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Ehewohnung

 Normen 

§ 1361b BGB

§ 1568a BGB

 Information 

1. Allgemein

Unter Ehewohnung ist jede Räumlichkeit zu verstehen, die während der Ehe beiden Ehegatten als Unterkunft gedient hat. Nach der Rechtsprechung des BGH hängt die Einstufung als Ehewohnung nicht davon ab, dass noch beide Ehegatten in der Wohnung leben, weshalb die Eigenschaft auch dann noch zu bejahen ist, wenn ein Ehegatte die Wohnung dem anderen - ggf. auch für einen längeren Zeitraum - überlassen hat bzw. diese nur noch sporadisch nutzt. Erst wenn der Ehegatte, der die Wohnung verlassen hat, diese endgültig aufgibt, verliert sie ihren Charakter als Ehewohnung. Maßgeblich ist insoweit, ob die Überlassung an den anderen Ehegatten noch den aktuellen Erfordernissen in der Trennungssituation geschuldet ist oder ob ihr schon eine endgültige Nutzungsüberlassung zugrunde liegt. Dies ist der Fall, wenn der weichende Ehegatte einen anderen Lebensmittelpunkt begründet hat (OLG Hamm 23.03.2015 - 4 UF 211/14).

Beide Ehegatten haben grundsätzlich gemeinsam Besitz an den Räumlichkeiten. Während einer bestehenden Ehe kann keiner den anderen von der Nutzung der Ehewohnung ausschließen, auch wenn sich die Wohnung / das Haus in seinem Alleineigentum befindet.

Etwas anderes gilt nur in den Fällen der häuslichen Gewalt (Schutz vor Gewalt in der Wohnung). In diesen Fällen kann gemäß § 1361b Abs. 2 BGB die gesamte Ehewohnung einem Ehegatten überlassen werden, wenn dieser von dem anderen Ehegatten widerrechtlich und vorsätzlich am Körper, in der Gesundheit oder der Freiheit verletzt wurde oder mit einer solchen Verletzung oder der Verletzung des Lebens gedroht wurde.

2. Ehewohnung bei Getrenntleben

2.1 Anspruch auf alleinige Nutzung allgemein

Leben die Ehegatten (innerhalb der Ehewohnung) getrennt oder möchte ein Ehegatte die Trennung, so kann ein Ehegatte bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1361b Absatz 1 BGB verlangen, dass ihm der andere die Ehewohnung oder einen Teil zur alleinigen Nutzung überlässt.

Voraussetzung ist, dass die Überlassung notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Der Begriff der unbilligen Härte ist gesetzlich nicht definiert und einzelfallbezogen auszufüllen. Das Gesetz hebt durch ausdrückliche Erwähnung zwei Tatbestände hervor, die eine unbillige Härte begründen können:

  • die Anwendung von Gewalt

    und

  • die Beeinträchtigung des Kindeswohls

Aber: Auch andere außergewöhnlich Umstände genügen, die unter Berücksichtigung der Interessen des anderen Ehegatten dessen Verbleiben in der Wohnung für den Ehegatten zu einer unerträglichen Belastung machen. Dagegen reichen bloße Unannehmlichkeiten, Streitigkeiten oder Belästigungen, wie sie oft in der Auflösungsphase einer Ehe auftreten, nicht aus. Dabei kann das Vorliegen einer unbilligen Härte nur anhand einer Abwägung der unterschiedlichen Interessen aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls festgestellt werden.

Der Begriff der unbilligen Härte erfordert nach der Rechtsprechung eine Situation, in der ein Getrenntleben der Ehepartner innerhalb der Wohnung unzumutbar ist, die Wohnungszuweisung ausnahmsweise, auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten, "dringend erforderlich" ist, um eine "unerträgliche Belastung" des die Zuteilung begehrenden Ehegatten abzuwenden.

Diese Voraussetzungen wurden u.a. angenommen, wenn der eine Ehegatte "in grob rücksichtsloser Weise" durch erhebliche Belästigungen das Wohnen für den anderen Ehegatten "nahezu unerträglich" macht oder die Umstände für einen Ehegatten, und sei es nur subjektiv, so belastend sind, dass ihm die Fortsetzung der häuslichen Gemeinschaft wegen des grob rücksichtslosen Verhaltens des anderen Ehegatten bei objektiver Beurteilung nicht (mehr) zumutbar ist. Anders ausgedrückt setzt die Wohnungszuweisung voraus, dass ohne die Trennung die Grundlage der häuslichen Gemeinschaft durch die Konfliktsituation zerstört würde. Dementsprechend reichen bloße Unannehmlichkeiten und selbst Belästigungen, wie sie oft in der Auflösungsphase einer Ehe auftreten, nicht aus, um eine Wohnungszuweisung zu begründen. Die Spannungen müssen vielmehr über den in der Trennungssituation typischen Umfang hinausgehen (OLG Hamm 23.03.2015 - 4 UF 211/14).

Das Alleineigentum des Antragstellers ist im Rahmen der Gesamtabwägung zwar besonders zu berücksichtigen, führt aber nicht zwingend zum Ausschluss der Mitnutzung des anderen Ehegatten während des Getrenntlebens. Auch bei Zuweisung der Ehewohnung während des Getrenntlebens ist dem Gesichtspunkt Rechnung zu tragen, dass vor Ablauf des Trennungsjahres regelmäßig keine Verhältnisse geschaffen oder gefördert werden sollen, die verbleibenden Chancen auf eine Versöhnung der Ehegatten mehr als notwendig im Wege stehen (OLG Karlsruhe 10.07.2015 - 18 UF 76/15).

