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Einsicht in Krankenunterlagen

 Normen 

§ 630g BGB

 Information 

Ärzte und Krankenhäuser sind zur Dokumentation der Behandlung und Aufbewahrung der Unterlagen verpflichtet. Nach dem Urteil BVerfG 09.01.2006 - 2 BvR 443/02 hat der Anspruch seine Grundlage in dem grundrechtlich gewährleisteten Selbstbestimmungsrecht des Patienten, das nur zurücktreten muss, wenn ihm andere gewichtige Belange entgegenstehen.

Das Recht des Patienten auf Einsichtnahme in die Originalpatientenakte ist als aus dem Behandlungsvertrag resultierende Nebenpflicht nunmehr in § 630g BGB geregelt. Danach ist dem Patienten auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Die Ablehnung der Einsichtnahme ist zu begründen.

Ziel dieser Einschränkung aus therapeutischen Gründen ist nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/10488) der Schutz des Patienten vor Informationen über seine Person, die ihm erheblich schaden könnten. Dies dürfte insbesondere für Fälle relevant sein, bei denen die uneingeschränkte Einsichtnahme in die Dokumentation mit der Gefahr einer erheblichen gesundheitlichen (Selbst-)Schädigung des Patienten verbunden sein kann. Ist der Gesundheitszustand des Patienten allerdings stabil und ist mit der Einsichtnahme in die Dokumentation keine erhebliche gesundheitliche Schädigung des Patienten zu befürchten, darf der Behandelnde die Einsichtnahme nicht verwehren.

Bestehen hingegen Zweifel daran, ob der gesundheitliche Zustand des Patienten die Einsichtnahme seiner Patientenakte zulässt, ohne dass eine erhebliche gesundheitliche Gefährdung des Patienten zu befürchten ist, so darf der Behandelnde die Einsichtnahme nicht per se verweigern. Erforderlich ist vielmehr eine Entscheidung im Einzelfall unter Abwägung sämtlicher für und gegen die Einsichtnahme sprechenden Umständen im Hinblick auf die Gesundheit des Patienten. Möglicherweise kommt eine durch den Behandelnden unterstützende oder auch begleitende Einsichtnahme in Betracht; auch könnte eine dritte Person dem Patienten vermittelnd für die Einsichtnahme zur Verfügung gestellt werden. Maßgebend sind die Umstände im Einzelfall.

Die Grenze des Einsichtrechts ist erreicht, soweit in die Aufzeichnungen Informationen über die Persönlichkeit dritter Personen eingeflossen sind, die ihrerseits schutzwürdig sind. Dies kann z.B. für den Fall eines minderjährigen Patienten gelten, der eine Behandlung unter Einbeziehung seiner sorgeberechtigten Eltern durchführt. Sind sensible Informationen über die Eltern des Patienten und über deren Persönlichkeit in die Dokumentation des Behandlungsgeschehens eingeflossen oder ist im Einzelfall eine erhebliche Gesundheitsgefährdung des Patienten im Falle der Kenntnis dieser Information zu befürchten, kann es sachgerecht sein, dem Patienten die Einsichtnahme partiell zu verweigern. Entscheidend sind insoweit wiederum die Umstände des Einzelfalls. Erforderlich ist eine Abwägung der berechtigten Interessen Dritter mit dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten.

Der Patient hat auch das Recht, Abschriften von der Patientenakte zu verlangen. Die Abschriften können sowohl von einer in Textform erstellten Dokumentation als auch von elektronischen Dokumenten und gegebenenfalls auch in Form maschinenlesbarer Datenkopien oder Dateien in elektronischer Form angefertigt werden. Mithin kann ein Behandelnder auch verpflichtet sein, dem Patienten die Kopie einer Videoaufnahme auszuhändigen. Dabei hat der Patient die Kosten für die Abschriften oder Kopien selbst zu tragen.

Im Fall des Todes des Patienten stehen die Einsichtrechte zur Wahrnehmung der vermögensrechtlichen Interessen gemäß § 630g Abs. 3 BGB seinen Erben zu. Gleiches gilt für die nächsten Angehörigen des Patienten, soweit sie immaterielle Interessen geltend machen. Die Rechte sind ausgeschlossen, soweit der Einsichtnahme der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille des Patienten entgegensteht.

 Siehe auch 

Ärztliche Behandlungsfehler

Behandlungsvertrag

Elektronische Gesundheitskarte

Gesetzliche Krankenversicherung

Medizinischer Dienst

Patientenrechte

Borgmann: Der BGH klärt nicht auf! Inkongruenzen in der Rechtsprechung zur ärztlichen Risikoaufklärung; Neue Juristische Wochenschrift 2010, 3190

Prütting/Wegen/Weinreich: BGB Kommentar; 10. Auflage 2015