Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesarbeitsgericht
Urt. v. 26.10.2016, Az.: 5 AZR 167/16
Herbeif�hren der Arbeitsunf�higkeit durch schuldhaft verursachte Erkrankung; Entgeltfortzahlungsanspruch bei Erkrankung nach In-vitro-Fertilisation; Beginn des Mutterschutzrechts nach erfolgtem Embryonentransfer
Gericht: BAG
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 26.10.2016
Referenz: JurionRS 2016, 30863
Aktenzeichen: 5 AZR 167/16
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LAG Schleswig-Holstein - 07.01.2016 - AZ: 4 Sa 323/15

ArbG Elmshorn - 30.07.2015 - AZ: 3 Ca 551 d/15

Fundstellen:

BAGE 157, 102 - 115

AP-Newsletter 2017, 16-17

ArbR 2017, 67

ArbRB 2017, 37-38

AuUR 2017, 125

BB 2017, 116

DB 2017, 9

EzA-SD 2/2017, 11-12

FA 2017, 84-85

FamRZ 2017, 576

FSt 2017, 600

JuS 2017, 557

MDR 2017, 406-407

NJW 2017, 1129-1134

NJW-Spezial 2017, 84

NZA 2017, 12-13

NZA 2017, 240-244

NZA-RR 2017, 6

NZA-RR 2017, 403

RdW 2017, 184-186

ZTR 2017, 103

BAG, 26.10.2016 - 5 AZR 167/16

Orientierungssatz:

  1. 1.

    Schuldhaft iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG handelt nur der Arbeitnehmer, der in erheblichem Maße gegen das Eigeninteresse eines verständigen Menschen verstößt.

  2. 2.

    Wird durch eine In-vitro-Fertilisation willentlich und vorhersehbar eine Arbeitsunfähigkeit bedingende Erkrankung herbeigeführt, ist ein Entgeltfortzahlungsanspruch wegen Verschuldens iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG ausgeschlossen. Ein Verschulden iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG liegt nicht vor, wenn im Rahmen einer In-vitro-Fertilisation, die nach allgemein anerkannten medizinischen Standards vom Arzt oder auf ärztliche Anordnung vorgenommen wird, eine zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung auftritt, mit deren Eintritt nicht gerechnet werden musste.

  3. 3.

    Es gibt im Entgeltfortzahlungsgesetz keine Anhaltspunkte, die eine den Regelungen in § 27a SGB V über die anteilige Kostentragung der gesetzlichen Krankenversicherung für Sachleistungen bei In-vitro-Fertilisation entsprechende Einschränkung des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung oder eine an dieser Vorschrift orientierte einschränkende Auslegung von § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG rechtfertigen könnten.4. Als Beginn der Schwangerschaft ist bei einer In-vitro-Fertilisation die Einsetzung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter anzusehen (Embryonentransfer). Ab diesem Zeitpunkt findet Mutterschutzrecht Anwendung. Insbesondere hat die Arbeitnehmerin nach § 11 MuSchG Anspruch auf Mutterschutzlohn, wenn ein ärztliches Beschäftigungsverbot ausgesprochen wird.

Orientierungssatz:

1. Schuldhaft iSv. � 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG handelt nur der Arbeitnehmer, der in erheblichem Ma�e gegen das Eigeninteresse eines verst�ndigen Menschen verst��t.

2. Wird durch eine In-vitro-Fertilisation willentlich und vorhersehbar eine Arbeitsunf�higkeit bedingende Erkrankung herbeigef�hrt, ist ein Entgeltfortzahlungsanspruch wegen Verschuldens iSv. � 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG ausgeschlossen. Ein Verschulden iSv. � 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG liegt nicht vor, wenn im Rahmen einer In-vitro-Fertilisation, die nach allgemein anerkannten medizinischen Standards vom Arzt oder auf �rztliche Anordnung vorgenommen wird, eine zur Arbeitsunf�higkeit f�hrende Erkrankung auftritt, mit deren Eintritt nicht gerechnet werden musste.

3. Es gibt im Entgeltfortzahlungsgesetz keine Anhaltspunkte, die eine den Regelungen in � 27a SGB V �ber die anteilige Kostentragung der gesetzlichen Krankenversicherung f�r Sachleistungen bei In-vitro-Fertilisation entsprechende Einschr�nkung des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung oder eine an dieser Vorschrift orientierte einschr�nkende Auslegung von � 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG rechtfertigen k�nnten.

4. Als Beginn der Schwangerschaft ist bei einer In-vitro-Fertilisation die Einsetzung der befruchteten Eizelle in die Geb�rmutter anzusehen (Embryonentransfer). Ab diesem Zeitpunkt findet Mutterschutzrecht Anwendung. Insbesondere hat die Arbeitnehmerin nach � 11 MuSchG Anspruch auf Mutterschutzlohn, wenn ein �rztliches Besch�ftigungsverbot ausgesprochen wird.

Amtlicher Leitsatz:

1. Bezugspunkt des anspruchsausschlie�enden Verschuldens iSv. � 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG ist das Interesse des Arbeitnehmers, seine Gesundheit zu erhalten und zur Arbeitsunf�higkeit f�hrende Erkrankungen zu vermeiden.

2. Die Erf�llung eines Kinderwunsches betrifft die individuelle Lebensgestaltung des Arbeitnehmers und nicht das nach � 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG vom Arbeitgeber, als gesetzlicher Ausgestaltung seiner F�rsorgepflicht, zeitlich begrenzt zu tragende allgemeine Krankheitsrisiko.

In Sachen

Beklagter, Berufungskl�ger und Revisionskl�ger,

pp.

