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Bundesfinanzhof
Beschl. v. 13.10.2009, Az.: X B 77/09
Verfassungsmäßigkeit von Nachforderungszinsen bei verzögerter Bearbeitung der Steuersache
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 13.10.2009
Referenz: JurionRS 2009, 32615
Aktenzeichen: X B 77/09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Bremen - 28.04.2009 - AZ: 2 K 39/08 (5)

Rechtsgrundlage:

§ 233a AO

Fundstelle:

BFH/NV 2010, 656-657

BFH, 13.10.2009 - X B 77/09

Gründe

1

Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat einen Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.

2

1.

Der Kläger nimmt nicht ausdrücklich Bezug auf einen der in § 115 Abs. 2 FGO aufgeführten Zulassungsgründe. Seinem Vortrag lässt sich aber entnehmen, dass er der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) beimisst, ob § 233a der Abgabenordnung (AO) verfassungsgemäß sei. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer zweifelhaften Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärungsfähig ist. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen. Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinandergesetzt hat (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2005 III B 59/04, BFH/NV 2005, 1081; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32 f., m.w.N.).

3

Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, so ist zur substantiierten Darlegung eine an den Vorgaben des Grundgesetzes (GG) sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) orientierte Auseinandersetzung erforderlich (BFH-Beschluss vom 4. Februar 2003 VIII B 182/02, BFH/NV 2003, 1059, m.w.N). In der Beschwerdebegründung ist zu erläutern, gegen welche Verfassungsnormen die angewandte Rechtsnorm verstoßen soll; der geltend gemachte Verfassungsverstoß ist näher zu begründen. Dazu gehört insbesondere eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BFH (BFH-Beschlüsse vom 19. Dezember 2003 II B 152/02, BFH/NV 2004, 533; in BFH/NV 2005, 1081, m.w.N.).

4

2.

Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des Klägers nicht gerecht. Er trägt zwar vor, dass es ein Verstoß gegen Treu und Glauben sei, wenn ein Steuerpflichtiger Nachforderungszinsen zahlen müsse, obwohl er sich korrekt verhalten und keine Ursache für die verzögerte Bearbeitung seiner Steuersache durch die Finanzbehörde gesetzt habe. Es verstoße gegen Art. 3 GG und widerspreche der rechtsstaatlichen Grundordnung, wenn der Staat das Recht für sich in Anspruch nehme, Zinsen auch für Forderungen verlangen zu dürfen, für die aufgrund eigener Säumnis noch kein fälliger Steuerbescheid vorliege, während nach dem deutschen Rechtsverständnis Voraussetzung für einen Zinsanspruch sei, dass eine fällige Forderung vorliege, deren Nichtzahlung der Schuldner zu vertreten habe. Hinzu komme, dass Nachzahlungszinsen nicht mehr abzugsfähig seien, während die Erstattungszinsen weiterhin versteuert werden müssten. Da der Steuerpflichtige aufgrund der Ungewissheit, wann die Steuer bei ihm festgesetzt werde, die Liquidität auf seinem Konto täglich vorhalten müsse, sei der gesetzliche Zinssatz von 6% p.a. zur Abschöpfung eines Liquiditätsvorteils unrealistisch hoch.

5

3.

Für eine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung hätte sich der Kläger mit der einschlägigen, vom Finanzgericht zitierten BFH-Rechtsprechung und den Literaturmeinungen zur Verfassungsmäßigkeit des § 233a AO auseinandersetzen müssen. Er hätte substantiiert darlegen und nicht nur behaupten müssen, dass der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nicht eingehalten, sie vielmehr in willkürlicher Weise verletzt habe. Erforderlich gewesen wäre zudem eine Auseinandersetzung mit der Systematik der Verzinsung steuerlicher Ansprüche. Hieran fehlt es in der Beschwerdebegründung.

6

4.

Im Übrigen verkennt der Kläger die Ziele, die der Gesetzgeber mit der allgemeinen Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen verfolgt hat. Er wollte einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen --"aus welchen Gründen auch immer"-- zu unterschiedlichen Zeiten festgesetzt und fällig werden. Der Gesetzgeber konnte, ohne gegen das Willkürverbot zu verstoßen, im Interesse einer einfachen Erhebung der Nachforderungszinsen den aus der Verfügung über Geld herrührenden Liquiditätsvorteil typisierend bewerten und damit die Berufung auf besondere Umstände des Einzelfalles ausschließen (vgl. hierzu grundsätzlich Senatsurteil vom 20. September 1995 X R 86/94, BFHE 178, 555, BStBl II 1996, 53).

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