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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 06.12.2016, Az.: XI ZR 46/14
Vollstreckungsabwehrklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 06.12.2016
Referenz: JurionRS 2016, 32202
Aktenzeichen: XI ZR 46/14
ECLI: ECLI:DE:BGH:2016:061216BXIZR46.14.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

OLG Brandenburg - 16.01.2014 - AZ: 5 U 45/12

BGH - 10.05.2016 - AZ: XI ZR 46/14

BGH, 06.12.2016 - XI ZR 46/14

Redaktioneller Leitsatz:

Eine Teilentscheidung darf grundsätzlich nur dann ergehen, wenn sie von der Entscheidung über den verbleibenden Teil des Rechtsstreits in der Art unabhängig ist, dass die Gefahr einander widerstreitender Erkenntnisse in der Teil- und in der Schlussentscheidung nicht besteht. Dies gilt aber nicht, wenn die Aufnahme eines durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Rechtsstreits dem Insolvenzverwalter, dem Gläubiger oder dem Schuldner nur zu einem Teil möglich ist und Anhaltspunkte dafür, dass der unterbrochene Teil des Verfahrens alsbald fortgesetzt werden kann, nicht ersichtlich sind.

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Dezember 2016 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Grüneberg und Dr. Matthias sowie die Richterinnen Dr. Menges und Dr. Derstadt
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 16. Januar 2014 wird zurückgewiesen, soweit der Kläger sich mit seiner Klage gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 21. November 1995 wegen des dinglichen Anspruchs aus der Grundschuld wendet.

Im Übrigen bleibt das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unterbrochen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I.

1

Der Kläger wendet sich mit der Vollstreckungsabwehrklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde.

2

In dieser Urkunde vom 21. November 1995 bestellte der Kläger zur Besicherung eines von der Beklagten gewährten Darlehens zu deren Gunsten eine Grundschuld in Höhe von 2.300.000 DM nebst Zinsen und Nebenleistung an einem in seinem Eigentum stehenden Grundstück und unterwarf sich wegen des Anspruchs aus der Grundschuld nebst Zinsen und Nebenleistung der sofortigen Zwangsvollstreckung in das Grundeigentum. Ferner übernahm der Kläger in der Urkunde die persönliche Haftung für die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe der Grundschuld und unterwarf sich insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen.

3

Mit der Klage begehrt der Kläger, die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 21. November 1995 für unzulässig zu erklären. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben.

4

Das beim Senat anhängige Verfahren über die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht ist gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden, da das Amtsgericht Frankfurt (Oder) durch Beschluss vom 29. Oktober 2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet hat.

5

Die Insolvenzverwalterin hat unter dem 14. April 2015 mitgeteilt, dass sie den Rechtsstreit nicht aufnehme. Mit Schriftsatz vom 22. April 2015 hat der Kläger die Aufnahme des Rechtsstreits erklärt.

II.

6

Der Rechtsstreit ist von dem Kläger nur insoweit aufgenommen worden, als er sich mit seiner Klage gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen des dinglichen Anspruchs aus der Grundschuld wendet. Im Übrigen bleibt das Verfahren gemäß § 240 ZPO unterbrochen.

7

1. Nur soweit sich der Kläger mit seinem - nicht auf den persönlichen Anspruch beschränkten - Klageantrag gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen des dinglichen Anspruchs aus der Grundschuld wendet, liegt ein Rechtsstreit im Sinne von § 86 Abs. 1 Nr. 2 InsO vor (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Mai 2016 - XI ZR 46/14, WM 2016, 1070 Rn. 12).

8

Der Kläger ist diesbezüglich zur Aufnahme befugt, ohne dass eine Erklärung der Insolvenzverwalterin über die Freigabe des betroffenen Grundstücks erforderlich ist (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 10. Mai 2016 - XI ZR 46/14, WM 2016, 1070 Rn. 13 f.). Denn nach dem Schriftsatz des Klägers vom 27. Oktober 2016, dem die Beklagte nicht entgegengetreten ist, und dem mit diesem Schriftsatz vorgelegten Protokoll des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 14. Oktober 2014, Az. 3 K 170/11, über den Termin zur Verteilung des Versteigerungserlöses ist das mit der Grundschuld belastete Grundstück im Wege der Zwangsversteigerung verwertet worden und vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht nur die Versteigerung selbst erfolgt, sondern darüber hinaus auch der Teilungsplan ausgeführt und der Versteigerungserlös verteilt worden, so dass im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein Gegenstand mehr vorhanden war, dessen Freigabe aus der Masse durch den Insolvenzverwalter in Betracht kam.