Kl�gerin, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte,

hat der F�nfte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Beratung vom 26. Oktober 2016 durch den Vizepr�sidenten des Bundesarbeitsgerichts Dr. M�ller-Gl�ge, die Richterinnen am Bundesarbeitsgericht Weber und Dr. Volk sowie die ehrenamtliche Richterin Christen und den ehrenamtlichen Richter Pollert f�r Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 7. Januar 2016 - 4 Sa 323/15 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch �ber die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zur�ckverwiesen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand

1

Die Parteien streiten dar�ber, ob ein entstandener Verg�tungsanspruch der Kl�gerin durch Aufrechnung des Beklagten mit einem R�ckforderungsanspruch wegen Entgeltfortzahlung erloschen ist, die er im Zusammenhang mit In-vitro-Fertilisationen an die Kl�gerin leistete.

2

Die im April 1972 geborene Kl�gerin ist beim Beklagten seit Januar 1994 als Erzieherin in einer Kindertagesst�tte besch�ftigt. Der Partner der Kl�gerin ist nur eingeschr�nkt zeugungsf�hig. Um eine Schwangerschaft herbeizuf�hren, unterzog sich die Kl�gerin In-vitro-Fertilisationen. Der Beklagte hatte hiervon keine Kenntnis.

3

Die Kl�gerin legte dem Beklagten f�r die Zeitr�ume vom 26. Mai bis zum 3. Juni 2014, vom 14. Juli bis zum 1. August 2014, vom 15. bis zum 29. August 2014 und vom 21. November bis zum 8. Dezember 2014 Arbeitsunf�higkeitsbescheinigungen vor. Der Beklagte zahlte an die Kl�gerin f�r diese Zeiten die vereinbarte Verg�tung. Mit Schreiben vom 19. Februar 2015 teilte er der Kl�gerin mit, er gehe davon aus, die Fehlzeiten seien durch Inseminationen verursacht worden, f�r die er nicht zur Entgeltfortzahlung verpflichtet sei. Ihm stehe, sofern die Kl�gerin nicht andere Gr�nde f�r ihre Fehlzeiten nachweise, ein R�ckzahlungsanspruch iHv. 5.400,27 Euro netto zu. Die Kl�gerin trat dem mit Schreiben vom 9. M�rz 2015 entgegen, erteilte jedoch zun�chst keine Auskunft �ber die Ursachen ihrer Fehlzeiten. Der Beklagte �bersandte der Kl�gerin mit Schreiben vom 10. M�rz 2015 Korrekturabrechnungen f�r die Monate Mai bis August 2014 sowie November und Dezember 2014 und wies darauf hin, eine Verrechnung mit Nachzahlungsanspr�chen der Kl�gerin f�r Januar und Februar 2015 vorgenommen zu haben. Er k�ndigte an, den seiner Ansicht nach noch offenen R�ckzahlungsanspruch von 4.647,91 Euro netto von k�nftigen Gehaltsanspr�chen der Kl�gerin abzuziehen. In den Monaten M�rz bis Juni 2015 behielt der Beklagte von der Nettoverg�tung der Kl�gerin jeweils 815,47 Euro ein.

4

Die Kl�gerin ist der Ansicht, die Abz�ge seien unberechtigt. Ihr habe Entgeltfortzahlung zugestanden. Vom 26. Mai bis zum 3. Juni 2014 sei sie arbeitsunf�hig gewesen, weil eine Zyste habe entfernt werden m�ssen. F�r die �brigen Zeiten h�tten die behandelnden �rzte wegen medizinischer Eingriffe im Rahmen von In-vitro-Fertilisationen bzw. zum Schutz des ungeborenen Lebens Arbeitsunf�higkeit bescheinigt.

5

Die Kl�gerin hat erstinstanzlich, soweit im Revisionsverfahren von Bedeutung, beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie r�ckst�ndiges Arbeitsentgelt iHv. 3.261,88 Euro netto zu zahlen.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch der Kl�gerin sei nach � 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG ausgeschlossen gewesen, weil die Kl�gerin die Fehlzeiten durch die von ihr willk�rlich veranlassten �rztlichen Eingriffe schuldhaft herbeigef�hrt habe. Von Verschulden sei auch deshalb auszugehen, weil bei einer Frau nach Vollendung des 40. Lebensjahres keine hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit f�r eine Schwangerschaft durch In-vitro-Fertilisation bestehe. Die in � 27a SGB V zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung sei auch im Entgeltfortzahlungsrecht zu ber�cksichtigen.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage in dem f�r die Revision noch erheblichen Umfang von 2.301,83 Euro netto stattgegeben und sie im �brigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten zur�ckgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die vollst�ndige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgr�nde

8

Die Revision des Beklagten ist begr�ndet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten gegen das der Klage teilweise stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zur�ckgewiesen. Auf Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht entscheiden, ob und ggf. in welchem Umfang die Klage begr�ndet ist.

9

Ob eine Aufrechnungslage iSd. � 387 BGB bestand, weil dem unstreitig nach � 611 Abs. 1 BGB iHv. 2.301,83 Euro netto entstandenen Verg�tungsanspruch der Kl�gerin ein seinem Gegenstand nach gleichartiger Anspruch des Beklagten gem�� � 812 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen�berstand, kann nicht abschlie�end beurteilt werden. Es steht bisher nicht fest, ob und ggf. in welcher H�he der Kl�gerin f�r Fehlzeiten im Zusammenhang mit In-vitro-Fertilisationen Verg�tung nach � 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG oder � 11 MuSchG zustand oder ob der Beklagte Verg�tung ohne Rechtsgrund leistete und deshalb deren R�ckzahlung verlangen kann. Mangels ausreichender Feststellungen kann auch nicht entschieden werden, ob und ggf. in welcher H�he der streitgegenst�ndliche Anspruch der Kl�gerin, sollte sie f�r die Fehlzeiten Verg�tung ohne Rechtsgrund erhalten haben, durch Aufrechnungserkl�rung des Beklagten iSd. � 388 BGB nach � 389 BGB erloschen w�re.

