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Bundesarbeitsgericht
Urt. v. 15.10.2013, Az.: 9 AZR 302/12
Umfang des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Gericht: BAG
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 15.10.2013
Referenz: JurionRS 2013, 54740
Aktenzeichen: 9 AZR 302/12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LAG Düsseldorf - 23.02.2012 - AZ: 5 Sa 1370/11

Rechtsgrundlagen:

§ 7 Abs. 4 BUrlG

§ 133 BGB

§ 157 BGB

§ 362 Abs. 1 BGB

§ 366 Abs. 1 BGB

§ 125 SGB IX

§ 8 Manteltarifvertrag zwischen der EUREST DEUTSCHLAND GmbH und der Gewerkschaft NGG (MTV vom 16. März 2004)

§ 14 Manteltarifvertrag zwischen der EUREST DEUTSCHLAND GmbH und der Gewerkschaft NGG (MTV vom 16. März 2004)

BAG, 15.10.2013 - 9 AZR 302/12

Redaktioneller Leitsatz:

Urlaubsansprüche, die wegen einer andauernden Erkrankung des Arbeitnehmers nicht in Anspruch genommen werden können, erlöschen 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres. Auch das Unionsrecht gebietet keine weitere Aufrechterhaltung des Urlaubsanspruchs (EuGH - C 214/10 - 22.11.2011).

In Sachen

Beklagte, Berufungsklägerin und Revisionsklägerin,

pp.

Klägerin, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte,

hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Oktober 2013 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Brühler, die Richter am Bundesarbeitsgericht Krasshöfer und Klose sowie die ehrenamtlichen Richter Kranzusch und Lücke für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 23. Februar 2012 - 5 Sa 1370/11 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 28. September 2011 - 6 Ca 1516/11 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Abgeltung gesetzlichen Urlaubs nach dem BUrlG und nach § 125 SGB IX sowie des tariflichen Mehrurlaubs.

2

Die 1959 geborene Klägerin war vom 20. November 2000 bis zum 31. März 2011 als Verkäuferin bei der Beklagten beschäftigt. Nach Ziff. 11 des zwischen ihnen geschlossenen Arbeitsvertrags vom 23. Oktober 2000 fanden die Bestimmungen des jeweils gültigen Tarifvertrags "des Tarifpartners, bei dem EUREST Mitglied ist", Anwendung. Zum Urlaub enthält § 8 des Manteltarifvertrags zwischen der EUREST DEUTSCHLAND GmbH und der Gewerkschaft NGG vom 16. März 2004 (MTV) ua. folgende Bestimmungen:

"§ 8 - Urlaub

...

2. Dauer des Urlaubs

Der Urlaub beträgt bei Zugrundelegung einer 5-Tage-Woche:

für Arbeitnehmer/innen, die vor dem 1. April 2004 eingetreten sind

...

- ab Vollendung des 30. Lebensjahres 30 Arbeitstage

...

9. Übertragbarkeit des Urlaubs

Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des/der Arbeitnehmer/in liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Falle der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden.

10. Abgeltung des Urlaubs

Eine Abgeltung des Urlaubs ist zu vermeiden.

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehende Urlaubsansprüche sind noch während der Zugehörigkeit des/der Arbeitnehmer/in zum Betrieb zu erfüllen. Lassen dies dringende betriebliche Verhältnisse nicht zu oder scheidet der/die Arbeitnehmer/in fristlos aus dem Arbeitsverhältnis aus, ist der Urlaub abzugelten.

...

§ 14 - Beendigung des Arbeitsverhältnisses

1. Beendigungsgründe

Das Arbeitsverhältnis endet

...

- mit Ablauf des Monats, in dem Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung eintritt.

..."

3

Das Bruttomonatsgehalt der Klägerin betrug zuletzt 1.917,00 Euro. Sie war seit dem 29. März 2006 durchgehend arbeitsunfähig krank. Nach dem Bezug von Krankengeld erhielt sie zunächst eine befristete und ab dem 1. April 2011 eine unbefristete Rente wegen Erwerbsminderung. Für die Klägerin ist zumindest seit 2007 eine Schwerbehinderung festgestellt. Die Beklagte rechnete zuletzt eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 5.664,10 Euro brutto ab und zahlte den sich ergebenden Nettobetrag an die Klägerin aus. In der Entgeltabrechnung ist der Betrag als "Urlaubsabgeltung/Tag" ausgewiesen.

