Rechtswörterbuch

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach Themen im Rechtswörtebuch zu suchen!

Grundordnungen der Kirchen

Autor:
 Normen 

Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (Katholische Kirche)

Bischöfliche Erläuterungen zum kirchlichen Dienst (Katholische Kirche)

Grundordnung der evangelischen Kirche in Deutschland

Grundordnung der Union evangelischer Kirchen in der EKD

 Information 

1. Katholische Kirche

1.1 Allgemein

Die »Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse« (https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/VDD-Arbeitsrecht/Grundordnung-des-kirchlichen-Dienstes-22.-November-2022.pdf) ist ein Kirchengesetz, mit dem die katholische Kirche ihr verfassungsrechtlich garantiertes Selbstbestimmungsrecht für den Bereich des Arbeitsrechts ausgefüllt hat. Die Überarbeitung der Grundordnung wird von der Deutschen Bischofskonferenz beschlossen.

Die Grundordnung der katholischen Kirche regelt u.a. die Begründung von Arbeitsverhältnissen, die den Arbeitnehmern auferlegten Loyalitätsobliegenheiten und die Folgen einer Loyalitätsverletzung.

Sie gilt für Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern bei den Einrichtungen der Kirchengemeinden, der Diözesen, der Kirchenstiftungen, der öffentlichen juristischen Personen des kirchlichen Rechts, des Verbandes der Diözesen Deutschlands, des Deutschen Caritasverbandes und sonstiger kirchlicher Rechtsträger und ihrer Einrichtungen.

Die Grundordnung wird ergänzt durch die »Bischöflichen Erläuterungen zum kirchlichen Dienst« (https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/VDD-Arbeitsrecht/2022–11–22_Bischoefliche-Erlaeuterungen-zum-kirchlichen-Dienst.pdf).

1.2 Reform der Grundordnung

Die Deutsche Bischofskonferenz hat im Herbst 2022 die Grundordnung reformiert. Die reformierte Fassung ist von der Bischofskonferenz als Muster erlassen und muss in allen Diözesen durch den jeweiligen Diözesanbischof in Kraft gesetzt werden. Dies ist grundsätzlich einheitlich zum 01.01.2023 geschehen.

Mit der Reform wurden die zuvor den Kernbereich der Grundordnung ausmachenden Loyalitätsanforderungen an die Mitarbeiter gänzlich gestrichen. Eine Wiederheirat nach einer Scheidung oder die Homosexualität haben nunmehr keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Ein Kündigungsgrund ist jedoch weiterhin ein Kirchenaustritt. Weiterhin wird bei der Einstellung eine Identifikation mit den Zielen und Werten der katholischen Einrichtung erwartet.

Zumindest in der Grundordnung hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden: An die Stelle der Loyalitätsanforderungen sind mit Art. 4 Handlungsaufträge und Ziele für die Dienstgeber normiert. Dazu zählt u.a. die Gleichstellung von Frauen und Männern im kirchlichen Dienst.

Gemäß Art. 6 GO kommt es bei der Personalgewinnung nicht in erster Linie auf die formale Mitgliedschaft in der katholischen Kirche an, sondern auf die Identifikation mit den Zielen und Werten der katholischen Kirche.

Gewerkschaften sind gemäß Art. 10 GO am Zustandekommen kirchlicher Arbeitsvertragsbedingungen organisatorisch zu beteiligen. Näheres zu Aufgaben, Zusammensetzung und Arbeitsweise der Arbeitsrechtlichen Kommissionen des Dritten Weges ist in der Rahmen-KODA-Ordnung festgelegt.

1.3 Rechtsprechung

Hinweis:

Die folgende Rechtsprechung ist auf der Grundlage der vormaligen Fassungen der Grundordnung entstanden (d.h. vor dem 01.01.2023)!

Das Bundesarbeitsgericht hatte allgemein mit dem Urteil BAG 08.09.2011 – 2 AZR 543/10 erstmals geurteilt, dass die Kündigung nur dann gerechtfertigt ist, wenn der Loyalitätsverstoß auch bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile im Einzelfall ein hinreichend schweres Gewicht hat.

Kirchenaustritt:

Die Kündigung aufgrund des Kirchaustritts eines bei dem Caritasverband beschäftigten Sozialpädagogen wurde als rechtmäßig anerkannt (BAG 25.04.2013 – 2 AZR 579/12).

Eingehung einer »freundschaftlichen« Beziehung zu einem ehemaligen Klienten durch eine Mitarbeiterin in der katholischen Ehe-, Lebens- und Familienberatung:

Sachverhalt:

Die Klägerin arbeitete als Ehe-, Lebens- und Familienberaterin in einer katholischen Beratungsstelle. Die Leiterin der Ehe-, Familien- und Lebensberatung erhielt einen Beschwerdebrief von der Ehefrau eines ehemaligen Klienten der Klägerin. Kern der Beschwerde war der Vorwurf, die Klägerin habe eine Beziehung mit dem ehemaligen Klienten und Noch-Ehemann der Beschwerdeführerin begonnen und dadurch gegen u.a. die Grundsätze der katholischen Kirche verstoßen. Die Klägerin ist unstreitig mit dem ehemaligen Klienten in Urlaub gefahren und ihr Name war an seiner Wohnungstür angebracht.

