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Schutzgebiete - Natura 2000

 Normen 

RL 92/43

§ 10 Nr. 8 BNatSchG

§§ 32-38 BNatSchG

 Information 

1. Einführung

Natura 2000 bezeichnet ein EU-weites Netz von Schutzgebieten, das durch die Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie RL 92/43 (FFH-Richtlinie) durch die Mitgliedsstaaten der EU errichtet werden soll.

Die Einrichtung dieses Netzes besonderer Schutzgebiete soll durch Begründung eines strengen Schutzregimes Gewähr für eine wirksame Sicherung der Lebensräume bedrohter Tier- und Pflanzenarten, mithin einem effektiven Habitatschutz auf dem gesamten europäischen Gebiet der Mitgliedsstaaten dienen. Nach Art. 3 RL 92/43 soll das Verbundsystem Gebiete umfassen, die zur Erhaltung der in Anhang I aufgeführten Lebensraumtypen sowie der Lebensräume der Tier- und Pflanzenarten des Anhang II beitragen. Auch die von den Mitgliedsstaaten aufgrund der Richtlinie 79/409 ausgewiesenen besonderen Schutzgebiete werden durch Natura 2000 umfasst.

Zur Umsetzung der Regelungsvorgaben durch die FFH-Richtlinie sind in der Bundesrepublik Deutschland entsprechende Vorschriften in die §§ 31 - 36 Bundesnaturschutzgesetz aufgenommen worden.

2. Verfahren der Schutzgebietsausweisung

Die Ausweisung eines Gebietes zum Gebietsnetz Natura 2000 erfolgt durch das folgende, sich in drei Abschnitte gliedernde Verfahren:

  • Gebiets(vor)auswahl durch die Mitgliedsstaaten:

    Art. 4 RL 92/43 ordnet an, dass die Mitgliedsstaaten eine Liste mit möglichen Schutzgebieten zu erstellen haben, die der EU-Kommission zugeleitet werden muss. Nach § 32 Abs. 1 S. 1 BNatSchG sind es in Deutschland die Länder, die die Gebiete im Einvernehmen mit dem Bundesumweltministerium (das über das gesamte für einen "nationalen Bewertungsvorschlag" relevante Datenmaterial verfügt) auswählen. Nachdem die Länder die abschließende und verbindliche Auswahlentscheidung vorgenommen haben, wird diese vom BMU an die EU-Kommission übermittelt.

  • Gebietsauswahl durch die EU, Art. 4 Abs. 2 RL 92/43:

    Die EU-Kommission erstellt aus den Listen der Mitgliedsstaaten jeweils im Einvernehmen mit den Mitgliedsstaaten eine europäische Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung. Sobald ein Gebiet in die Gemeinschaftsliste aufgenommen worden ist, greifen die Schutzbestimmungen des Art. 6 Abs. 2 - 4 RL 92/43. § 33 BNatSchG ordnet hierzu an, das alle Vorhaben, Maßnahmen, Veränderungen oder Störungen, die zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen führen können, unzulässig sind.

    Zum Konzertierungsverfahren nach Art. 5 RL 92/43 kommt es, wenn die Kommission feststellt, dass ein Gebiet in einer nationalen Liste nicht aufgeführt ist, das ihres Erachtens aber in das Gebietsnetz aufzunehmen ist. Während der Konzertierungsphase unterliegt das betreffende Gebiet den Bestimmungen des Art. 6 Abs. 2 RL 92/43. Entsprechend sieht § 33 Abs. 2 BNatSchG den Schutz nach § 33 Abs. 1 BNatSchG auch für die Konzertierungsgebiete vor.

  • Nationale Unterschutzstellung der von der EU ausgewählten Gebiete:

    Letzter Verfahrensabschnitt ist die innerstaatliche Umsetzung der Gebietsauswahl der EU. Dazu erklären gemäß § 32 Abs. 2 BNatSchG die Länder die in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung eingetragenen Gebiete nach Maßgabe des Art. 4 Abs. 4 RL 92/43 entsprechend den jeweiligen Erhaltungszielen zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Abs. 2 BNatSchG.

3. Klagebefugnis des Nachbarn bei Verstoß gegen die Vorgaben der Richtlinie

"Der Eigentümer von Grundstücken, die in einem Natura 2000-Gebiet liegen, ist im Rahmen eines Nachbarrechtsstreits nicht berechtigt einen Verstoß gegen die zur Umsetzung der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen FFH-RL - erlassenen Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes zu rügen" (BVerwG 17.02.2021 - 7 C 3/20).

 Siehe auch 

Schutzgebiete

BVerwG 14.11.2002 - 4 A 15/02 (Beurteilungsspielraum bei der Ausweisung eines Vogelschutzgebiets)

BVerwG 27.10.2000 - 4 A 18/99

BVerwG 24.08.2000 - 6 B 23/00

OVG Schleswig 12.03.2009 - 1 KN 12/08 (Rechtsschutz)

VerfGH Rheinland-Pfalz 11.07.2005 - VGH N 25/04 (Verdrängung der kommunalen Selbstverwaltung bei der Umsetzung der FFH-Richtlinie)

http://www.bfn.de/0316_gebiete.html (Zum Stand der Umsetzung von Natura 2000 in Deutschland)

Czybulka/Kampowski: Rechtliche Anforderungen an die Unterschutzstellung von Natura 2000-Gebieten auf "sonstige Weise" und die Umsetzung in den Bundesländern; Zeitschrift für Europäisches Umwelt- und Planungsrecht - EurUP 2008, 181 und 2009, 180

Kochenburger/Estler: Die Berücksichtigung von Vorbelastungen im Bereich der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung und der Verträglichkeitsprüfung nach der FFH-Richtlinie, UPR 2001, 50

Lorenz: Möglichkeit einer Kombination von naturschutzrechtlicher Eingriffsregelung, Umweltverträglichkeitsprüfung und FFH-Verträglichkeitsprüfung in der Bauleitplanung, NuR 2001, 128

Niederstadt: Die Ausweisung von Natura-2000-Gebieten unter Verzicht auf klassische Schutzgebietsverordnungen; Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - NVwZ 2008, 126