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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 19.12.2013, Az.: V ZR 96/13
Einordnung von Rechtsstreitigkeiten zwischen Wohnungseigentümern wegen Entziehung des Wohnungseigentums als Wohnungseigentumssachen
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 19.12.2013
Referenz: JurionRS 2013, 53148
Aktenzeichen: V ZR 96/13
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Staufen - 05.10.2012 - AZ: 3 C 5/10

LG Karlsruhe - 08.03.2013 - AZ: 11 S 201/12

Rechtsgrundlagen:

§ 18 WEG

§ 19 Abs. 1 S. 2 WEG

§ 43 Nr. 1 WEG

§ 62 Abs. 2 WEG

Fundstellen:

EBE/BGH 2014, 67-68

GuT 2013, 154

JZ 2014, 244

MDR 2014, 335-336

MietRB 2014, 107

NJW-RR 2014, 452-453

NJW-Spezial 2014, 193

NZM 2014, 247-248

WuM 2014, 164-165

ZfIR 2014, 255-256

ZMR 2015, 231-232

ZWE 2014, 139-140

BGH, 19.12.2013 - V ZR 96/13

Amtlicher Leitsatz:

WEG § 18, § 43 Nr. 1, 2

Rechtsstreitigkeiten zwischen Wohnungseigentümern wegen Entziehung des Wohnungseigentums sind Wohnungseigentumssachen gemäß § 43 Nr. 1 bzw. Nr. 2 WEG in der seit dem 1. Juli 2007 geltenden Fassung.

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Dezember 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richter Dr. Lemke, Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth und die Richterin Dr. Brückner

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 8. März 2013 wird auf Kosten der Kläger als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 280.000 €.

Gründe

I.

1

Die Parteien bilden eine aus zwei Einheiten bestehende Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Kläger wollen im Wege der Entziehungsklage gemäß § 18 WEG erreichen, dass die Beklagte ihr Wohnungseigentum veräußern muss. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Kläger durch Beschluss zurückgewiesen. Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision.

II.

2

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 62 Abs. 2 WEG nicht statthaft.

3

1. Dieser Norm zufolge finden die Bestimmungen über die Nichtzulassungsbeschwerde in Wohnungseigentumssachen nach § 43 Nr. 1 bis 4 WEG keine Anwendung auf vor dem 31. Dezember 2014 verkündete Entscheidungen. Nach nahezu einhelliger Meinung gilt dies auch für die Entziehungsklage, die gemäß § 43 Nr. 1 oder Nr. 2 WEG als wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeit einzuordnen sei (OLG Köln, ZWE 2010, 461; Klein in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 43 Rn. 74; Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 18 Rn. 14; Heinemann in Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 19 Rn. 7; Niedenführ in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 10. Aufl., § 43 Rn. 67; BeckOK WEG/Hogenschurz, Edition 18, § 18 Rn. 52; Lemke/Müller, Immobilienrecht, § 18 WEG Rn. 8, § 43 Rn. 2; Palandt/Bassenge, BGB, 73. Aufl., § 18 WEG Rn. 6, unklar § 43 Rn. 3, in der nur § 18 Abs. 3 WEG genannt ist; aA Riecke/Schmidt/Abramenko, WEG, 3. Aufl., § 43 Rn. 10; Bärmann/Pick, WEG, 19. Aufl., § 18 Rn. 14, offen gelassen in dem Beschluss des Senats vom 10. Oktober 2013 V ZR 281/12, WuM 2013, 760).

4

2. Der Senat teilt diese Auffassung. Rechtsstreitigkeiten zwischen Wohnungseigentümern wegen Entziehung des Wohnungseigentums sind Wohnungseigentumssachen gemäß § 43 Nr. 1 bzw. Nr. 2 WEG in der seit dem 1. Juli 2007 geltenden Fassung.

5

a) Das Wohnungseigentumsgesetz in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung nahm in § 43 Nr. 1 Ansprüche auf Entziehung des Wohnungseigentums (§§ 18, 19) ausdrücklich von den dort geregelten Wohnungseigentumssachen aus. Aus diesem Grund unterlagen Entziehungsklagen dem Verfahren nach der Zivilprozessordnung. Dagegen sieht die seit dem 1. Juli 2007 geltende Neufassung des § 43 Nr. 1 WEG eine entsprechende Sonderregelung für das Entziehungsverfahren nicht mehr vor. Zugleich wurde § 51 WEG aF gestrichen; dieser Vorschrift zufolge war das Amtsgericht für Rechtsstreitigkeiten zwischen Wohnungseigentümern wegen Entziehung des Wohnungseigentums zuständig. Entgegen der Auffassung der Kläger ist dem Gesetzgeber kein redaktionelles Versehen unterlaufen. Vielmehr lassen sowohl die Gesetzessystematik als auch die Gesetzesbegründung darauf schließen, dass für eine gesonderte Regelung des Entziehungsverfahrens deshalb kein Bedarf mehr gesehen wurde, weil es wie andere Wohnungseigentumssachen nunmehr ohnehin nach der Zivilprozessordnung zu behandeln ist (vgl. BT-Drucks. 16/887, S. 42 zu Nr. 17; so bereits Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2013 V ZR 281/12, WuM 2013, 760). Insbesondere gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Entziehungsklagen abweichend von dem früheren Recht in erster Instanz den Landgerichten zugewiesen werden sollten; diese wären nach Streichung des § 51 WEG aF aber aufgrund des Streitwerts in aller Regel zuständig, wenn die Verfahren nicht zu den Wohnungseigentumssachen zählten, für die das Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands ausschließlich zuständig ist (§ 23 Nr. 2 c) GVG).