10

Das f�hrt zur Aufhebung und Zur�ckverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung, � 562 Abs. 1, � 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Im weiteren Verfahren ist Folgendes zu beachten:

11

A. Als Rechtsgrund f�r die vom Beklagten geleisteten Zahlungen k�me ein Entgeltfortzahlungsanspruch der Kl�gerin nach � 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG in Betracht.

12

I. Ein Arbeitnehmer hat nach � 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber f�r die Zeit der Arbeitsunf�higkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn er durch Arbeitsunf�higkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft.

13

II. Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen lassen schon eine Beurteilung, in welchen Zeitr�umen die Kl�gerin krankheitsbedingt arbeitsunf�hig war, nicht zu.

14

1. Krankheit iSd. � 3 EFZG setzt einen regelwidrigen k�rperlichen oder geistigen Zustand voraus. Regelwidrig ist ein k�rperlicher oder geistiger Zustand dann, wenn er nach allgemeiner Erfahrung unter Ber�cksichtigung eines nat�rlichen Verlaufs des Lebensgangs nicht bei jedem anderen Menschen gleichen Alters und Geschlechts zu erwarten ist (BAG 7. Dezember 2005 - 5 AZR 228/05 - Rn. 35). Arbeitsunf�higkeit besteht, wenn der Arbeitnehmer infolge Krankheit seine vertraglich geschuldete T�tigkeit objektiv nicht aus�ben kann oder objektiv nicht aus�ben sollte, weil die Heilung nach �rztlicher Prognose hierdurch verhindert oder verz�gert w�rde (BAG 23. Januar 2008 - 5 AZR 393/07 - Rn. 19; 9. April 2014 - 10 AZR 637/13 - Rn. 21, BAGE 148, 16; Schaub/Linck ArbR-HdB 16. Aufl. � 98 Rn. 10, 11). Von Arbeitsunf�higkeit ist auch dann auszugehen, wenn erst eine zur Behebung einer Krankheit erforderliche Heilbehandlung dazu f�hrt, dass der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringen kann.

15

2. Arbeitsunf�higkeit iSv. � 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG ist danach bisher nur f�r die Zeit vom 26. Mai bis zum 3. Juni 2014 festgestellt, in der die Kl�gerin wegen der Entfernung einer Zyste nicht in der Lage war, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

16

3. Demgegen�ber wird die Bewertung des Landesarbeitsgerichts, die Kl�gerin sei vom 14. Juli bis zum 1. August 2014, vom 15. bis zum 29. August 2014 und vom 21. bis zum 26. November 2014 krankheitsbedingt arbeitsunf�hig gewesen, von den tats�chlichen Feststellungen nicht getragen. Die Kl�gerin hat bezogen auf die genannten Zeitr�ume Arbeitsunf�higkeit bisher nicht schl�ssig dargelegt.

17

a) In der Regel ist der Beweis krankheitsbedingter Arbeitsunf�higkeit durch die Vorlage einer �rztlichen Arbeitsunf�higkeitsbescheinigung iSd. � 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG gef�hrt. Die ordnungsgem�� ausgestellte Arbeitsunf�higkeitsbescheinigung ist das gesetzlich ausdr�cklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel f�r das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunf�higkeit. Ihr kommt ein hoher Beweiswert zu. Der Tatrichter kann normalerweise den Beweis einer krankheitsbedingten Arbeitsunf�higkeit als erbracht ansehen, wenn der Arbeitnehmer im Rechtsstreit eine Arbeitsunf�higkeitsbescheinigung vorlegt (st. Rspr., vgl. nur BAG 26. Februar 2003 - 5 AZR 112/02 - zu I 1 der Gr�nde, BAGE 105, 171; 25. Mai 2016 - 5 AZR 318/15 - Rn. 21).

18

b) Die Kl�gerin hat die Arbeitsunf�higkeitsbescheinigungen bisher nicht zur Akte gereicht, dem Beklagten jedoch unstreitig vorgelegt. Unterstellt man zu ihren Gunsten, die Bescheinigungen seien ordnungsgem�� ausgestellt, ist deren Beweiswert durch den eigenen Sachvortrag der Kl�gerin ersch�ttert. Im Berufungsurteil wird zwar - entsprechend dem kl�gerischen Vortrag - ausgef�hrt, die Kl�gerin sei in den genannten Zeitr�umen arbeitsunf�hig erkrankt; die behandelnden �rzte h�tten aufgrund der durchgef�hrten Einzelma�nahmen jeweils Arbeitsunf�higkeitsbescheinigungen erteilt. Gleichzeitig werden jedoch in Tatbestand und Entscheidungsgr�nden als Ursache der Arbeitsunf�higkeit "medizinische Eingriffe im Rahmen von In-vitro-Fertilisationen bzw. der Schutz des ungeborenen Lebens" genannt. Aus dem Vortrag, Ursache der Arbeitsunf�higkeit sei der Schutz des ungeborenen Lebens gewesen, ergeben sich gewichtige Indizien f�r die Annahme, Arbeitsunf�higkeitsbescheinigungen seien - jedenfalls - nicht durchgehend wegen zur Arbeitsunf�higkeit f�hrender Erkrankungen der Kl�gerin erteilt worden. Der Vortrag der Kl�gerin ist bisher nicht schl�ssig (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 5 AZR 130/12 - Rn. 27; 24. September 2014 - 5 AZR 611/12 - Rn. 17, BAGE 149, 144).

19

4. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch f�r die Zeit vom 14. Juli bis zum 1. August 2014, vom 15. bis zum 29. August 2014 und vom 21. bis zum 26. November 2014 k�me - unbeschadet der weiteren Anspruchsvoraussetzungen - nur in Betracht, wenn bei der Kl�gerin ein krankhafter Zustand bestand, der zur Arbeitsunf�higkeit f�hrte.

