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Politische Verfolgung - Asylrecht

 Normen 

Art. 16a GG

AsylG

RL 2011/95

 Information 

1. Allgemein

Politisch verfolgte Ausländer unterliegen gemäß §§ 3 ff. AsylG dem Schutz des Asylrechts.

2. Begriffsbestimmung Verfolgung

Politisch Verfolgte sind Personen, die nach den asylerheblichen Merkmalen der Genfer Flüchtlingskonvention eine staatliche bzw. quasistaatliche Verfolgung erlitten haben oder denen eine solche Verfolgung droht. Rechtsgrundlage sind die §§ 3 ff. AsylG:

  1. a)

    Verfolgungsgrund: Furcht vor der Verfolgung aus einem der folgenden Gründe:

    • Rasse:

      Der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe (siehe § 3b Abs. 1 Nr. 1 AsylG).

    • Religion:

      Der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind (siehe § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG).

    • Nationalität:

      Der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird (siehe § 3b Abs. 1 Nr. 3 AsylG).

    • Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe:

      Eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, sowie die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (siehe § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG).

    • Politische Überzeugung:

      Unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er aufgrund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist (siehe § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG).

    Hinweis:

    Keine asylerheblichen Merkmale sind Notsituationen wie Armut, Naturkatastrophen etc. Aber:

    Das Vorliegen eines Bürgerkrieges begründet grundsätzlich nicht das Vorliegen einer politischen Verfolgung. Ausnahmen liegen in folgenden Fällen vor:

    • Der Staat verfolgt nach einem asylerheblichen Merkmal bestimmte Personen oder Personengruppen.

    • Er greift die unbeteiligte Zivilbevölkerung an.

    • Er strebt gezielt die Vernichtung oder Zerstörung der ethnischen, kulturellen oder religiösen Identität der aufständischen Bevölkerung an.

    Das Vorliegen eines asylerheblichen Merkmals bestimmt sich nach objektiven Kriterien. Dabei reicht es aus, wenn der Staat Personen wegen eines der Merkmale überhaupt oder schärfer verfolgt.

    Zudem muss sich der Ausländer außerhalb des Landes (Herkunftsland) befinden, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

  2. b)

    Verfolgungshandlung:

    Die einzelnen Verfolgungshandlungen sind in § 3a AsylG aufgeführt. In § 3a Abs. 2 AsylG werden beispielhaft einige Verfolgungshandlungen genannt, so u.a.:

    • Die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt.

    • Unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung.

    • Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

      Was als strafbare Handlung in Bezug auf das Merkmal der sexuellen Orientierung anzusehen ist, wird nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/13063) nach deutschem Recht geprüft, unabhängig von der Frage, ob dieses nach den §§ 3 ff StGB überhaupt Anwendung findet.

Erforderlich ist gemäß § 3a Abs. 3 AsylG, dass zwischen dem Verfolgungsgrund sowie der Verfolgungshandlung eine Verknüpfung besteht.

Die Verfolgung kann dabei von den in § 3c AsylG genannten Akteuren ausgehen.

Die politische Verfolgung ist staatlich, wenn sie von den Trägern der Staatsgewalt bzw. von einer durch diese beherrschten Partei oder Religionsgemeinschaft ausgeht. Bei einer quasistaatlichen Verfolgung geht die Verfolgung von staatsähnlichen Organisationen aus, die den Staat in ihrem Aufgabenbereich verdrängt haben. Eine mittelbare Verfolgung, d.h. eine Verfolgung durch Dritte, wird dann als staatliche Verfolgung anerkannt, wenn die Verfolgungshandlungen durch den Staat unterstützt bzw. sanktionslos hingenommen werden.

Die Anerkennung erfordert, dass die Verfolgung des Antragstellers nach seiner Rückkehr beachtlich wahrscheinlich ist. Dies ist glaubhaft zu machen.

3. Ausschluss der Flüchtlingseigenschaft trotz Vorliegen einer Verfolgung

Die Anerkennung als Flüchtling ist ausgeschlossen, wenn die in den Absätzen 2 und 3 des § 3 AsylG aufgeführten Tatbestände erfüllt sind.

Dabei wurde der Absatz 3 zum 01.01.2023 neu gefasst. Anwendung findet die Vorschrift auf staatsangehörigkeitsrechtlich privilegierte Gruppen, die sich vor der Reise nach Deutschland in einem für sie sicheren Staat aufhalten, in dem sie alle Rechte eines Staatsangehörigen genießen, ohne diese Staatsangehörigkeit (bereits) zu besitzen. Es handelt sich demnach um Ausländer, die vor der Einreise nach Deutschland in einem Staat Aufnahme gefunden haben, in dem ihnen - abgesehen von der formellen Staatsangehörigkeit - die wesentlichen Rechte, die normalerweise den Staatsangehörigen zustehen, gewährt werden. Beispiele sind die Situation von Bürgern ehemaliger Sowjetrepubliken in der Russischen Föderation oder nordkoreanischer Staatsangehöriger bei einem Aufenthalt in Südkorea, die jeweils Staatsbürgern gleichgestellt werden, beziehungsweise einen unmittelbaren Anspruch auf Erwerb der Staatsangehörigkeit haben.

 Siehe auch 

Asyl

Asylbewerber

Asylberechtigte

Drittstaat

Herkunftsstaat

Staat

Staatsangehörigkeit

BVerfG 12.02.2008 - 2 BvR 2141/06 (Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Feststellung und Beurteilung des Charakters staatlicher Strafverfolgungsmaßnahmen als politische Verfolgung)

BVerfG 10.08.2000 - 2 BvR 260, 1353/98 (staatsähnlichen Verfolgung)

BVerfG 23.01.1991 - 2 BvR 902/85 (Gruppenverfolgung und Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit)

BVerwG 25.07.2000 - 9 C 28/99 (zum Asyl bei Maßnahmen der Terrorismusabwehr und Folter)

BVerwG, 23.07.1991 - 9 C 154/90 (Gruppenverfolgung und Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit)

BVerwG 18.02.1986 - 9 C 16/85 (Gruppenverfolgung und Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit)

OVG Sachsen-Anhalt 12.12.2002 - A 1 S 29/99 (Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative)

Fritz/Vormeier: Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz; Loseblattwerke

Hohm: Kommentar zum Asylbewerberleistungsgesetz; Loseblattwerk