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Eingruppierungsfeststellungsklage

 Normen 

§ 12 TVöD

§ 12 TV-L

 Information 

1. Allgemein

Die Eingruppierungsfeststellungsklage (Höhergruppierungsklage) ist eine arbeitsrechtliche Feststellungsklage zur Feststellung der Eingruppierung eines Angestellten.

Die Eingruppierung ist aufgrund der Tarifautomatik ein automatischer, rein rechtlicher Vorgang. Sie richtet sich nach den tariflichen Tätigkeitsmerkmalen und nach der auszuübenden Tätigkeit. Die Bezeichnung der Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag hat nur deklaratorische Bedeutung, d.h. sie ist grundsätzlich nicht rechtsverbindlich.

Das kann dazu führen, dass der Arbeitnehmer in der Praxis zu hoch oder zu niedrig eingruppiert ist. Bei einer zu hohen Eingruppierung hat der Arbeitgeber bei Vorliegen der Voraussetzungen die Möglichkeit der Rückgruppierung. Bei einer zu niedrigen Eingruppierung kann der Arbeitnehmer einen Höhergruppierungsantrag und - bei Ablehnung des Antrags - eine entsprechende Eingruppierungsfeststellungsklage stellen.

2. Feststellungsklage als richtige Klageart

"Der Feststellungsantrag ist nach § 256 Abs. 1 ZPO als allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage auch im Hinblick auf die Feststellung der Verzinsungspflicht zulässig" (st. Rsp., so u.a. BAG 10.06.2020 - 4 AZR 142/19; LAG Hamm 23.09.2020 - 3 Sa 433/20; BAG 23.09.2009 - 4 AZR 308/08 - Rn. 10 mwN; BAG 27.02.2019 - 4 AZR 562/17; BAG 14; 28. 02.2018 - 4 AZR 816/16 - Rn. 14; LAG Köln, 28.03.2019 - 8 Sa 584/18).

"Dem Eingruppierungsfeststellungsantrag steht für die Zeit bis zur mündlichen Verhandlung der Vorrang der Leistungsklage nicht entgegen. Die Feststellungsklage ist insgesamt zulässig, auch wenn Ansprüche sowohl für die Zukunft als auch für die Vergangenheit geltend gemacht werden. Eine Aufteilung nach fälligen und noch nicht fälligen Ansprüchen in einen Leistungs- und einen Feststellungsantrag ist nicht erforderlich" (LAG Düsseldorf 20.05.2020 - 12 Sa 721/19; BAG 20.01.2004 - 9 AZR 43/03).

3. Darlegungs- und Beweislast

Dem Arbeitnehmer obliegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass seine Tätigkeit die durch die Tätigkeitsmerkmale der jeweiligen Entgeltgruppe geforderten Anforderungen erfüllt.

Der Rechtsanwalt muss vor der Einreichung einer Eingruppierungsfeststellungsklage zur Prüfung der Begründetheit der Klage ein eigenes Stellenbewertungsgutachten durchführen.

Das Eingruppierungsgutachten sollte sich streng an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts halten.

Beispiel:

Das Tätigkeitsmerkmal der "selbstständigen Leistungen" wird oftmals mit einer selbstständigen Arbeitsweise verwechselt und daher von jedem Arbeitnehmer irrtümlich immer als erfüllt angesehen.

Der Schriftsatz sollte so ausgeführt werden, dass das Gericht folgende Eingruppierungsgrundlagen nachvollziehen kann bzw. selbst bilden kann:

Bei den Beweis-/Darlegungspflichten des Klägers ist bei aufeinander aufbauenden Vergütungsmerkmalen (Baukastensystem des Eingruppierungsrechts) zu erläutern,

  • zunächst warum die Merkmale der niedrigeren Entgeltgruppe erfüllt sind

    und

  • durch welche auszuübenden Tätigkeiten die Merkmale der jeweiligen gewünschten höheren Entgeltgruppe erfüllt sind, so z.B. warum sich die Tätigkeit "durch das Maß der Verantwortung heraushebt" oder warum eine Tätigkeit eine "besondere Schwierigkeit" bietet (vgl. z.B. BAG 05.11.1997 - 4 AZR 185/96).

Erfordert ein Tätigkeitsmerkmal eine bestimmte Ausbildung, z.B. einen Hochschulabschluss, so ist nicht nur darzulegen,

  • dass die Ausbildung der entsprechenden Art absolviert wurde, sondern auch

  • dass die laut Arbeitsvertrag übertragene und auszuübende Tätigkeit dieser Ausbildung erfordert (BAG 28.01.1998 - 4 AZR 164/96).

Bei der Darstellung der Tätigkeit ist zu beachten, dass diese nicht ausschließlich mit Schlagworten oder Pauschalbezeichnungen darzustellen ist. Die mit der Stelle verbundenen Anforderungen sind detailliert unter die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltordnung zu subsumieren.

Beispiel:

Beratung von Wohnungslosen.

Hierbei stellt sich die Frage, was macht der Angestellte genau, wie bzw. wodurch macht er es und mit welchem Ziel? Welche Fachkenntnisse werden dazu benötigt? Auf welchem Niveau wird beraten? Diese Fragen sollten nach dem Lesen des Schriftsatzes beantwortet sein.

Daneben ist die Tätigkeit von den Aufgaben und Befugnissen des Vorgesetzten und der Kollegen abzugrenzen.

Unerheblich sind die grundsätzliche Qualifikationen des Stelleninhabers, es sei denn, diese sind Voraussetzungen der Eingruppierung, d.h. Tätigkeitsmerkmal ist eine bestimmte Ausbildung (z.B. Arzt).