20

a) Die Kl�gerin kann entgeltfortzahlungsrechtlich nicht allein aufgrund der Unfruchtbarkeit ihres Partners als "krank" angesehen werden.

21

aa) Empf�ngnis- und Zeugungsunf�higkeit sind bei erwachsenen Menschen im fortpflanzungsf�higen Alter negative physische Abweichungen vom regelgerechten K�rperzustand (BVerwG 10. Oktober 2013 - 5 C 32.12 - Rn. 12, BVerwGE 148, 106; BFH 16. Dezember 2010 - VI R 43/10 - Rn. 17, BFHE 232, 179 [BFH 16.12.2010 - VI R 43/10]) und daher Krankheiten im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes (HK-ArbR/Spengler 3. Aufl. � 3 EFZG Rn. 19; Kunz/Wedde EFZR 2. Aufl. � 3 EFZG Rn. 41; Treber EFZG 2. Aufl. � 3 Rn. 34; Reinhard/Reinhard EFZG � 3 EFZG Rn. 37; Schmitt EFZG und AAG 7. Aufl. � 3 EFZG Rn. 52).

22

bb) Hiervon ausgehend stellte zwar die Zeugungsunf�higkeit des Partners der Kl�gerin als regelwidriger K�rperzustand eine Krankheit dar. Die Empf�ngnisf�higkeit der Kl�gerin war jedoch nicht eingeschr�nkt. Erst die In-vitro-Fertilisation und damit in Zusammenhang stehende Eingriffe und Ma�nahmen f�hrten bei ihr m�glicherweise zu einem regelwidrigen K�rperzustand und damit einer Erkrankung.

23

cc) Keine Krankheit ist der durch die Zeugungsunf�higkeit des Partners bedingte unerf�llte Kinderwunsch der Kl�gerin. Von einer Erkrankung kann nur ausgegangen werden, wenn beim Entgeltfortzahlung beanspruchenden Arbeitnehmer durch den unerf�llten Kinderwunsch k�rperliche oder seelische Beeintr�chtigungen mit Krankheitswert hervorgerufen werden. Solche Umst�nde sind vorliegend weder vorgetragen noch vom Landesarbeitsgericht festgestellt.

24

b) Ebenso wenig stellten die im Zusammenhang mit der In-vitro-Fertilisation bei der Kl�gerin vorgenommenen Eingriffe und Ma�nahmen eine Heilbehandlung dar, die zur Behebung einer schon vor der In-vitro-Fertilisation bestehenden Krankheit der Kl�gerin erforderlich gewesen w�re und m�glicherweise Arbeitsunf�higkeit verursachte. Die Zeugungsunf�higkeit des Partners, die Anlass f�r die bei der Kl�gerin vorgenommenen Eingriffe und Ma�nahmen war, konnte zwar nur durch eine im Rahmen der In-vitro-Fertilisation vorzunehmende Behandlung der Kl�gerin �berbr�ckt werden. Eine Heilbehandlung kann jedoch nicht an die Erkrankung eines Dritten - hier des Partners der Kl�gerin - ankn�pfen (vgl. BGH 12. November 1997 - IV ZR 58/97 - zu 2 b der Gr�nde; Vogelsang Entgeltfortzahlung Rn. 68, 71; Reinecke DB 1998, 130), sondern nur an eine Erkrankung der Entgeltfortzahlung begehrenden Arbeitnehmerin selbst. Eine solche lag bei der Kl�gerin vor Beginn der In-vitro-Fertilisationen nicht vor.

25

c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den f�r den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung in � 27a SGB V zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertungen. Der Vorschrift kann nicht entnommen werden, der Gesetzgeber sehe in der Unf�higkeit des Partners, auf nat�rlichem Wege Kinder zu zeugen, eine Erkrankung beider Partner, dh. auch des in seiner Fertilit�t nicht eingeschr�nkten Partners. Empf�ngnis- und Zeugungsunf�higkeit werden, wie � 27 Abs. 1 Satz 5 SGB V best�tigt, im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung grunds�tzlich als Krankheit angesehen (vgl. BSG 8. M�rz 1990 - 3 RK 24/89 - BSGE 66, 248 [BSG 08.03.1990 - 3 RK 24/89]). Nach � 27 Abs. 1 Satz 5 iVm. Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verh�ten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Zur Krankenbehandlung geh�ren auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empf�ngnisf�higkeit, wenn diese F�higkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Demgegen�ber regelt � 27a SGB V k�nstliche Befruchtung als besonderen Versicherungsfall. Die Vorschrift stellt gerade nicht auf eine Erkrankung eines oder beider Partner ab, sondern - insbesondere auch in F�llen in denen ein "kranker Versicherter" nicht gefunden werden kann, weil die medizinische Ursache der Sterilit�t ungekl�rt ist - allein auf die Unf�higkeit des Paares, auf nat�rlichem Wege Kinder zu zeugen (BSG 25. Juni 2009 - B 3 KR 7/08 R - Rn. 13; 3. M�rz 2009 - B 1 KR 12/08 R - Rn. 14).

26

d) Die Fehlzeiten der Kl�gerin ab Juli 2014 wurden unstreitig erst durch In-vitro-Fertilisationen verursacht.

27

aa) In-vitro-Fertilisation ist eine Methode der k�nstlichen Befruchtung, bei der entnommene Eizellen mit pr�parierten Spermien befruchtet und die Embryos anschlie�end in den Uterus der Frau transferiert werden. Der Vorgang l�uft in mehreren Schritten ab, darunter die hormonelle Stimulation der Eierst�cke mit dem Ziel, mehrere Eizellen gleichzeitig zur Reifung zu bringen, die Entnahme der Eizellen durch Follikelpunktion, die Befruchtung einer oder mehrerer Eizellen mit aufbereiteten Spermien und die Einsetzung der befruchteten Eizelle oder Eizellen in die Geb�rmutter mit dem Ziel der Einnistung.

