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Bundesgerichtshof
Urt. v. 17.06.2014, Az.: XI ZR 514/11
Schadensersatz wegen eines angeblich nicht in Auftrag gegebenen Erwerbs von Zertifikaten
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 17.06.2014
Referenz: JurionRS 2014, 19213
Aktenzeichen: XI ZR 514/11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OLG München - 24.10.2011 - AZ: 17 U 1195/11

LG München I - 18.02.2011 - AZ: 29 O 24339/09

Rechtsgrundlage:

§ 416 ZPO

BGH, 17.06.2014 - XI ZR 514/11

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2014 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers, die Richter Dr. Grüneberg und Maihold sowie die Richterinnen Dr. Menges und Dr. Derstadt
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. Oktober 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von der beklagten Bank aus abgetretenem Recht Schadensersatz wegen des angeblich nicht in Auftrag gegebenen Erwerbs von Zertifikaten der inzwischen insolventen Lehman Brothers Treasury Co. B.V., hilfsweise wegen fehlerhafter Anlageberatung. Die Parteien streiten unter anderem über die Aktivlegitimation der Klägerin.

2

Zedentin ist die aus den Zahnärzten Dr. G. B. , Dr. F. K. , Dr. S. K. und Dr. A. E. bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Klägerin stützt ihre Aktivlegitimation auf eine - auf Seiten der Zedentin vier Unterschriften tragende - Abtretungsvereinbarung vom 3. Dezember 2009, deren Rubrum wie folgt lautet:

"Abtretungsvertrag

zwischen

Gemeinschaftspraxis Dres. B. ,

Gesellschafter

Dr. G. B. , Dr. F. K. ,

Dr. S. K. , Dr. U. E.

V. str. , L.

- Zedentin -

und

U. E.

Gemeinschaftspraxis Dres. B.

V. str.

L.

- Zessionarin -"

3

In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 23. Dezember 2010 hat die Klägerin einen - auf Seiten der Zedentin von drei Personen unterschriebenen - Abtretungsvertrag vom 21. Dezember 2010 vorgelegt, in dessen Rubrum als vierte Gesellschafterin statt "Dr. U. E. " nunmehr "Dr. A. E. " genannt ist. Mit Schriftsatz vom 31. Januar 2011 hat die Klägerin zum Beweis einer wirksamen Abtretung die vier Gesellschafter der Zedentin als Zeugen benannt und einen weiteren Abtretungsvertrag vom 10. Januar 2011 vorgelegt.

4

Die auf Zahlung von 136.875 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückübertragung der Zertifikate sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge auf Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht weiter. Mit Schriftsatz vom 13. Juni 2014 hat die Klägerin den Rechtsstreit in Höhe von 39.776,52 € einseitig für erledigt erklärt.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7

Das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin keinen Beweis dafür erbracht habe, dass die streitgegenständliche Forderung tatsächlich wirksam an sie abgetreten worden sei. Aus dem Gesamtzusammenhang des Sachvortrags der Klägerin ergebe sich, dass diese vortrage, Dr. G. B. , Dr. F. K. , Dr. S. K. und Dr. A. E. hätten die Abtretung angeboten und die Klägerin habe dieses Angebot angenommen. Die Beklagte habe dies bestritten, so dass die Klägerin ihren Sachvortrag beweisen müsse.

8

Die von der Klägerin vorgelegten Verträge vom 3. Dezember 2009 und vom 21. Dezember 2010 seien Privaturkunden, die gemäß § 416 ZPO den vollen Beweis dafür begründeten, dass die enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben wurden, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben seien. Allerdings seien bei keiner der beiden vorgenannten Urkunden die Aussteller und Unterschriftsleistenden identisch.

9

Die Urkunde vom 3. Dezember 2009 weise als Aussteller u.a. Frau Dr. U. E. aus. Frau Dr. U. E. sei nicht Mitglied der Gemeinschaftspraxis. Sie habe die Urkunde auch nicht als Zedentin mitunterschrieben. Dies sei Frau Dr. A. E. gewesen. Beide Personen existierten tatsächlich. Daher weiche die Ausstellerin von der Person ab, die unterschrieben habe, so dass die Beweiskraft des § 416 ZPO nicht eingreife. Insoweit sei nicht ausreichend, dass es eingangs heiße "Gemeinschaftspraxis Dres. B. ", da in dem konkreten Fall der Aussteller nicht nur durch diese Bezeichnung, sondern auch durch die Nennung der einzelnen Personen bestimmt werde. Eine Auslegung sei insoweit nicht möglich. Eine Auslegung des Textes könne erst dann eingreifen, wenn Aussteller und Unterzeichner identisch seien. Unter Umständen könne eine Interpretation auch dann angezeigt sein, wenn zu klären sei, ob die Person des Ausstellers im Sinne des § 416 ZPO ausreichend identifizierbar sei. Im vorliegenden Verfahren bestünden aber keine Zweifel, dass Frau Dr. U. E. nicht Frau Dr. A. E. sei. Ein Sachverständigengutachten zu der Frage, wer welche Unterschriften geleistet habe, sei aus Rechtsgründen nicht erforderlich. Dieser Umstand sei nicht entscheidungserheblich, da es um den Begriff des Ausstellers und nicht um die Frage der Echtheit einer Unterschrift gehe.