9

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass eine Vollstreckungsabwehrklage nach Beendigung der Zwangsvollstreckung mit dem Antrag auf Rückgewähr des durch die Zwangsvollstreckung Erlangten fortgeführt werden kann ("verlängerte Vollstreckungsabwehrklage", vgl. BGH, Urteile vom 8. Januar 1987 - IX ZR 66/85, BGHZ 99, 292, 294, vom 2. April 2001 - II ZR 331/99, WM 2001, 2251, 2253 [unter V.], vom 12. Juli 2002 - V ZR 195/01, Rn. 7, vom 7. Juli 2005 - VII ZR 351/03, BGHZ 163, 339, 341 f., vom 8. März 2006 - IV ZR 145/05, WM 2006, 1170 Rn. 12 und vom 5. Juli 2013 - V ZR 141/12, WM 2013, 1791 Rn. 15, jeweils mwN).

10

Denn zum einen hat der Kläger eine entsprechende Umstellung des Klageantrags bisher nicht angekündigt. Zum anderen würde durch eine solche Umstellung der Passivprozess im Sinne von § 86 InsO in einen Aktivprozess gemäß § 85 InsO umschlagen (vgl. zu dieser Möglichkeit BGH, Urteile vom 8. Januar 1962 - VII ZR 65/61, BGHZ 36, 258, 264 f. und vom 27. März 1995 - II ZR 140/93, WM 1995, 838, 839), da Gegenstand der "verlängerten Vollstreckungsabwehrklage" eine gewöhnliche Geldforderung gegen den Vollstreckungsgläubiger ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 2008 - IX ZR 2/07, WM 2008, 838 Rn. 11). In diesem Fall wäre der Kläger gemäß § 85 Abs. 2 InsO zur Aufnahme des Rechtsstreits befugt, nachdem die Insolvenzverwalterin ihrerseits die Aufnahme abgelehnt hat.

11

Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, ob maßgeblich für die Einordnung als Aktiv- oder Passivprozess entsprechend dem Wortlaut von §§ 85, 86 InsO der Zeitpunkt der Unterbrechung des Prozesses ist (so MünchKommInsO/Schumacher, 3. Aufl., § 85 Rn. 9; BK-InsO/Blersch/ v. Olshausen, Stand Januar 2006, § 85 Rn. 5; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 10 Rn. 106) oder der Zeitpunkt, in dem der Prozess aufgenommen werden soll (so HambKomm/Kuleisa, 5. Aufl., § 85 InsO Rn. 2; Uhlenbruck/Mock, InsO, 14. Aufl., § 86 Rn. 3; Piekenbrock in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Fachanwaltskommentar Insolvenzrecht, 2. Aufl., § 85 InsO Rn. 31; K. Schmidt/Sternal, InsO, 19. Aufl., § 85 Rn. 37; Jaeger/Windel, InsO, § 85 Rn. 113, § 86 Rn. 4).

12

2. Soweit sich der Kläger mit seiner Klage gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen der von ihm in der Grundschuldbestellungsurkunde übernommenen persönlichen Haftung wendet, ist unabhängig von der abgeschlossenen Grundstücksverwertung eine Aufnahme durch den Kläger nicht möglich (Senatsbeschluss vom 10. Mai 2016 - XI ZR 46/14, WM 2016, 1070 Rn. 10 f.)

13

3. Der teilweisen Aufnahme des Rechtsstreits steht nicht entgegen, dass die im Wege der Vollstreckungsabwehrklage geltend gemachten Einwendungen und die mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe sich gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde sowohl wegen der vom Kläger übernommenen persönlichen Haftung als auch wegen des dinglichen Anspruchs aus der Grundschuld richten und damit der aufgenommene und der weiterhin unterbrochene Verfahrensteil dieselben Rechtsfragen aufwerfen.

14

Zwar darf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Teilentscheidung grundsätzlich nur dann ergehen, wenn sie von der Entscheidung über den verbleibenden Teil des Rechtsstreits in der Art unabhängig ist, dass die Gefahr einander widerstreitender Erkenntnisse in der Teil- und in der Schlussentscheidung nicht besteht (vgl. nur BGH, Urteil vom 26. April 1989 - IVb ZR 48/88, BGHZ 107, 236, 242 und Beschluss vom 7. Juli 2010 - XII ZR 158/09, ZIP 2010, 2410 Rn. 13). Dies gilt aber nicht, wenn die Aufnahme eines durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Rechtsstreits dem Insolvenzverwalter, dem Gläubiger oder dem Schuldner nur zu einem Teil möglich ist und Anhaltspunkte dafür, dass der unterbrochene Teil des Verfahrens alsbald fortgesetzt werden kann, nicht ersichtlich sind. Denn andernfalls würde der Rechtsschutz des das Verfahren aufnehmenden Insolvenzverwalters, Gläubigers oder Schuldners ohne sachliche Rechtfertigung verkürzt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010, aaO Rn. 17 ff. und Urteil vom 30. November 2011 - XII ZR 170/06, WM 2012, 1091 Rn. 15).

III.

15

Soweit das Verfahren vom Kläger aufgenommen worden ist, ist die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision zurückzuweisen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Ellenberger

Grüneberg

Matthias

Menges

Derstadt

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