28

bb) Die Kl�gerin hat den Zeitpunkt und Verlauf der Behandlungen und einen durch sie hervorgerufenen, zur Arbeitsunf�higkeit f�hrenden krankhaften Zustand bisher nicht dargelegt. Sie m�sste bezogen auf die einzelnen Zeitr�ume, in denen nach ihrem Behaupten ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestanden haben soll, darlegen, aus welchen Gr�nden sie - obwohl die behandelnden �rzte wegen "medizinischer Eingriffe im Rahmen von In-vitro-Fertilisationen bzw. zum Schutz des ungeborenen Lebens" "Arbeitsunf�higkeit" bescheinigten - krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen sein soll, die vertraglich geschuldete T�tigkeit auszu�ben. Hierzu w�ren Zeitpunkt und Ablauf der In-vitro-Fertilisationen unter Angabe der im Einzelnen vorgenommenen Ma�nahmen und Eingriffe sowie ihrer Folgen zu schildern.

29

III. Sollte die Kl�gerin schl�ssig darlegen, in den Zeitr�umen ab 14. Juli 2014 insgesamt oder zum Teil krankheitsbedingt arbeitsunf�hig gewesen zu sein und sollte es dem Beklagten nicht gelingen, dies zu widerlegen, k�me ein Entgeltfortzahlungsanspruch nur bei unverschuldeter Arbeitsunf�higkeit in Betracht.

30

1. Es ist umstritten, ob durch In-vitro-Fertilisation verursachte krankheitsbedingte Arbeitsunf�higkeit verschuldet iSv. � 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG ist.

31

a) Zum Teil wird ein Verschulden generell verneint, weil die In-vitro-Fertilisation im Interesse der Arbeitnehmerin vorgenommen werde und mit verh�ltnism��ig geringen Risiken verbunden sei. Sie k�nne daher nicht gegen die Interessen eines verst�ndigen Menschen versto�en (Treber EFZG 2. Aufl. � 3 Rn. 34; HK-ArbR/Spengler 3. Aufl. � 3 EFZG Rn. 19; ErfK/Reinhard 16. Aufl. � 3 EFZG Rn. 10, 28). Zudem handele es sich um ein sozialad�quates Verhalten (Reinhard/Reinhard EFZG � 3 EFZG Rn. 87).

32

b) Nach anderer Ansicht soll die infolge In-vitro-Fertilisation eintretende Arbeitsunf�higkeit unverschuldet iSd. � 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG sein, wenn die Voraussetzungen des � 27a SGB V erf�llt sind. Die dort vorgenommenen Wertentscheidungen seien auf das Recht der Entgeltfortzahlung zu �bertragen (NK-GA/Sievers � 3 EFZG Rn. 39; Vogelsang Entgeltfortzahlung Rn. 80; Schmitt EFZG und AAG 7. Aufl. � 3 EFZG Rn. 80, 82; HWK/Schliemann 7. Aufl. � 3 EFZG Rn. 69; wohl auch D�well NZA 2009, 759, 761; LAG D�sseldorf 13. Juni 2008 - 10 Sa 449/08 - zu II 1 b aa der Gr�nde; bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des � 27a SGB V bereits die Krankheit/Arbeitsunf�higkeit ausschlie�end: Worzalla/S�llwald Kommentar zur Entgeltfortzahlung 2. Aufl. � 3 EFZG Rn. 12; Feichtinger/Malkmus Entgeltfortzahlungsrecht 2. Aufl. � 3 EFZG Rn. 191).

33

c) Zum Teil wird zwar ein Verschulden verneint, eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung jedoch mit der Begr�ndung abgelehnt, die In-vitro-Fertilisation diene allein der Erf�llung h�chstpers�nlicher W�nsche und der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts des Arbeitnehmers (M�ller-Roden NZA 1989, 128, 131).

34

2. Ob ein anspruchsausschlie�endes Verschulden iSv. � 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG vorliegt, h�ngt davon ab, ob krankheitsbedingte Arbeitsunf�higkeit als vorhersehbare, willentlich herbeigef�hrte Folge einer komplikationslosen Invitro-Fertilisation eintritt oder sich Krankheitsrisiken realisieren, die mit der k�nstlichen Befruchtung oder einer ggf. durch sie bewirkten Schwangerschaft einhergehen.

35

a) Schuldhaft iSv. � 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG handelt nur der Arbeitnehmer, der in erheblichem Ma�e gegen die von einem verst�ndigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verst��t (BAG 18. M�rz 2015 - 10 AZR 99/14 - Rn. 13, BAGE 151, 159).

36

aa) Bei dem Verschulden iSv. � 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG handelt es sich nicht um ein Verschulden iSv. � 276 BGB, der das Ma� an Verhaltensanforderungen des Schuldners gegen�ber Dritten bestimmt. Das Entstehen einer Krankheit und/oder die daraus resultierende Arbeitsunf�higkeit betrifft die Person des Arbeitnehmers selbst. Es gilt deshalb festzustellen, ob ein "Verschulden gegen sich selbst" vorliegt. Schuldhaft im Sinne des Entgeltfortzahlungsrechts handelt deshalb nur der Arbeitnehmer, der in erheblichem Ma�e gegen die von einem verst�ndigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verst��t. Dabei ist - anders als bei der Haftung f�r Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten nach � 277 BGB - von einem objektiven Ma�stab auszugehen. Erforderlich ist ein grober oder gr�blicher Versto� gegen das Eigeninteresse eines verst�ndigen Menschen und damit ein besonders leichtfertiges oder vors�tzliches Verhalten (BAG 18. M�rz 2015 - 10 AZR 99/14 - Rn. 14, BAGE 151, 159). Das Risiko der Unaufkl�rbarkeit der Ursachen einer Krankheit oder Arbeitsunf�higkeit und eines m�glichen Verschuldens des Arbeitnehmers daran liegt beim Arbeitgeber (BAG 18. M�rz 2015 - 10 AZR 99/14 - Rn. 16, aaO.).