10

Auch die weitere Urkunde vom 21. Dezember 2010 habe keine Beweiskraft im Sinne von § 416 ZPO, da sie vier Zedenten ausweise, von denen nur drei unterschrieben hätten. Über eine Forderung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts könne aber als Gesamthandsforderung nur gemeinsam verfügt werden.

11

Soweit die Klägerin nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 23. Dezember 2010 in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 31. Januar 2011 Zeugen als Beweismittel angeboten sowie eine weitere Urkunde vom 10. Januar 2011 vorgelegt habe, seien diese Beweisangebote durch das Landgericht zutreffend als verspätet zurückgewiesen worden und deshalb auch in der Berufungsinstanz gemäß § 531 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen. Es sei kein Grund ersichtlich, warum die Klägerin die Zeugen nicht rechtzeitig benannt oder nicht rechtzeitig eine ordnungsgemäße Urkunde vorgelegt habe.

12

Selbst wenn eine Auslegung der Urkunde zu Beweiszwecken zulässig wäre, würde dies aufgrund der besonderen Umstände des Verfahrens nicht zu einem Erfolg der Klägerin führen. Die anwaltlich beratene Klägerin habe zu einem einfachen Sachverhalt - einer schlichten Abtretung - wiederholt private Urkunden vorgelegt, die jeweils einen anderen Text hätten, aber nicht zu den angeblichen Erklärungen passten. Dies sei ein Indiz dafür, dass die in den Urkunden bezeichneten Erklärungen nicht wirklich abgegeben worden seien, sondern die Texte ohne Kenntnisnahme unterzeichnet worden seien. Unter diesen Umständen könne den Urkunden keine Beweiskraft im Sinne des § 416 ZPO zuerkannt werden.

II.

13

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

14

1. Das Berufungsurteil ist mit einem Rechtsfehler behaftet, soweit es die Beweiskraft des Abtretungsvertrags vom 3. Dezember 2009 mit der Begründung verneint hat, die Person, die die Urkunde auf Seiten der Zedentin (mit)unterzeichnet habe, Frau Dr. A. E. , sei nicht identisch mit der im Rubrum auf Seiten der Zedentin als Ausstellerin genannten Frau Dr. U. E. .

15

Nach § 416 ZPO begründen Privaturkunden, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind. Aussteller im Sinne dieser Vorschrift ist die Person, die die in der Urkunde enthaltene Erklärung abgibt (Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl., § 416 Rn. 8; MünchKommZPO/Schreiber, 4. Aufl., § 416 Rn. 4). Das sind hier die vier Personen, die den Abtretungsvertrag für die Zedentin tatsächlich unterzeichnet und damit erklärt haben, dass die Gesellschaft ihre streitige Gesellschaftsforderung an die Zessionarin abtritt. Bei diesen Personen handelt es sich um die vier - nach § 709 Abs. 1, § 714 BGB vertretungsberechtigten - Gesellschafter der Zedentin Dr. G. B. , Dr. F. K. , Dr. S. K. und Dr. A. E. .

16

Die Unterschrift durch Dr. A. E. hat das Berufungsgericht im Berufungsurteil ausdrücklich und von der Revisionserwiderung unangegriffen festgestellt. Hinsichtlich der Unterschriften der drei weiteren Gesellschafter fehlen Feststellungen des Berufungsgerichts. Insoweit ergibt die Auslegung des Parteivorbringens, die der freien Nachprüfung des Revisionsgerichts unterliegt (Senatsurteil vom 14. Juli 1992 - XI ZR 256/91, WM 1992, 1648; BGH, Urteile vom 14. Juli 1999 - IV ZR 112/98, NJW 1999, 3560, 3561 und vom 21. März 2003 - V ZR 290/02, WM 2003, 1908, 1909), dass die Echtheit dieser drei Unterschriften nicht bestritten ist. Nachdem die Klägerin zur Begründung ihrer Aktivlegitimation den Abtretungsvertrag vom 3. Dezember 2009 vorgelegt und damit konkludent behauptet hat, dass die Urkunde die Unterschriften der vier Gesellschafter trage, hat die Beklagte ihr Bestreiten der Aktivlegitimation darauf gestützt, dass im Rubrum des vorgenannten Vertrages nicht sämtliche Gesellschafter als Zedenten aufgeführt seien, und vorsorglich bestritten, dass die Erklärung trotz der fehlenden Namensnennung von allen Gesellschaftern unterzeichnet worden sei. Die fehlende Namensnennung betrifft aber nur Dr. A. E. . Auch ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat der Beklagtenvertreter die Rüge der Aktivlegitimation der Klägerin nur damit begründet, dass im Rahmen des vorgelegten Abtretungsvertrages vom 3. Dezember 2009 auf Seiten der Zedentin "eine Dr. U. E. aufgeführt ist, die der Bank nicht bekannt ist", ohne deutlich zu machen, dass die Echtheit sämtlicher Unterschriften auf Seiten der Zedentin bestritten werde.

