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Verfahren über eine einheitliche Stelle

 Normen 

§§ 71a bis 71e VwVfG

 Information 

1. Einführung

Im Rahmen der Vorgaben der Dienstleistungs-RichtlinieRL 2006/123 sollen die ausländischen Dienstleistungserbringer gemäß Art. 6 RL 2006/123 sämtliche zur Aufnahme einer Dienstleistungstätigkeit erforderlichen Verfahren und Formalitäten sowie die Beantragung der für die Ausübung ihrer Dienstleistungstätigkeit erforderlichen Genehmigungen über eine aus ihrer Sicht Einheitliche Stelle (in der Richtlinie: Einheitlicher Ansprechpartner) abwickeln können.

Hinweis:

Der deutsche Bundesgesetzgeber hat sich für den Ausdruck "Einheitliche Stelle" anstatt des in der Richtlinie verwendeten Ausdrucks "Einheitlicher Ansprechpartner" entschieden. Damit soll deutlich gemacht werden, dass es sich um ein nicht auf den Regelungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie begrenztes allgemeines Verfahren handelt.

Die Länder hingegen haben größtenteils die Bezeichnung "Einheitlicher Ansprechpartner" beibehalten.

Die jeweiligen als Einheitliche Ansprechpartner fungierenden Behörden sollen Mittler zwischen den Dienstleistungserbringern und den zuständigen Behörden sein.

Immer muss der jeweilige Einheitliche Ansprechpartner aber ihm sämtliche in der Richtlinie aufgeführte Aufgaben abwickeln. Eine Aufteilung der verschiedenen Aufgabenbereiche auf verschiedene Einheitliche Ansprechpartner ist unzulässig.

Das Verfahren muss immer auf Wunsch des Dienstleistungserbringers auch rein elektronisch abgewickelt werden können. Die einzelnen Internetportale sind in dem Beitrag "Dienstleistungs-Richtlinie" dargestellt.

2. Das Verfahren über eine einheitliche Stelle

2.1 Allgemein

In den §§ 71a bis 71e VwVfG ist das Verfahren über eine Einheitliche Stelle geregelt.

Die Inanspruchnahme der Einheitlichen Stelle ist freiwillig und erfolgt nur, wenn und soweit dies gewollt ist.

2.2 Anwendbarkeit

Das Verfahren über eine Einheitliche Stelle soll es dem Einzelnen ermöglichen, für ein bestimmtes Vorhaben erforderliche Genehmigungsverfahren, Formalitäten und sonstige Behördenkontakte vollständig - von der Einholung notwendiger Auskünfte bis zur Entgegennahme einer abschließenden Behördenentscheidung - über eine einzige Stelle abzuwickeln, ohne sich an jede einzelne dieser Behörden direkt wenden zu müssen.

Gemäß § 71a VwVfG ist Voraussetzung des Verfahrens über eine Einheitliche Stelle, dass die Anwendbarkeit ausdrücklich durch Rechtsvorschriften angeordnet wurde.

2.3 Aufgaben und Verfahrensdurchführung

§ 71b VwVfG regelt die Aufgaben der Einheitlichen Stelle und die Durchführung des Verfahrens:

  • Die Einheitliche Stelle ist grundsätzlich nicht selbst für das jeweilige Verfahren zuständig, soweit nichts Abweichendes geregelt ist. Die wichtigste Funktion ist deshalb die in § 71b Abs. 1 VwVfG geregelte Entgegennahme und unverzügliche Weitergabe der gesamten Verfahrenskorrespondenz.

    Damit ist sichergestellt, dass durch die Inanspruchnahme keine unnötige Verfahrensverzögerung entsteht und sich die zuständige Behörde schnellstmöglich mit der Angelegenheit befassen kann. Dies ist besonders wichtig in Verfahren, in denen nach Ablauf einer Entscheidungsfrist eine Genehmigungsfiktion eintritt.

    Die Pflicht zur unverzüglichen Weiterleitung schließt nicht aus, dass die Einheitliche Stelle eine offensichtliche Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit von Angaben oder Unterlagen beanstandet und eine schnelle Fehlerkorrektur befördert. Entsprechende Pflichten ergeben sich aus § 25 VwVfG.

  • § 71b Abs. 2 VwVfG stellt sicher, dass vom Antragsteller oder Anzeigepflichtigen einzuhaltende Fristen bereits mit Eingang des Schriftstücks bei der Einheitlichen Stelle gewahrt werden. Zugunsten des Antragstellers ist deshalb eine Zugangsfiktion bei der zuständigen Behörde nach drei Tagen vorgesehen.

  • Bei fristgebundenen Verfahren hat die zuständige Behörde gemäß § 71b Abs. 3 VwVfG eine Empfangsbestätigung auszustellen, die dem Empfänger gemäß Absatz 5 regelmäßig über die Einheitliche Stelle übermittelt wird.