37

bb) Mit � 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG soll einerseits der Arbeitnehmer bei unverschuldeter krankheitsbedingter Arbeitsunf�higkeit finanziell abgesichert werden, andererseits sollen Kostenrisiken zwischen Arbeitgeber und Krankenversicherung verteilt werden (BAG 12. Dezember 2001 - 5 AZR 255/00 - zu B II 2 b der Gr�nde, BAGE 100, 130; 18. M�rz 2015 - 10 AZR 99/14 - Rn. 15, BAGE 151, 159 [BAG 18.03.2015 - 10 AZR 99/14]). Ausgehend von dieser gesetzgeberischen Zielsetzung ist das zu wahrende Eigeninteresse allein das Interesse des Arbeitnehmers, seine Gesundheit zu erhalten und zur Arbeitsunf�higkeit f�hrende Erkrankungen zu vermeiden. Ausschlie�lich dieses ist Bezugspunkt eines anspruchsausschlie�enden Verschuldens iSv. � 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG.

38

b) Kein Eigeninteresse iSv. � 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG ist die Erf�llung eines Kinderwunsches. Dies gilt, auch wenn Kinder zu haben und aufzuziehen, nicht nur gesellschaftlich w�nschenswert ist, sondern f�r viele Menschen - unabh�ngig vom Familienstand - eine zentrale Sinngebung ihres Lebens bedeutet und ungewollte Kinderlosigkeit h�ufig als schwere Belastung erlebt wird (vgl. BFH 10. Mai 2007 - III R 47/05 - Rn. 21, BFHE 218, 141 [BFH 10.05.2007 - III R 47/05] zur Ber�cksichtigung von Aufwendungen einer unverheirateten, auf nat�rlichem Weg nicht empf�ngnisf�higen Frau f�r k�nstliche Befruchtung als au�ergew�hnliche Belastung iSv. � 33 Abs. 1 EStG). Der Kinderwunsch betrifft die individuelle Lebensgestaltung des Arbeitnehmers (vgl. BVerfG 27. Februar 2009 - 1 BvR 2982/07 - Rn. 13, BVerfGK 15, 152) und nicht das nach � 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG vom Arbeitgeber, als gesetzlicher Ausgestaltung seiner F�rsorgepflicht, zeitlich begrenzt zu tragende allgemeine Krankheitsrisiko (vgl. zu � 1 Abs. 1 Satz 1 LohnFG und zur Entgeltfortzahlung bei Organspenden BAG 6. August 1986 - 5 AZR 607/85 - zu I der Gr�nde, BAGE 52, 313).

39

c) Entschlie�t sich die in ihrer Empf�ngnisf�higkeit nicht eingeschr�nkte Arbeitnehmerin zur Erf�llung ihres Kinderwunsches zu einer In-vitro-Fertilisation, ist f�r die Pr�fung, ob ein anspruchsausschlie�endes Verschulden iSv. � 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG gegeben ist, von Folgendem auszugehen:

40

aa) Verschuldet ist die Arbeitsunf�higkeit nicht schon, wenn die in � 27a SGB V genannten Voraussetzungen eines Anspruchs auf anteilige Kostentragung der gesetzlichen Krankenversicherung f�r Sachleistungen bei In-vitro-Fertilisation nicht erf�llt sind. Umgekehrt ist ein Verschulden nicht generell ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen von � 27a SGB V erf�llt sind. Es gibt im Entgeltfortzahlungsgesetz keine Anhaltspunkte, die eine � 27a SGB V entsprechende Einschr�nkung des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung oder eine an � 27a SGB V orientierte einschr�nkende Auslegung von � 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG rechtfertigen k�nnten.

41

bb) Es ist vielmehr ausgehend von der Zielsetzung des Entgeltfortzahlungsgesetzes zu differenzieren.

42

(1) Wird erst durch In-vitro-Fertilisation willentlich und vorhersehbar eine Arbeitsunf�higkeit bedingende Erkrankung herbeigef�hrt, ist von einem vors�tzlichen Versto� gegen das Eigeninteresse eines verst�ndigen Menschen, Gesundheit zu erhalten und zur Arbeitsunf�higkeit f�hrende Erkrankungen zu vermeiden, auszugehen und ein Entgeltfortzahlungsanspruch wegen Verschuldens iSv. � 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG ausgeschlossen.

43

(2) Ein Verschulden iSv. � 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG liegt nicht vor, wenn im Rahmen einer In-vitro-Fertilisation, die nach allgemein anerkannten medizinischen Standards vom Arzt oder auf �rztliche Anordnung vorgenommen wird, eine zur Arbeitsunf�higkeit f�hrende Erkrankung auftritt, mit deren Eintritt nicht gerechnet werden musste.

44

(3) Verwirklichen sich Krankheitsrisiken, weil die mit der In-vitro-Fertilisation einhergehenden Ma�nahmen und Eingriffe - f�r die Arbeitnehmerin ohne weiteres erkennbar oder mit ihrem Wissen - nicht nach anerkannten medizinischen Standards vom Arzt oder auf �rztliche Anordnung vorgenommen wurden, ist von einem Verschulden iSd. � 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG auszugehen.

45

(4) Ab dem Zeitpunkt des Embryonentransfers gelten im Hinblick auf ein Verschulden iSd. � 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG die gleichen Grunds�tze wie bei einer durch nat�rliche Empf�ngnis herbeigef�hrten Schwangerschaft.

