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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 19.06.2014, Az.: BVerwG 2 B 43.13
Anspruch auf Anerkennung der Folgeschäden eines Dienstunfalls mehr als 10 Jahre nach dem schädigenden Ereignis; Fristablauf für die Geltendmachung von Folgeschäden aus einem Dienstunfall
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 19.06.2014
Referenz: JurionRS 2014, 19295
Aktenzeichen: BVerwG 2 B 43.13
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Rheinland-Pfalz - 05.03.2013 - AZ: OVG 2 A 10965/12

BVerwG, 19.06.2014 - BVerwG 2 B 43.13

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Juni 2014
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz und Dollinger
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. März 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 18 279,11 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Die nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und des Verfahrensmangels liegen nicht vor.

2

1. Der 1961 geborene Kläger steht seit 1986 im Dienst des Beklagten, derzeit als Forstamtsrat (Besoldungsgruppe A 12). Im Dezember 1996 erkannte der Beklagte zwei vom Kläger im September 1996 erlittene Insektenstiche als Dienstunfall ("Insektenstich mit nachfolgender Borreliose") an.

3

Im August 2009 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten geltend, infolge der Infektion von 1996 an einer chronischen Borreliose erkrankt zu sein. Dies stehe für ihn seit einer Veranstaltung des arbeitsmedizinischen Dienstes im Jahr 2005 fest. Hinzu komme, dass sein behandelnder Internist bereits im Februar 2007 die Untersuchung von Knochenhaut und Gelenkflüssigkeit auf Borrelienerreger für indiziert gehalten habe. Der Beklagte lehnte es ab, Dienstunfallfürsorge für eine chronische Borreliose zu gewähren. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat darauf abgestellt, der Kläger habe die chronische Erkrankung als Folge der Infektion nicht innerhalb der gesetzlich bestimmten Ausschlussfristen dem Beklagten gemeldet. Bei der Meldung im Jahr 2009 seien sowohl die Frist von zehn Jahren seit dem Unfall 1996 als auch die Frist von drei Monaten nach Bemerkbarkeit der möglichen Unfallfolge verstrichen gewesen.

4

2. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f. und vom 2. Februar 2011 - BVerwG 6 B 37.10 -NVwZ 2011, 507 Rn. 2). Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden kann (stRspr; vgl. Beschluss vom 24. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4).

5

Der Kläger hält für rechtsgrundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, ob die Meldefrist für eine Unfallfolge erst zu laufen beginnt, wenn ein gesicherter ärztlicher Befund zu dieser Folge vorliegt. Damit kann er die Zulassung der Revision nicht erreichen.

6

Ist das Berufungsurteil auf mehrere rechtliche Gesichtspunkte gestützt, die das Urteil selbstständig tragen, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede dieser Erwägungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr; vgl. nur Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 15). Das Oberverwaltungsgericht hat die Abweisung der Klage darauf gestützt, dass der Kläger zwei gesetzliche Meldefristen versäumt hat. Jede Fristversäumnis trägt das Urteil selbstständig.

7

Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG wird nach Ablauf der zweijährigen Meldefrist (§ 45 Abs. 1 BeamtVG) Unfallfürsorge für weitere Unfallfolgen nur gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen sind und gleichzeitig glaubhaft gemacht wird, dass mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf die Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalls nicht habe gerechnet werden können oder dass der Berechtigte durch außerhalb seines Willens liegende Umstände gehindert worden ist, den Unfall zu melden (vgl. zur Fristberechnung Urteil vom 28. April 2011 - BVerwG 2 C 55.09 - Buchholz 240 § 31 BBesG Nr. 1 Rn. 29). Das Oberverwaltungsgericht hat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellt, dass der Kläger die chronische Borreliose als mögliche weitere Folge des 1996 erlittenen Dienstunfalls erst im August 2009 gemeldet hat. Daraus hat es den zwingenden Schluss gezogen, diese mögliche Unfallfolge könne bereits wegen Versäumnisses der Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG nicht mehr berücksichtigt werden. Hiergegen wendet sich die Beschwerde nicht, sodass das Berufungsurteil bereits aus diesem Grund Bestand hat. Demnach kommt es auf die Frage nicht an, ob der Kläger auch die Frist des § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG versäumt hat. Danach muss die Meldung, nachdem mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalls gerechnet werden konnte oder das Hindernis für die Meldung weggefallen ist, innerhalb dreier Monate erfolgen. Im Übrigen knüpft die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts zum Beginn des Laufs dieser Dreimonatsfrist an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur vorherigen Gesetzesfassung an. Dies liegt nach dem Zweck der hier anwendbaren neuen Fassung nahe.

8

3. Der Kläger hat auch keinen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bezeichnet, auf dem die Berufungsentscheidung beruhen könnte. Dies folgt schon daraus, dass er hinsichtlich der Feststellungen zur Versäumnis der Zehnjahresfrist keine Verfahrensrügen erhoben hat. Im Übrigen liegt auch in Bezug auf die Feststellungen zur Versäumnis der Dreimonatsfrist kein Aufklärungsdefizit vor.

9

Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO obliegt den Tatsachengerichten die Pflicht, jede mögliche Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern dies für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist (vgl. Urteile vom 6. Februar 1985 - BVerwG 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <41> = Buchholz 303 § 414 ZPO Nr. 1 S. 2 und vom 6. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 12.87 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31 S. 1). Die Aufklärungspflicht verlangt hingegen nicht, dass ein Tatsachengericht Ermittlungen anstellt, die aus seiner Sicht unnötig sind, weil deren Ergebnis nach seinem Rechtsstandpunkt für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich ist (stRspr; vgl. Urteil vom 14. Januar 1998 - BVerwG 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119> = Buchholz 451.171 § 7 AtG Nr. 5 S. 58; Beschluss vom 14. Juni 2005 - BVerwG 2 B 108.04 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 1 S. 1 f.).

10

Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, das Oberverwaltungsgericht habe den Sachverhalt verfahrensfehlerhaft nur unvollständig aufgeklärt, weil es die in der Berufungsbegründungsschrift beantragte Vernehmung des den Kläger behandelnden Internisten als sachverständigen Zeugen im Rahmen einer mündlichen Verhandlung ignoriert habe. Nach dem maßgebenden Rechtsstandpunkt des Oberverwaltungsgerichts zum Beginn des Laufs der Dreimonatsfrist nach § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG begann diese Frist jedenfalls mit der Kenntnis des Klägers vom Attest des Dr. J. vom 6. Februar 2007 zu laufen. Einer weiteren Sachaufklärung hat es nicht bedurft. Demgegenüber liegt der Aufklärungsrüge die abweichende Rechtsauffassung des Klägers zum Beginn des Fristenlaufs zugrunde.

11

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 und 3 GKG.

Domgörgen

Dollinger

Dr. Heitz

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