch sicherzustellen, dass

  1. 1.

    an dem informationstechnischen System nur Veränderungen vorgenommen werden, die für die Datenerhebung unerlässlich sind, und

  2. 2.

    die vorgenommenen Veränderungen bei Beendigung der Maßnahme, soweit technisch möglich, automatisiert rückgängig gemacht werden.

Das eingesetzte Mittel ist nach dem Stand der Technik gegen unbefugte Nutzung zu schützen. Kopierte Daten sind nach dem Stand der Technik gegen Veränderung, unbefugte Löschung und unbefugte Kenntnisnahme zu schützen.

(4) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 dürfen technische Mittel eingesetzt werden, um zur Vorbereitung einer Maßnahme nach Absatz 1 die erforderlichen Daten, wie insbesondere spezifische Kennungen, sowie den Standort eines informationstechnischen Systems zu ermitteln. Personenbezogene Daten Dritter (§ 3 Absatz 4 Nummer 2) dürfen dabei nur erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen unvermeidbar ist.

(5) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 sind das verdeckte Durchsuchen von Sachen sowie das verdeckte Betreten und Durchsuchen von Räumlichkeiten der betroffenen Personen zulässig, soweit dies zur Durchführung von Maßnahmen nach Absatz 1 und 4 erforderlich ist.

(6) Die Maßnahmen nach Absatz 1, Absatz 4 und Absatz 5 bedürfen der richterlichen Anordnung auf Antrag der Leitung der zuständigen Polizeibehörde.

(7) Im Antrag sind anzugeben:

  1. 1.

    die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, soweit möglich mit Namen und Anschrift,

  2. 2.

    eine möglichst genaue Bezeichnung des informationstechnischen Systems, in das zur Datenerhebung eingegriffen werden soll,

  3. 3.

    in Fällen des Absatzes 5, soweit möglich, auch eine Bezeichnung der Sachen und die Anschrift der Räumlichkeiten der betroffenen Personen,

  4. 4.

    Art, Umfang und Dauer der Maßnahme,

  5. 5.

    der Sachverhalt sowie

  6. 6.

    eine Begründung.

(8) Die Anordnung ergeht schriftlich. In ihr sind anzugeben:

  1. 1.

    die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, soweit möglich mit Namen und Anschrift,

  2. 2.

    eine möglichst genaue Bezeichnung des informationstechnischen Systems, in das zur Datenerhebung eingegriffen werden soll,

  3. 3.

    in Fällen des Absatzes 5, soweit möglich, auch eine Bezeichnung der Sachen und die Anschrift der Räumlichkeiten der betroffenen Personen,

  4. 4.

    Art, Umfang und Dauer der Maßnahme unter Benennung des Endzeitpunktes sowie

  5. 5.

    die Gründe.

Die Anordnung ist auf höchstens drei Monate zu befristen. Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als einen Monat ist zulässig, soweit die Anordnungsvoraussetzungen unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse fortbestehen. Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, sind die aufgrund der Anordnung ergriffenen Maßnahmen unverzüglich zu beenden.

(9) Das anordnende Gericht ist über den Verlauf und die Ergebnisse zu unterrichten; es entscheidet unverzüglich über die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung. Sofern die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vorliegen, ordnet es die Beendigung der Maßnahme an, soweit diese nicht bereits durch die Leitung der zuständigen Polizeibehörde veranlasst wurde.

(10) Bei Gefahr im Verzug entscheidet über die Verwendung erhobener Daten die Leitung der zuständigen Polizeibehörde; eine richterliche Entscheidung nach Absatz 9 Satz 1 ist unverzüglich nachzuholen. Bei der Sichtung der erhobenen Daten kann sie sich der technischen Unterstützung von zwei weiteren Bediensteten der Behörde bedienen. Die Bediensteten sind zur Verschwiegenheit über die ihnen bekannt gewordenen Erkenntnisse, die nicht verwertet werden dürfen, verpflichtet. Sind Daten an andere Stellen übermittelt worden und wurde die Rechtmäßigkeit dieser Datenerhebung nicht richterlich bestätigt, ist § 45 Absatz 5 zu beachten.

(7) Red. Anm.:

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Vom 3. April 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 98)

Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 - wird folgende Entscheidungsformel veröffentlicht:

  1. 1.

    § 33 Absatz 2 Satz 3, § 33c Absatz 1 Satz 2, § 33d Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 35 Absatz 1 Satz 2 jeweils in Verbindung mit § 67a Absatz 1, soweit darin auf § 67c Halbsatz 1 Nummer 1 verwiesen wird, sowie § 33b Absatz 1 Satz 2 und § 35 Absatz 1 Satz 1, soweit er in Verbindung mit § 7 Absatz 1 Nummer 4 die Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten umfasst, und § 44 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (Sicherheits- und Ordnungsgesetz - SOG MV) in der Fassung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern und zur Änderung anderer Gesetze vom 27. April 2020 (Gesetz- und Verordnungsblatt Mecklenburg-Vorpommern Seite 334) verstoßen gegen Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1, Artikel 10 Absatz 1 und Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes und sind nichtig.

  2. 2.
  3. 3.

    Bis zu einer Neuregelung, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2023, gelten die für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärten Vorschriften mit den folgenden Maßgaben fort:

    Maßnahmen gemäß § 33 Absatz 2 Satz 1, gemäß § 33c Absatz 5 Alternative 2 und gemäß § 33d Absatz 3 Satz 3 in Verbindung mit § 33c Absatz 5 Alternative 2 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern dürfen nur ergriffen werden, wenn eine wenigstens konkretisierte Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Sachen von bedeutendem Wert besteht, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist, wie zum Beispiel wesentliche Infrastruktureinrichtungen oder sonstige Anlagen mit unmittelbarer Bedeutung für das Gemeinwesen.

    Eine Ausnahme von dem Gebot des Abbruchs der Datenerhebung bei Eindringen in den grundrechtlich geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung nach § 26a Absatz 3 Satz 1 Halbsatz 2 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern darf, soweit sie dem Schutz der verdeckt Ermittelnden selbst oder einer Vertrauensperson selbst dient, nur erfolgen, wenn ansonsten eine Gefahr für deren Leib oder Leben besteht. Wenn ein Abbruch unterbleibt, müssen die Kernbereichsrelevanz vor der Weitergabe der Information überprüft, der fehlende Abbruch dokumentiert, festgehaltene kernbereichsrelevante Informationen sofort gelöscht oder auf sonstige Weise vernichtet und dies ebenfalls dokumentiert werden.

    Maßnahmen gemäß § 35 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern dürfen nur ergriffen werden, wenn eine wenigstens konkretisierte Gefahr für ein Rechtsgut von mindestens erheblichem Gewicht besteht.

Die vorstehende Entscheidungsformel hat gemäß § 31 Absatz 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes Gesetzeskraft.