46

(a) Als Beginn der Schwangerschaft ist bei einer In-vitro-Fertilisation die Einsetzung der befruchteten Eizelle in die Geb�rmutter anzusehen, dh. der Zeitpunkt der Verbindung einer befruchteten Eizelle mit dem Organismus der Frau durch den Embryonentransfer (vgl. ausf�hrlich zum Meinungsstand BAG 26. M�rz 2015 - 2 AZR 237/14 - Rn. 19 ff. mwN, BAGE 151, 189). Auch bei der nat�rlichen Empf�ngnis beginnt die Schwangerschaft mit der Konzeption, nicht erst mit der Nidation (BAG 26. M�rz 2015 - 2 AZR 237/14 - Rn. 23, BAGE 151, 189).

47

(b) Mit dem Embryonentransfer ist ein Zustand erreicht, der demjenigen einer durch nat�rliche Befruchtung herbeigef�hrten Schwangerschaft entspricht. F�r die Arbeitnehmerin, die sich einer In-vitro-Fertilisation unterzogen hat, gelten im Hinblick auf die Erhaltung ihrer Gesundheit und Arbeitsf�higkeit als zu wahrendes Eigeninteresse dieselben Verhaltensobliegenheiten und Verschuldensma�st�be iSd. � 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG wie f�r eine auf anderem Wege schwanger gewordene Arbeitnehmerin, in einer im �brigen vergleichbaren Situation.

48

3. Hiervon ausgehend k�nnte erst, wenn die Kl�gerin Zeitpunkt und Ablauf der In-vitro-Fertilisationen unter Angabe der im Einzelnen vorgenommenen Ma�nahmen und Eingriffe sowie ihrer Folgen darlegte und der Beklagte Gelegenheit hatte, hierzu Stellung zu nehmen, beurteilt werden, ob eine m�glicherweise eingetretene Arbeitsunf�higkeit von der Kl�gerin verschuldet war.

49

IV. Wegen fehlender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zu den Ursachen einer m�glicherweise bestehenden krankheitsbedingten Arbeitsunf�higkeit kann derzeit auch nicht entschieden werden, ob einem Entgeltfortzahlungsanspruch teilweise � 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG entgegenstand.

50

1. Wird ein Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunf�hig, verliert er nach � 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG wegen der erneuten Arbeitsunf�higkeit den Entgeltfortzahlungsanspruch f�r einen weiteren Zeitraum von h�chstens sechs Wochen nur dann nicht, wenn er vor der erneuten Arbeitsunf�higkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunf�hig war (Nr. 1) oder seit Beginn der ersten Arbeitsunf�higkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zw�lf Monaten abgelaufen ist (Nr. 2). Vor Ablauf dieser Frist entsteht ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch f�r die Dauer von sechs Wochen daher nur dann, wenn die Arbeitsunf�higkeit auf einer anderen Krankheit beruht (BAG 10. September 2014 - 10 AZR 651/12 - Rn. 25, BAGE 149, 101).

51

2. Ist der Arbeitnehmer innerhalb der Zeitr�ume des � 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG l�nger als sechs Wochen an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert, gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Zun�chst muss der Arbeitnehmer - soweit sich aus der Arbeitsunf�higkeitsbescheinigung dazu keine Angaben entnehmen lassen - darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung besteht. Hierzu kann er eine �rztliche Bescheinigung vorlegen. Bestreitet der Arbeitgeber, dass eine neue Erkrankung vorliegt, hat der Arbeitnehmer Tatsachen vorzutragen, die den Schluss erlauben, es habe keine Fortsetzungserkrankung bestanden. Dabei hat er den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden. Die Folgen der Nichterweislichkeit einer Fortsetzungserkrankung hat der Arbeitgeber zu tragen (BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 389/04 - zu I 6 der Gr�nde, BAGE 115, 206; 10. September 2014 - 10 AZR 651/12 - Rn. 27, BAGE 149, 101).

52

3. Ob eine ggf. bestehende Arbeitsunf�higkeit der Kl�gerin jeweils durch neue Erkrankungen oder durch eine oder mehrere Fortsetzungserkrankung(en) bedingt war, steht derzeit nicht fest. Den Parteien ist deshalb unter Ber�cksichtigung der vorgenannten Grunds�tze einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast zun�chst Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben. Im erneuten Berufungsverfahren wird zu beachten sein, dass eine Fortsetzungserkrankung auch dann vorliegt, wenn sich - trotz verschiedener Krankheitssymptome - eine Erkrankung als eine Fortsetzung der fr�heren darstellt, weil die wiederholte Arbeitsunf�higkeit auf demselben nicht behobenen Grundleiden beruht (BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 389/04 - zu I 4 der Gr�nde, BAGE 115, 206; 14. November 1984 - 5 AZR 394/82 - zu 1 der Gr�nde, BAGE 47, 195; 25. Mai 2016 - 5 AZR 318/15 - Rn. 11). Es wird deshalb auch zu pr�fen sein, ob eine ggf. ab 14. Juli 2014 eingetretene Arbeitsunf�higkeit der Kl�gerin insgesamt oder teilweise auf demselben Grundleiden beruhte wie ihre Arbeitsunf�higkeit im Zeitraum vom 26. Mai bis zum 3. Juni 2014.

53

B. Als Rechtsgrund f�r die vom Beklagten geleisteten Zahlungen k�me ein Anspruch der Kl�gerin auf Mutterschutzlohn nach � 11 iVm. � 3 Abs. 1 MuSchG in Betracht.

54

I. Lag in den Zeitr�umen ab 14. Juli 2014 keine oder keine durchgehende Erkrankung vor oder f�hrte eine Krankheit nicht zur Arbeitsunf�higkeit der Kl�gerin, w�ren zwar die Voraussetzungen eines Entgeltfortzahlungsanspruchs nach � 3 Abs. 1 EFZG nicht gegeben, es k�nnte aber eine Verg�tungspflicht des Beklagten nach � 11 MuSchG bestanden haben, wenn die behandelnden �rzte "Arbeitsunf�higkeit" bescheinigten, weil sie bei Fortdauer der Besch�ftigung der Kl�gerin das ungeborene Leben als gef�hrdet ansahen (vgl. BAG 13. Februar 2002 - 5 AZR 753/00 - zu I 4 der Gr�nde mwN).

