BGH bestätigt: Obliegenheitsverletzung unerheblich, wenn Versicherer die Versicherungsbedingungen nicht an das neue VVG angepasst hat

Versicherungsrecht
20.10.20111198 Mal gelesen
Der BGH bestätigt die Vorinstanzen: wenn der Versicherer die Versicherungsbedingungen nicht an das seit 2008 geltende Recht anpasst, führen Verstöße gegen vertragliche Obliegenheiten (z.B. Sicherheitsvorschriften) nicht automatisch zur Leistungsfreiheit.

Der Fall ist schnell erzählt, die Konsequenzen sind gravierend:

Ein Versicherungsnehmer klagte gegen seinen Gebäudeversicherer auf Ersatz von Schadensbeseitigungskosten nach einem Leitungswasserschaden. Zu dem Schaden war es gekommen, nachdem der Versicherungsnehmer die Heizungsanlage seines leer stehenden Gebäudes nicht entleert hatte - der Frost brachte die Leitung zum Platzen.

Der Gebäudeversicherer wollte den Schaden nicht ersetzen. Er meinte, der Versicherungsnehmer habe seine vertraglichen Obliegenheiten verletzt. In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen steht nämlich, dass bei leer stehenden Gebäuden die Heizungsanlage zu entleeren ist und Verstöße gegen diese Obliegenheit zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen.

Problematisch war allerdings, dass aus den Versicherungsbedingungen in einem solchen Fall vollständige Leistungsfreiheit resultiert, wohingegen nach der seit 2008 geltenden Gesetzeslage lediglich ein (anteiliges) Leistungskürzungsrecht besteht. Der Versicherer hatte von der Möglichkeit, seine Versicherungsbedingungen an die neue Gesetzeslage anzupassen, keinen Gebrauch gemacht.

Landgericht und Oberlandesgericht Köln gaben der Klage des Versicherungsnehmers statt. Wenn der Versicherer seine Versicherungsbedingungen nicht an die aktuelle Gesetzeslage anpasst, sind Regelungen unwirksam, die gegen aktuelles Recht verstoßen. Dementsprechend ist die vertragliche Regelung der Obliegenheitsverletzung unwirksam. Zu den Einzelheiten:

http://www.anwalt24.de/beitraege-news/fachartikel/olg-koeln-bestaetigt-obliegenheitsverletzung-unerheblich-wenn-versicherer-die-avb-nicht-aktualisiert

Dieser Auffassung folgt nun auch der BGH. Der Versicherer darf dementsprechend seine Leistungen nur noch dann kürzen, wenn der Versicherungsfall grobfahrlässig herbeigeführt wurde (§ 81 VVG) oder eine Gefahrerhöhung (§ 23 ff. VVG) vorliegt.

Was folgt daraus für die Praxis?

Versicherungsnehmer sollten in ihren Versicherungsunterlagen überprüfen, ob ihre Versicherungsbedingungen an die seit 2008 geltende Rechtslage angepasst wurden. Ist dies nicht der Fall, führen Verstöße gegen vertragliche Obliegenheiten nicht automatisch zur Leistungsfreiheit.

Die Entscheidung ist nicht auf Gebäudeversicherungen beschränkt. Der Rechtsgedanke hieraus ist auf sämtliche Versicherungszweige übertragbar.

Auch Altfälle, in denen ein Versicherer seine Leistungspflicht lediglich wegen eines Verstoßes gegen vertragliche Obliegenheiten abgelehnt hat, sollten erneut überprüft werden.

BGH 12.10.2011, IV ZR 199/10

Dr. Finzel, Rechtsanwalt / Fachanwalt für Versicherungsrecht