Tätigkeitsmerkmale
Gesetzlich nicht geregelt.
1. Allgemein
Tätigkeitsmerkmale sind die tariflichen Anforderungen einer jeweiligen Entgeltgruppe bzw. Fallgruppe eines Tarifvertrages oder einer sonstigen Kollektivvereinbarung (z.B. AVR Caritas).
Tätigkeitsmerkmale sind vielfach als unbestimmte Rechtsbegriffe verfasst:
Beispiel:
Gründliche Fachkenntnisse
Besondere Schwierigkeit und Bedeutung
Große Selbstständigkeit
Daneben können auch Berufsausbildungen Tätigkeitsmerkmale sein (Funktionsmerkmale):
Beispiel:
Handwerksmeister
Personalsachbearbeitung
Akademiker
2. Anwendung der Tätigkeitsmerkmale
2.1 Grundsatz
Die Konkretisierung der Tätigkeitsmerkmale richtet sich nach den Anforderungen, die die höchstrichterliche Rechtsprechung im Laufe der Jahrzehnte aufgestellt hat. Fehlt eine höchstrichterliche Rechtsprechung, gelten die allgemeinen Auslegungsregeln.
2.2 Berufsqualifikationen als Tätigkeitsmerkmale
Handelt es sich bei dem Tätigkeitsmerkmal um eine Berufsqualifikation, so ist immer wesentlich, dass die Ausübung der Tätigkeit diese Kenntnisse erfordert und der Stelleninhaber die Aufgabe ausüben kann. Grundsätzlich unerheblich sind die Ausbildung und die sonstigen Qualifikationen des jeweiligen Stelleninhabers. Wird eine bestimmte Berufsausbildung gefordert, so kann die Tätigkeit zumeist auch durch die Erfüllung des in der Entgeltgruppe ebenfalls genannten Tätigkeitsmerkmals "Sonstiger Angestellter" erfüllt werden.
Dabei ist das Anforderungsprofil der Tätigkeit mit den Tätigkeitsprofilen und Ausbildungsinhalten des jeweiligen Berufes nach dem Stand im streitigen Anspruchszeitraum zu vergleichen (BAG 27.08.2008 - 4 AZR 484/07).
2.3 Beispielstätigkeiten
2.3.1 Allgemein
Die Tarifvertragsparteien erläutern die Tätigkeitsmerkmale einiger Entgeltgruppen durch Beispielstätigkeiten. Ziel ist die Darstellung des Anwendungsbereichs des jeweiligen Tätigkeitsmerkmals.
Die Beispiele sind entweder
in der Entgeltgruppe selbst genannt
oder
in den Protokollerklärungen / Protokollnotizen der Entgeltgruppe zu finden.
2.3.2 Erfüllung der Beispielstätigkeiten
Soweit konkrete Beispielstätigkeiten aufgeführt werden, sind die allgemeinen Merkmale nach dem Willen der Tarifvertragsparteien stets erfüllt, wenn der Arbeitnehmer eine der Beispielstätigkeiten ausübt (BAG 08.03.2006 - 10 AZR 129/05, BAG 15.06.1994 - 4 AZR 327/93, BAG 17.01.1996 - 4 AZR 662/94).
Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass die genannten Beispielstätigkeiten nur der Erläuterung der abstrakten Tätigkeitsmerkmale dienen sollen. In diesen Fällen reicht die Erfüllung der Merkmale eines Richt-, Regel- oder Tätigkeitsbeispiels allein noch nicht aus, den Anforderungen der abstrakten Tätigkeitsmerkmale zu genügen. Ob eine derartige Absicht der Tarifvertragesparteien vorliegt, ergibt sich aus dem Wortlaut oder dem tariflichen Gesamtzusammenhang (BAG 28.09.2005 - 10 AZR 34/05, BAG 19.08.2004 - 8 AZR 375/03).
Sofern die Tätigkeitsbeispiele ihrerseits unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten (BAG 22.06.2005 - 10 ABR 34/04) sind diese wiederum im Lichte der Oberbegriffe auszulegen (BAG 17.04.2003 - 8 AZR 482/01).
2.3.3 Keine Erfüllung der Beispielstätigkeiten
Übt der Stelleninhaber keine der Beispiele / Beispielstätigkeiten aus, so können die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals auch erfüllt sein, wenn die vom Angestellten ausgeübte Tätigkeit den Anforderungen der Beispielstätigkeiten entspricht.
Soweit eine Eingruppierung auf Tätigkeiten beruht, die nicht beispielhaft in einer Anmerkung aufgeführt sind, muss es sich um Tätigkeiten handeln, die den in der Anmerkung ausdrücklich aufgeführten Tätigkeiten vergleichbar sind und insbesondere bei ihrer Ausführung einen gleichwertigen Schwierigkeitsgrad erfordern (BAG 22.07.1998 - 4 AZR 333/97, BAG 18.04.2007 - 4 AZR 696/05).
Wird die vom Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit von einem Tätigkeitsbeispiel nicht oder nicht voll erfasst und handelt es sich auch nicht um eine vergleichbare Tätigkeit, muss grundsätzlich auf die allgemeinen Merkmale zurückgegriffen werden.
2.4 Zeitanteile
Oftmals müssen die Tätigkeitsmerkmale in einem bestimmten Zeitanteil erfüllt werden, der in der Entgeltgruppe vorgegeben wird. Dabei ist es ausreichend, wenn das Tätigkeitsmerkmal in dem Arbeitsvorgang erfüllt wird, der in dem geforderten zeitlichen Maß vorliegt. Voraussetzung ist dann, dass das Tätigkeitsmerkmal nicht nur einen unerheblichen Teil des Arbeitsvorgangs ausmacht.
3. Vergleichbarkeit der Tätigkeitsmerkmale
Das Bundesarbeitsgericht nimmt in ständiger Rechtsprechung an, dass die kirchlichen Kollektivvereinbarungen, wie z.B. die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR Caritas) oder der BAT-KF keine Tarifverträge im tarifrechtlichen Sinne sind.
Dennoch hat das BAG in verschiedenen Urteilen die Übertragbarkeit verschiedener tariflicher Grundsätze angenommen, so z.B. in den Urteilen BAG 23.03.2011 - 4 AZR 300/09 und BAG 12.12.1990 - 4 AZR 306/90: Das BAG erklärte z.B. die Tarifautomatik des TVöD (bzw. zuvor des BAT) auch auf Arbeitsverträge der AVR anwendbar.
Das Gericht hat in seinem Urteil vom 06. November 1996 (BAG 06.11.1996 - 5 AZR 334/95) eindeutig erklärt, dass für die Inhaltskontrolle kirchlicher Arbeitsvertragsrichtlinien die für Tarifverträge geltenden Maßstäbe heranzuziehen sind, soweit Tarifvertragregelungen ganz oder mit im Wesentlichen gleichen Inhalt übernommen werden. Die Einschränkung beruht auf der Besonderheit des der Entscheidung zugrunde liegenden Falls. Der wesentliche Inhalt der AVR orientierte sich an den Regelungen des BAT (nunmehr TVöD).
Danach kann die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Auslegung eines Tätigkeitsmerkmals auch auf andere Tarifverträge (z.B. den Tarifvertrag der Bundesagentur für Arbeit - TV-BA) übertragen werden, soweit diese vergleichbare Regelungen treffen.