4

Mit Schreiben vom 28. April 2011 machte die Klägerin ua. ihren Anspruch auf Urlaubsabgeltung für die Jahre 2006 bis einschließlich 2007 geltend.

5

Die Klägerin beansprucht mit ihrer Klage die Abgeltung von 179 Urlaubstagen mit jeweils 87,14 Euro brutto für die Jahre 2006 bis einschließlich 2011.

6

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.933,96 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 9.933,96 Euro stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 9.672,54 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

9

A. Die Revision der Beklagten ist begründet.

10

Die Klägerin hat keinen Anspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG iVm. § 8 Ziff. 10 MTV auf weitere Abgeltung von Urlaub. Zwar macht sie nach der Rechtsprechung des Senats zu Recht geltend, auch während des Bezugs der Rente wegen Erwerbsminderung seien Urlaubsansprüche entstanden (BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 8 ff., BAGE 142, 371). Die in den Jahren 2006 bis einschließlich 2009 entstandenen Urlaubsansprüche sind jedoch noch vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses untergegangen. Die Urlaubsabgeltungsansprüche für die Jahre 2010 und 2011 sind durch Zahlung erfüllt.

11

I. Die gesetzlichen und tariflichen Urlaubsansprüche der Klägerin aus den Jahren 2006 bis 2009 sind 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres und damit vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erloschen. Abgeltungsansprüche konnten nicht mehr entstehen. Besteht die Arbeitsunfähigkeit auch am 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres fort, so gebietet auch das Unionsrecht keine weitere Aufrechterhaltung des Urlaubsanspruchs (vgl. EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 38, Slg. 2011, I-11757). Der zunächst aufrechterhaltene Urlaubsanspruch erlischt somit zu diesem Zeitpunkt (vgl. BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 32 ff., BAGE 142, 371). Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer mit dem Ende des Übertragungszeitraums ausscheidet (BAG 12. März 2013 - 9 AZR 292/11 - Rn. 14 mwN). Der MTV sieht zugunsten der Klägerin keine längere Übertragungsdauer vor. Nach § 8 Ziff. 9 Satz 3 MTV muss der übertragene Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden.

12

II. Für das Jahr 2010 und anteilig für das Jahr 2011 beansprucht die Klägerin die Abgeltung von insgesamt 44 Tagen Urlaub. Dieser Anspruch ist gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen.

13

1. Bei dem geltend gemachten Abgeltungsbetrag je Urlaubstag in Höhe von 87,14 Euro brutto ergibt sich bei 44 Urlaubstagen ein Zahlungsanspruch in Höhe von 3.834,16 Euro brutto. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zahlte die Beklagte auf die Geltendmachung der Klägerin mit Schriftsatz vom 28. April 2004 insgesamt 5.664,10 Euro brutto Urlaubsabgeltung.

14

2. Die Beklagte nahm bei dieser Zahlung keine nach Urlaubsjahren differenzierte Leistungsbestimmung iSv. § 366 Abs. 1 BGB vor. Sie gab in der Abrechnung als Leistungszweck der Zahlung von 5.664,10 Euro nur "Urlaubsabgeltung/Tag" an. Dies war nach §§ 133, 157 BGB so zu verstehen, dass jeglicher etwaig bestehender Abgeltungsanspruch erfüllt werden sollte (BAG 16. Juli 2013 - 9 AZR 914/11 - Rn. 19). Soweit das Landesarbeitsgericht im Tatbestand seiner Entscheidung angenommen hat, die Beklagte habe insoweit auf die gesetzlichen Urlaubsansprüche für die Jahre 2008 bis 2011 geleistet, ist dies rechtsfehlerhaft. Diese Annahme beruht auf der unwirksamen nachträglichen Tilgungsbestimmung der Beklagten im Schriftsatz vom 26. September 2011. Die Bestimmung muss nach dem Wortlaut des Gesetzes bei der Leistung erfolgen, eine nachträgliche Bestimmung ist grundsätzlich unwirksam (vgl. BGH 26. März 2009 - I ZR 44/06 - Rn. 46; 23. Februar 1999 - XI ZR 49/98 - zu II 2 b der Gründe, BGHZ 140, 391).

15

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Brühler
Klose
Krasshöfer
Kranzusch
Lücke

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