6

b) Entgegen der Auffassung der Kläger ist nicht das dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer vorgelagerte sachenrechtliche Grundverhältnis betroffen, über das in dem allgemeinen Verfahren nach der Zivilprozessordnung zu verhandeln und entscheiden wäre (Senat, Urteil vom 30. Juni 1995 V ZR 118/94, BGHZ 130, 159, 164 ff.). Richtig ist zwar, dass die Vollstreckung eines Entziehungsurteils, in dem die Pflicht zur Veräußerung tituliert ist, sachenrechtliche Folgen hat. Die Entziehungsklage betrifft aber im Kern das Gemeinschaftsverhältnis. Denn die Entziehung des Wohnungseigentums stellt eine Sanktion für schwerste Verstöße gegen die in dem Gemeinschaftsverhältnis wurzelnden Pflichten dar; die darauf gerichtete Klage dient vornehmlich der Entfernung des störenden Eigentümers aus der Gemeinschaft als ultima ratio.

7

c) Ob sich die Einordnung als Wohnungseigentumssache aus § 43 Nr. 1 WEG ergibt, weil die Wohnungseigentümer Inhaber des Entziehungsrechts sind (vgl. nur BeckOK WEG/Elzer, Edition 18, § 43 Rn. 131; Riecke/ Schmid/Abramenko, WEG, 3. Aufl., § 43 Rn. 5 und 12), oder ob aufgrund der Ausübung des Entziehungsrechts durch die Gemeinschaft vielmehr § 43 Nr. 2 WEG einschlägig ist (so beispielsweise Klein in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 43 Rn. 74; Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 43 Rn. 6), ist für die Anwendbarkeit von § 62 Abs. 2 WEG ohne Belang.

8

d) Anders als die Kläger meinen, ist die Entziehungsklage auch dann Wohnungseigentumssache, wenn die Gemeinschaft wie hier nur aus zwei Wohnungseigentümern besteht. Zwar wird das Entziehungsrecht in Zweiergemeinschaften gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 WEG nicht durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausgeübt (vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 2 WEG); auch ist ein Entziehungsbeschluss entbehrlich (Senat, Urteil vom 22. Januar 2010 V ZR 75/09, ZWE 2010, 179 f.). Die Einordnung als Wohnungseigentumssache ergibt sich aber ohne weiteres aus § 43 Nr. 1 WEG. Obwohl das Recht nicht durch die Gemeinschaft ausgeübt wird, liegt der Schwerpunkt der Entziehungsklage ebenso wie in größeren Gemeinschaften in dem Gemeinschaftsverhältnis der beiden Wohnungseigentümer. Zu der in § 18 Abs. 1 Satz 2 WEG enthaltenen Regelung hat sich der Gesetzgeber nur deshalb veranlasst gesehen, weil jedenfalls bei Geltung des gesetzlichen Kopfprinzips (§ 25 Abs. 2 Satz 1 WEG) in Zweiergemeinschaften keine Mehrheitsbeschlüsse möglich sind (BT-Drucks. 16/887, S. 69).

9

3. Weil die Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft ist, ist sie als unzulässig zu verwerfen. Selbst wenn die Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, sind diese in dem gegebenen Verfahren zu klären; die Zulassung der Revision setzt entgegen der Rechtsauffassung der Kläger eine statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde voraus.

III.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 49a GKG. Das Interesse beider Parteien entspricht dem Verkehrswert des Wohnungseigentums der Beklagten; gemäß § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG ist für eine Entziehungsklage daher der volle Verkehrswert maßgeblich (OLG Köln, ZWE 2010, 461; Suilmann in Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 49a GKG Rn. 15a; so schon für die Rechtslage vor dem 1. Juli 2007 Senat, Beschluss vom 21. September 2006 V ZR 28/06, NZM 2006, 873).

Stresemann

Lemke

Schmidt-Räntsch

Roth

Brückner

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