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Stille Gesellschaft

Autor:
 Normen 

BT-Drs. 19/27635

 Information 

1. Allgemein

Die stille Gesellschaft ist eine Innengesellschaft (nicht rechtsfähige Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) mit Besonderheiten im Handelsrecht.

Der stille Gesellschafter tätigt eine Einlage in das Geschäftsvermögen, die in das Vermögen des Inhabers übergeht. Es entsteht grundsätzlich kein Gesellschaftsvermögen (Ausnahme: atypische Gesellschaft). Der stille Gesellschafter ist aus den Geschäften weder berechtigt noch verpflichtet, aber am Gewinn beteiligt. Die Beteiligung am Verlust kann vertraglich ausgeschlossen werden.

Die Stille Gesellschaft betreibt kein eigenes Handelsgewerbe und ist daher auch keine Handelsgesellschaft im Sinne des HGB. Sie kann deshalb weder eine eigene Firma führen, noch kann sie ins Handelsregister eingetragen werden.

2. Formen

Sie ist in zwei Arten möglich:

  • Als typische stille Gesellschaft, in der der stille Gesellschafter nicht am Gesellschaftsvermögen beteiligt ist und

  • als atypische stille Gesellschaft, bei der der stille Gesellschafter auch am Geschäftsvermögen beteiligt ist (und meistens auch an der Geschäftsführung).

3. Anzuwendendes Recht

Rechtsgrundlagen sind die §§ 230 – 237 HGB sowie die vertraglichen Regelungen der Gesellschafter.

Die Gestaltungsmöglichkeiten bei stillen Gesellschaften folgen aus der für sie geltenden Vertragsfreiheit. Der weit gespannte Rahmen für die zulässigen Variationen der Gesellschaftsform umfasst die nicht personenbezogene, innerhalb einer Zweckgemeinschaft geregelte Kapitalüberlassung durch einen einzelnen stillen Gesellschafter ebenso wie die Beteiligung einer Vielzahl anonymer Kapitalgeber an einer Publikumsgesellschaft, in deren körperschaftliche Struktur die stillen Gesellschafter einbezogen sind.

Vertragslücken sind grundsätzlich über das Recht der nicht rechtsfähigen oder ggf. der rechtsfähigen Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zu lösen. Aber:

Ganz allgemein lässt sich nach der Gesetzesbegründung zur Reform des Personengesellschaftsrechts (BT-Drs. 19/27635) feststellen: Je stärker die Position des stillen Gesellschafters einer mitgliedschaftlichen Beteiligung angenähert ist, desto stärker sind Vertragslücken mit Hilfe des Rechts der jeweiligen rechtsfähigen Gesellschaft zu schließen und ist hierauf als Wertungsmaßstab abzustellen. In welchem Maß dieser Rückgriff zu erfolgen hat, lässt sich nicht schematisch, sondern nur unter genauer Würdigung der jeweiligen Parteiabsprachen beantworten.

4. Informationsanspruch

Gemäß § 233 HGB richtet sich der Informationsanspruch des stillen Gesellschafters nach § 166 HGB:

  • Es besteht ein Anspruch darauf, von der Gesellschaft eine Abschrift des Jahresabschlusses (§ 242 Absatz 3 HGB) zu verlangen und zu dessen Überprüfung Einsicht in die zugehörigen Geschäftsunterlagen zu nehmen. Im Zuge der Reform des Personengesellschaftsrechts wurde der Anspruch in zwei Punkten deutlicher herausgestellt: Auszuhändigen ist der Jahresabschluss im Sinne von § 242 Absatz 3 HGB, also die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung. Dabei kann der Kommanditist zur Überprüfung diejenigen Geschäftsunterlagen einsehen, die für den Jahresabschluss relevant sind, insbesondere also die Prüfungsberichte und das gesamte Rechnungswesen.

  • Daneben räumt § 166 Absatz 1 Satz 2 HGB dem Kommanditisten das Recht ein, auch Auskunft über die Gesellschaftsangelegenheiten zu verlangen:

    Tatbestandliche Voraussetzung für das Bestehen des Auskunftsrechts ist, dass die Erteilung der Auskunft zur Wahrnehmung der Mitgliedschaftsrechte des Kommanditisten erforderlich sein muss. Damit ist eine Abwägung der gegenseitigen Interessen von Verband und Mitglied nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemeint. Vergleichbar mit dem außerordentlichen Informationsrecht aus wichtigem Grund und aufgrund gerichtlicher Anordnung liegt die Darlegungslast für die Erforderlichkeit der Information bei dem Gesellschafter, wobei die Anforderungen gemäß der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/27635) nicht überspannt werden dürfen.

    Als Regelbeispiel für ein vorrangiges Informationsinteresse des Gesellschafters ist es anzusehen, dass Grund zu der Annahme unredlicher Geschäftsführung besteht.

    Der Vorbehalt der Ausübungskontrolle am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes greift aber nur ein, wenn eine das Auskunftsrecht ausschließende oder beschränkende Vereinbarung überhaupt besteht.

5. Beendigung der Gesellschaft

Das Gesellschaftsverhältnis endet mit der Auflösung der stillen Gesellschaft (Liquidation). An die Auflösung knüpft sich die Auseinandersetzung unter den Gesellschaftern, die allein in den Händen des Inhabers liegt.

Die Kündigung der stillen Gesellschaft führt zu deren Auflösung und zur Auseinandersetzung zwischen dem Inhaber des Handelsgeschäfts und dem stillen Gesellschafter, bei der die wechselseitigen Ansprüche grundsätzlich unselbstständige Rechnungsposten der Gesamtabrechnung werden und vor Beendigung der Auseinandersetzung nur ausnahmsweise geltend gemacht werden können, wenn dadurch das Ergebnis der Auseinandersetzung (teilweise) in zulässiger Weise vorweggenommen wird und insbesondere die Gefahr von Hin- und Herzahlungen nicht besteht (BGH 03.02.2015 – II ZR 335/13).

Wird eine (hier: mehrgliedrige atypisch) stille Gesellschaft aufgelöst, sind die stillen Gesellschafter zur Rückzahlung der ihnen zugeflossenen gewinnunabhängigen Ausschüttungen an den Geschäftsinhaber verpflichtet, wenn dieser Rückzahlungsanspruch im Gesellschaftsvertrag geregelt ist (BGH 20.09.2016 – II ZR 120/15).

Bei Beendigung einer atypisch stillen Gesellschaft wird der Anspruch des stillen Gesellschafters auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens – ebenso wie ein eventueller Verlustausgleichsanspruch des Geschäftsinhabers – regelmäßig erst nach der Auseinandersetzung gemäß § 235 Abs. 1 HGB in Form der Durchführung einer Gesamtabrechnung fällig, die der Geschäftsinhaber allerdings nicht ungebührlich hinauszögern darf (BGH 06.12.2016 – II ZR 140/15).

 Siehe auch 

Innengesellschaft

BGH 21.03.1983 – II ZR 139/82

BGH 16.01.1984 – II ZR 36/83

BGH 29.06.1992 – II ZR 284/91

OLG Köln 24.04.1995 – 5 U 222/94

Lipp: Die stille Gesellschaft in der deutschen Abkommenspraxis. Einkünftequalifikation bei der grenzüberschreitenden typisch oder atypisch stillen Gesellschaft; Internationale Wirtschafts-Briefe – IWB 2014, 760

Schwerdtfeger: Gesellschaftsrecht; 4. Auflage 2024