    Die Einheitliche Stelle kann die Empfangsbestätigung jedoch auch selbst ausstellen, soweit ihr entsprechende Kompetenzen zugewiesen sind. Neben der Angabe des Eingangs der Unterlagen bei der Einheitlichen Stelle ist auf die in dem Verfahren geltende Frist, die Voraussetzungen für den Beginn des Fristlaufs - das ist regelmäßig das Vorliegen der vollständigen Unterlagen - und auf die an den Fristablauf geknüpfte Rechtsfolge - etwa den Eintritt einer Genehmigungsfiktion - hinzuweisen.

    Die Empfangsbestätigung muss - in diesem Verfahrensstadium bereits mögliche - allgemeine Hinweise zu künftigen Rechtsbehelfen gegen eine spätere Entscheidung oder das Unterlassen einer Entscheidung enthalten. Die Empfangsbestätigung soll damit über die bloße Mitteilung über den Eingang von Unterlagen hinaus dem Antragsteller oder Anzeigepflichtigen Auskunft darüber geben, wo er mit seinem Verfahren steht und was er weiter zu veranlassen oder zu erwarten hat. Im Anwendungsbereich der Dienstleistungs-Richtlinie dient die Vorschrift der Umsetzung von Art. 13 Abs. 5 RL 2006/123.

  • Die zuständige Behörde hat gemäß § 71b Abs. 4 VwVfG die Unterlagen und Angaben zu prüfen, unverzüglich mitzuteilen, wenn sie unvollständig sind, und auf eine Vervollständigung hinzuwirken.

    Mit der Mitteilung ist darauf hinzuweisen, dass die Frist erst zu laufen beginnt, wenn die noch fehlenden Unterlagen oder Angaben vorliegen. Der Zeitpunkt des Eingangs nachgereichter Unterlagen oder Angaben bei der Einheitlichen Stelle ist ebenfalls mitzuteilen. Für den Beginn des Fristlaufs kommt es auf den Zugang der Unterlagen bei der Einheitlichen Stelle an; die Unterlagen gelten nach Abs. 2 am dritten Tag nach Eingang bei der Einheitlichen Stelle als bei der zuständigen Behörde eingegangen.

    Der Antragsteller soll in die Lage versetzt werden, mit einer voraussichtlichen Verfahrensdauer zu kalkulieren und den Zeitpunkt zu ermitteln, zu dem zu seinen Gunsten eine Genehmigungsfiktion eintritt. Im Anwendungsbereich der Dienstleistungs-Richtlinie dient die Vorschrift der Umsetzung von Art. 13 Abs. 6 RL 2006/123.

  • Gemäß § 71b Abs. 5 VwVfG ist sichergestellt, dass bei der Inanspruchnahme der Einheitlichen Stelle die gesamte Verfahrensabwicklung einschließlich der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes über die Einheitliche Stelle erfolgt.

  • § 71b Abs. 6 VwVfG enthält eine besondere Regelung für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten im Ausland bei Übermittlung durch die Post. In diesen Fällen gilt der Verwaltungsakt einen Monat nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben.

2.4 Informationspflichten

Die der Einheitlichen Stelle obliegenden Informationspflichten sind in § 71c VwVfG geregelt. Sie dienen der Umsetzung von Art. 7 RL 2006/123.

Es gelten abgestufte Informationspflichten:

  1. a)

    Die Einheitliche Stelle soll einen orientierenden Überblick über alle für das Vorhaben maßgeblichen Vorschriften und Verfahren und die zuständigen Behörden geben.

    Die Pflicht erstreckt sich auf alle Informationen, die typischerweise für eine erste Orientierung von der Einheitlichen Stelle ohne detaillierte Fachkenntnisse über die jeweils erforderlichen Verfahren und Formalitäten gegeben werden können. Die Informationspflicht der Einheitlichen Stelle betrifft Hinweise allgemeiner Art, insbesondere über Genehmigungs- und Anzeigeerfordernisse sowie über zuständige Behörden. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/10493) nicht erfasst sind vertiefte Informationen zu einzelnen Verfahren oder zur Auslegung und Anwendung einzelner fachgesetzlicher Vorschriften bezogen auf den konkreten Einzelfall.

  2. b)

    Die zuständigen Behörden geben im Rahmen ihrer sachlichen Zuständigkeit Auskunft über die Anwendung der maßgeblichen Vorschriften.

 Siehe auch 

Beteiligtenfähigkeit - Verwaltungsverfahren

Verwaltungsverfahren

Verwaltungsverfahren - förmlich

Fristen im Verwaltungsverfahren

Knack/Henneke: Verwaltungsverfahrensgesetz; Kommentar, 10. Auflage 2014

Kugele: VwVfG. Kommentar; 1. Auflage 2014

Röckinghausen: Das "Verfahren über eine einheitliche Stelle"; Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter - NWVBl. 2009, 464