55

1. In einem Arbeitsverh�ltnis stehenden Frauen ist nach � 11 MuSchG unter den weiteren in der Vorschrift genannten Voraussetzungen vom Arbeitgeber mindestens der Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen oder der letzten drei Monate vor Beginn des Monats, in dem die Schwangerschaft eingetreten ist, ua. dann weiter zu gew�hren, wenn sie wegen eines Besch�ftigungsverbots nach � 3 Abs. 1 MuSchG teilweise oder v�llig mit der Arbeit aussetzen.

56

2. Ein Anspruch auf Mutterschutzlohn nach � 11 MuSchG kommt danach f�r Zeitr�ume nach dem Embryonentransfer, der bei einer In-vitro-Fertilisation als Beginn der Schwangerschaft anzusehen ist (vgl. Rn. 46), in Betracht, soweit nach �rztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Besch�ftigung gef�hrdet ist. F�r fr�here Zeitr�ume scheidet ein Anspruch mangels Schwangerschaft aus.

57

II. Auf Grundlage des bisher festgestellten Sachverhalts kann der Senat nicht entscheiden, ob die Kl�gerin Anspruch auf Zahlung von Mutterschutzlohn nach � 11 MuSchG hatte. Es steht bisher nicht fest, ob den Fehlzeiten der Kl�gerin insgesamt oder zum Teil ein Embryonentransfer vorausging, ob die behandelnden �rzte, indem sie zum Schutz des ungeborenen Lebens "Arbeitsunf�higkeit" bescheinigten, konkludent ein Besch�ftigungsverbot aussprachen und ob im �brigen die Voraussetzungen eines Besch�ftigungsverbots nach � 3 Abs. 1 MuSchG erf�llt waren. Nachdem die Vorinstanzen hierauf nicht hingewiesen haben, ist den Parteien im erneuten Berufungsverfahren Gelegenheit zu geben, ihren Vortrag zu erg�nzen.

58

C. Sollte die Kl�gerin f�r die Fehlzeiten Verg�tung ohne Rechtsgrund erhalten haben, ist im erneuten Berufungsverfahren zu pr�fen, ob und ggf. in welcher H�he der streitgegenst�ndliche Anspruch der Kl�gerin durch Aufrechnungserkl�rung des Beklagten iSd. � 388 BGB nach � 389 BGB erloschen ist.

59

I. Eine Aufrechnung setzt voraus, dass klar ist, mit welcher Forderung gegen die Hauptforderung aufgerechnet wird. F�r die Geltendmachung einer Aufrechnung mit einer Gegenforderung gilt der Bestimmtheitsgrundsatz des � 253 Abs. 2 ZPO (vgl. BAG 17. September 2013 - 3 AZR 300/11 - Rn. 102). Nach � 322 Abs. 2 ZPO ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur H�he des Betrags, f�r den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft f�hig. Der Umfang der Rechtskraft darf nicht unklar bleiben. Auch wenn die Klage aufgrund einer Aufrechnung abgewiesen werden soll, muss feststehen, welche der zur Aufrechnung gestellten Gegenanspr�che in welcher H�he erloschen sind (vgl. BAG 22. M�rz 2000 - 4 AZR 120/99 - zu II der Gr�nde; 23. Februar 2016 - 9 AZR 226/15 - Rn. 25).

60

II. Dies ist vorliegend bisher nicht der Fall.

61

1. Anhand der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen ist nicht erkennbar, wie sich die vom Beklagten zuletzt mit Schreiben vom 10. M�rz 2015 geltend gemachte Gegenforderung iHv. 4.647,91 Euro netto zusammensetzt. Dem Vortrag des Beklagten kann nicht entnommen werden, f�r welche Zeiten er in welcher H�he die R�ckzahlung geleisteter Entgeltfortzahlung als Teil der Gesamtforderung von 4.647,91 Euro netto geltend machte. Es kann deshalb selbst unter Ber�cksichtigung der Tilgungsreihenfolge aus � 396 Abs. 1 Satz 2 iVm. � 366 Abs. 2 BGB nicht festgestellt werden, welcher Teil des Anspruchs der Kl�gerin ggf. durch Aufrechnung des Beklagten erloschen ist.

62

2. Nachdem der Beklagte in den Vorinstanzen nicht auf die m�glicherweise fehlende Bestimmtheit der Aufrechnungserkl�rung hingewiesen wurde, ist ihm Gelegenheit zur Erg�nzung seines Vortrags zu geben. In diesem Zusammenhang wird der Beklagte auch darzulegen haben, in welcher H�he R�ckforderungsanspr�che bereits durch Aufrechnungen in den Monaten Januar und Februar 2015 erloschen sind.

63

3. Dar�ber hinaus wird das Landesarbeitsgericht die vom Beklagten darzulegende Einhaltung der nach � 394 Satz 1 BGB zu beachtenden Pf�ndungsfreigrenzen (vgl. BAG 23. Februar 2016 - 9 AZR 226/15 - Rn. 23) zu �berpr�fen haben.

M�ller-Gl�ge
Weber
Volk
Christen
Pollert

Verh�ltnis zu bisheriger Rechtsprechung:

Zu OS 1.: Best�tigung von BAG 18. M�rz 2015 - 10 AZR 99/14 -

Zu OS 4.: Fortf�hrung von BAG 26. M�rz 2015 - 2 AZR 237/14 - BAGE 151, 189 und 13. Februar 2002 - 5 AZR 753/00 -

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung �ber die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung au�erhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.