17

Der Umstand, dass im Rubrum des vorgenannten Abtretungsvertrages auf Seiten der Zedentin fälschlicherweise eine - nicht zu den Gesellschaftern gehörende - Dr. U. E. genannt ist, während die - der Gesellschaft bürgerlichen Rechts tatsächlich als Gesellschafterin angehörende - Dr. A. E. nicht genannt ist, ist unschädlich. Denn Inhaberin der streitigen Gesellschaftsforderung und damit richtige Partei des Abtretungsvertrages ist seit Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341) nur diese. Das ist im Streitfall die in dem Vertrag vom 3. Dezember 2009 durch die Angabe ihrer Anschrift und der Bezeichnung, unter der sie im Verkehr auftritt, eindeutig identifizierbare (zu diesem Erfordernis BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 aaO S. 356 f.) und als "Zedentin" benannte "Gemeinschaftspraxis Dres. B. ". Da selbst ein Wechsel in deren Mitgliederbestand keinen Einfluss auf den Fortbestand der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse hätte (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 aaO S. 345), war eine zusätzliche und korrekte Angabe der einzelnen Gesellschafter der Zedentin entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht erforderlich.

18

2. Entgegen der Hilfsbegründung des Berufungsgerichts kann dem Abtretungsvertrag vom 3. Dezember 2009 auch nicht deshalb die Beweiskraft nach § 416 ZPO abgesprochen werden, weil die Klägerin in der Folge noch zwei weitere Abtretungsverträge vorgelegt hat, von denen der erste nur von drei statt von vier Gesellschaftern der Zedentin unterzeichnet war. Abgesehen von der unrichtigen Angabe des Vornamens der vierten Gesellschafterin in dem Vertrag vom 3. Dezember 2009 und der fehlenden Unterschrift in dem Vertrag vom 21. Dezember 2010 haben alle drei Verträge den identischen Wortlaut. Aus dem Prozessverlauf ergibt sich, dass die späteren Abtretungsverträge vorgelegt worden sind, um den Streit um die Aktivlegitimation der Klägerin zu beenden. Die Zweifel des Berufungsgerichts, dass die in den Abtretungsverträgen enthaltenen Erklärungen von den Unterzeichnern nicht wirklich abgegeben wurden, haben keine tatsächliche Grundlage.

19

3. Danach kommt es nicht mehr darauf an, ob sich die Aktivlegitimation der Klägerin gegebenenfalls auch aus den weiteren Abtretungsverträgen vom 21. Dezember 2010 oder vom 10. Januar 2011 ergibt.

III.

20

Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

21

Die von der Revision beantragte Zurückverweisung an das Landgericht kommt nicht in Betracht. Eine Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht ist nur als ersetzende Entscheidung gemäß § 563 Abs. 3 ZPO möglich, wenn auch das Berufungsgericht bei richtiger Entscheidung gemäß § 538 Abs. 2 ZPO hätte zurückverweisen können und müssen (Senatsurteil vom 14. November 2006 - XI ZR 294/05, WM 2007, 67 Rn. 36 mwN, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 170, 18). Eine fehlerhafte Klageabweisung wegen irriger Verneinung der Aktivlegitimation zählt jedoch nicht zu den in § 538 Abs. 2 ZPO enumerativ aufgelisteten Fällen, in denen dem Berufungsgericht ausnahmsweise die Zurückverweisung an die erste Instanz gestattet ist. Eine entsprechende Anwendung des § 538 Abs. 2 ZPO ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausgeschlossen (Senatsurteil vom 14. November 2006 aaO mwN). Im Übrigen ist weder von der Revision dargetan noch sonst ersichtlich, dass aufgrund eines wesentlichen Mangels des Verfahrens im ersten Rechtszug eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme im Sinne von § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO notwendig ist.

Wiechers

Derstadt

Menges

Maihold

Grüneberg

Verkündet am: 17. Juni 2014

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