Nach der Durchführung eines klärenden Gesprächs, in der die Leiterin der Rechtsabteilung auf die ethischen Grundsätze, die für Ehe-, Familien- und Lebensberater gelten, auf die Grundordnung des kirchlichen Dienstes und auf die damit verbundenen Loyalitätsobliegenheiten hinwies, wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin gekündigt.

In dem Prozess erklärte die Klägerin, es handele sich nicht um eine sexuelle Beziehung. Tatsächlich handele es sich lediglich um eine »freundschaftliche« Beziehung. Den Namen der Klägerin habe der ehemalige Klient ohne Wissen der Klägerin an dem Klingelschild zu seiner Wohnung angebracht, um seiner Ehefrau gegenüber seine Trennungsabsicht zu verdeutlichen. Die Klägerin habe immer ihre eigene Wohnung gehabt und sei lediglich vereinzelt zu Besuchszwecken in der Wohnung des ehemaligen Klienten gewesen.

Entscheidungsgründe:

Das zuständige Arbeitsgericht Paderborn hat der Kündigungsschutzklage u.a. mit folgender Begründung stattgegeben (ArbG Paderborn 07.02.2020 – 3 Ca 1346/19):

»Bei der Tätigkeit der Klägerin als Ehe-, Familien- und Lebensberaterin handelt es sich nicht um eine mit einer Gemeindereferentin vergleichbar verkündungsnahe Position. Doch auch als Ehe-, Familien- und Lebensberaterin hat die Klägerin bei Ausübung ihrer Tätigkeit die Grundsätze der katholischen Kirche zu beachten und im Rahmen ihrer beratenden Tätigkeit anzuwenden und umzusetzen. Insoweit hat die Klägerin die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anzuerkennen und auch zu beachten. Sie darf die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche nicht durch ihre persönliche Lebensführung oder durch ihr Verhalten gefährden. Entgegen der Auffassung des beklagten Erzbistums kommt die Kammer jedoch nicht zu dem Ergebnis, dass die Klägerin mit der Eingehung einer freundschaftlichen Beziehung zu einem Klienten nach Abschluss der Beratung gegen ihre Loyalitätsobliegenheit aus § 1 des Arbeitsvertrages in Verbindung mit der kirchlichen Grundordnung verstoßen hat. Zutreffend ist zwar, dass die Klägerin den Ratsuchenden dabei helfen soll, einen Weg aus der Krise zu finden und sich dabei auch am Leitbild der Kirche zu orientieren hat.

Allerdings steht bei der Tätigkeit der Klägerin die Hilfe für die ratsuchenden Klienten im Vordergrund und nicht eine verkündungsnahe Tätigkeit wie sie beispielsweise eine Gemeindereferentin ausübt. Dies gilt hier vor allem unter Berücksichtigung der vom ehemaligen Klienten in Anspruch genommenen Hilfe in Bezug auf eine allgemeine Lebenskrise und gerade nicht in Bezug auf eine Eheberatung. Sofern der ehemalige Klient die Hilfe der Klägerin in Anspruch genommen hätte, um eine Hilfestellung betreffend die Rettung seiner Ehe zu erhalten, mag sich die rechtliche Bewertung ggf. etwas anders darstellen, da die Klägerin bei Ausübung ihrer Tätigkeit gehalten ist, die kirchenrechtlichen Grundsätze des Beklagten in Bezug auf das hohe Schutzgut »Ehe« zu beachten und dementsprechend auch ihre beratende Tätigkeit demgemäß auszurichten.«

Hinweis:

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Mit dem Urteil EuGH 11.09.2018 – C 68/17 hat der EuGH neue Maßstäbe zur Vereinbarkeit des kirchlichen Selbststimmungsrechts mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz gesetzt. Siehe insofern hierzu den Beitrag »Allgemeine Gleichbehandlung - Religion«.

Rechtsprechung Allgemeine Gleichbehandlung – Religion:

Mit dem Urteil EuGH 11.09.2018 – C 68/17 hat der EuGH entschieden, dass ein kirchlicher Arbeitgeber bei der unterschiedlichen Behandlung von Mitarbeitern verschiedener Konfessionen bei der Anforderung eines loyalen und aufrichtigen Verhaltens im Sinne des Ethos des Arbeitgebers die Grundsätze zum Diskriminierungsverbot aus religiösen Gründen beachten muss.

2. Evangelische Kirche

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ist eine Vereinigung von 22 Landeskirchen mit z.T. eigenen Kirchengesetzen.

Die Grundordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland (http://www.ekd.de/ekd_kirchen/grundordnung.html) ist die Verfassung der Evangelischen Kirche in Deutschland und beinhaltet Regelungen zu den Aufgaben der Organisation sowie den Organen und Amtsstellen der Evangelischen Kirche.

Zur Regelung des Arbeitsrechts besteht das Arbeitsrechtsregelungsgesetz, das auf einer Richtlinie des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland beruht.

 Siehe auch 

Dritter Weg

Kirchenarbeitsrecht

Mitarbeitervertretung

Eder: Verpflichtung kirchlicher Rechtsträger auf die Grundordnung? Zeitschrift für Tarif-, Arbeits- und Sozialrecht des öffentlichen Dienstes – ZTR 2018, 191

Joussen: Reform der Grundordnung; Zeitschrift für die Mitarbeitervertretung – ZMV 2022, 192

Müller-Rörig: Bezugnahme auf Grundordnung nicht erforderlich; Zeitschrift für die Mitarbeitervertretung – ZMV 2022, 185