4. Gewährung einer niedrigeren Entgeltgruppe durch das Arbeitsgericht

Zur Frage, ob das Arbeitsgericht verpflichtet ist, dem Kläger eine niedrigere Entgeltgruppe als die beantragte Entgeltgruppe zuzusprechen (Beispiel: EG 9b statt der beantragten EG 11 TVöD-VKA), bestehen folgende Grundsätze:

"Die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs erfasst grundsätzlich auch einen Anspruch, der als ein "Weniger" in ihm enthalten ist (BAG 14.09.2016 - 4 AZR 456/14; BAG 24.02.2010 - 4 AZR 657/08). Aus § 308 Abs. 1 ZPO ergibt sich damit die Verpflichtung des Gerichts, bei Klagen, die sich auf eine bestimmte Eingruppierung stützen, auch ohne gesonderten Antrag zu prüfen, ob die Klage nicht insoweit teilweise begründet ist, als sie auf eine nicht ausdrücklich geltend gemachte - niedrigere - Entgeltgruppe gestützt werden kann. Das setzt jedoch voraus, dass es sich bei dem - möglicherweise - begründeten Teil der Klage um ein "Weniger" und nicht um etwas anderes, d.h. ein "Aliud", handelt (...). Im letzteren Fall bedarf es einer gesonderten prozessualen Geltendmachung durch mehrere Klageanträge (....). Ob es sich bei dem "geringeren" Anspruch um ein "Weniger" oder ein "Aliud" handelt, hängt von den konkreten Umständen und Ansprüchen sowie dem erkennbaren Begehren der klagenden Partei ab" (LAG Rheinland-Pfalz 08.06.2021 - 6 Sa 396/20).

5. Beteiligungsrecht des Personalrats / Betriebsrats

Bei der Entscheidung über die Höhergruppierung hat der Personalrat gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG ein Mitbestimmungsrecht (LAG Schleswig-Holstein 17.01.2007 - 6 TaBV 18/05). Wird die Zustimmung zu der Höhergruppierung zwar von der Behörde erteilt, aber von dem Personalrat innerhalb der 10-Tages-Frist abgelehnt, so ist das Mitwirkungsverfahren zu betreiben.

Arbeitsgerichtlich ist eine verweigerte Zustimmung des Betriebsrats im Rahmen eines Zustimmungsersetzungsverfahren einzuholen.

Das Beteiligungsrecht des Personalrats (vor oder nach der verweigerten Zustimmung) kann umgangen werden, in dem der Arbeitnehmer selbst gegen die Behörde im Rahmen einer Feststellungsklage auf Höhergruppierung klagt. Dann kann die Behörde bereits im Gütetermin mit dem Arbeitnehmer einen dahin gehenden Prozessvergleich schließen, dass die beantragte Höhergruppierung anerkannt wird. Die Behörde ist aufgrund der gerichtlichen Beteiligung verpflichtet, die Eingruppierung zu ändern; der Personalrat ist nicht zu beteiligen.

6. Ausschlussfristen

Für die Geltendmachung von Ansprüchen für die Vergangenheit sind die Ausschlussfristen des § 37 TVöD / § 37 TV-L bzw. ähnlicher Normen kirchlicher Arbeitsvertragsrichtlinien zu beachten, nach denen Ansprüche innerhalb von sechs Monaten schriftlich geltend zu machen sind.

7. Streitwert

Die in einem Eingruppierungsprozess entstehende Rechtsanwaltsvergütung richtet sich nach dem Gebührenstreitwert, dessen Höhe u.a. in dem Gerichtskostengesetz festgelegt ist. Bei einer Eingruppierungsklage berechnet sich die Höhe des Streitwertes nach dem Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrages zur beantragten höheren Vergütung (§ 42 Abs. 2 S. 2 GKG i.V.m. § 12 ArbGG). Dabei ist grundsätzlich der Bruttobetrag zugrunde zu legen.

Beispiel:

Die Differenz zwischen der derzeit vergüteten Entgeltgruppe des Arbeitnehmers und der begehrten Entgeltgruppe beträgt 195,00 EUR.

Der Streitwert der Eingruppierungsklage beträgt somit 7.020,00 EUR.

Werden in der Klage auch rückständige Vergütungen bzw. Vergütungsdifferenzen eingeklagt, so sind diese dem Streitwert gemäß § 42 Abs. 3 S. 1 GKG nicht hinzuzurechnen.

 Siehe auch 

Rückgruppierung

Stellenbeschreibung

Stellenbewertung

Tarifautomatik - öffentlicher Dienst

BAG 17.10.2007 - 4 AZR 1005/06 (Berechnung der Bewährungszeit + Beschäftigungszeiten)

BAG 18.02.1998 - 4 AZR 581/96 (Darlegungs- und Beweislast bei der Eingruppierungsfeststellungsklage)

BAG 21.10.1998 - 4 AZR 629/97 (Hinzuziehung eines Sachverständigen bei Rechtsfragen)

Brinkmann: Der Streitwert bei Eingruppierungsstreitigkeiten nach dem BAT - § 25 GKG; Zeitschrift für Tarif-, Arbeits- und Sozialrecht des öffentlichen Dienstes - ZTR 2003, 599

Parczyk\Vedders: Eingruppierung und Möglichkeiten der Korrektur. Tarifliche Entgeltsysteme; Arbeit und Arbeitsrecht - AuA 2016, 236

Richter/Gamisch: Eingruppierung im kirchlichen Dienst; Loseblattwerk

Richter/Gamisch: Am Anfang steht der "Arbeitsvorgang" - Systematisierung und aktuelle Rechtsprechung; Recht im Amt - RiA 2008, 145

Zimmerling: Zur Darlegungs- und Beweislast im BAT-Eingruppierungsprozess; Zeitschrift für Tarif-, Arbeits- und Sozialrecht des öffentlichen Dienstes - ZTR 2002, 354