Bei Vorliegen der Voraussetzungen erfolgt eine Wohnungszuweisung durch das Familiengericht.

Die Ehewohnung behält diese Eigenschaft während der gesamten Trennungszeit. Daher ist während der Trennungszeit der auf § 985 BGB gestützte Antrag eines Ehegatten gegen den anderen auf Herausgabe der Ehewohnung unzulässig (BGH 28.09.2016 -XII ZB 487/15).

Es besteht gemäß § 1361b Abs. 4 BGB die unwiderlegbare Vermutung, dass der aus der Ehewohnung ausgezogene Ehegatte dem in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten das alleinige Nutzungsrecht überlassen hat, wenn er innerhalb von sechs Monaten nach seinem Auszug gegenüber dem anderen Ehegatten keine ernstliche Rückkehrabsicht bekundet hat.

2.2 Anspruch auf alleinige Nutzung bei der Verletzung von Rechtsgütern durch den Partner

Bei der vorsätzllichen Verletzung eines Ehegatten an dem Körper, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung im Rahmen des Getrenntlebens der Eheleute kann auf Antrag gemäß § 1361b BGB eine Wohnungszuweisung erfolgen.

2.3 Nutzungsvergütung

Gemäß § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB kann der Ehegatte, der dem anderen die Ehewohnung während des Getrenntlebens ganz oder zum Teil überlassen hat, von dem nutzungsberechtigten Ehegatten eine Vergütung für die Nutzung verlangen, soweit dies der Billigkeit entspricht (familienrechtliche Nutzungsvergütung). Dabei knüpft die Vergütungsregelung nur an die faktische Überlassung der Wohnung an, ohne dass es darauf ankommt, ob der weichende Ehegatte die Ehewohnung freiwillig verlässt oder er verpflichtet ist, sie dem anderen zur alleinigen Benutzung zu überlassen.

In die Regelungen sind Fälle von Eigentum, Erbbaurecht, Nießbrauch, Wohnungseigentum, Dauerwohnrecht und dinglichem Wohnrecht grundsätzlich unabhängig davon einbezogen, ob sie beiden Ehegatten gemeinsam oder nur einem von ihnen allein oder gemeinsam mit einem Dritten zustehen. Ob eine Nutzungsvergütung zu entrichten ist, hängt daher grundsätzlich nicht von der Art des Rechts ab, auf dem die gemeinsame eheliche Nutzung der Wohnung beruht. Das entspricht dem Regelungszweck der Norm, die den wirtschaftlichen Nachteil des weichenden Ehegatten nach Billigkeit kompensieren und einen Ausgleich dafür schaffen will, dass aus dem zuvor gemeinsam genutzten Recht nur noch der Verbliebene allein die Nutzungen zieht (BGH 18.12.2013 - XII ZB 268/13).

Voraussetzung für die Geltendmachung einer Nutzungsentschädigung ist eine vorherige eindeutige Zahlungsaufforderung, denn der in der Ehewohnung verbliebene Ehepartner muss sich darüber klar werden (binnen angemessener Überlegungsfrist), ob er künftig für die Nutzung ein Entgelt entrichten oder alsbald ausziehen will. Aber der Anspruch auf Nutzungsvergütung kann der Billigkeit widersprechen, wenn dem verbleibenden Ehepartner die Alleinnutzung aufgedrängt wird und er wirtschaftlich zur Übernahme von Gegenleistungen nicht in der Lage ist (OLG Jena 08.12.2011 - 1 UF 396/11).

Wenn die Ehewohnung im Alleineigentum der Schwiegereltern des ausgezogenen Ehegatten steht:

"Wird die Ehewohnung von den Schwiegereltern mietfrei zur Verfügung gestellt, so kann das aus der Ehewohnung ausgezogene Schwiegerkind von dem in der Wohnung verbleibendem Ehegatten keine Nutzungsentschädigung verlangen" (OLG Karlsruhe 10.01.2019 - 20 UF 141/18).

Höhe:

"Die Höhe der nach § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB festzusetzenden Nutzungsvergütung bemisst sich nach Billigkeitsgesichtspunkten unter Berücksichtigung der gesamten Lebensverhältnisse der Ehegatten. Neben dem objektiven Mietwert haben folgende Einzelfallaspekte Einfluss auf die Anspruchshöhe" (OLG Zweibrücken 06.07.2021 - 2 UF 61/21):

  • Lauf des Trennungsjahres

  • Betreuung und Versorgung eines gemeinsamen minderjährigen Kindes ohne Regelung des Kindesunterhaltes

  • Zusammenleben mit einem gemeinsamen volljährigen Kind

  • Beitrag des bleibenden Ehegatten am Hausbau (auf fremdem Grundstück)

  • Geschäftliche Verflechtungen der Eheleute (hier: bewusste Geringhaltung des Einkommens, um die Vollstreckung durch Altgläubiger zu vermeiden)"

2.4 Berücksichtigung des Wohnvorteils bei dem Trennungsunterhalt

Hat der in der Wohnung verbleibende Ehepartner einen Unterhaltsanspruch, so wird der Wohnvorteil bzw. werden die Zins- und Tilgungsleistungen für das Immobiliendarlehen bei der Trennungsunterhaltsberechnung berücksichtigt. 

2.5 Ausgleich für Mietzahlung bei gemeinsamen Wohnen

Nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Ehegatte und Mieter, der nach Trennung der Eheleute die volle Miete für die Ehewohnung an den Vermieter gezahlt hat, von seinem Ehegatten und Mitmieter Erstattung des hälftigen Betrages verlangen. Für eine hiervon abweichende Beteiligungsverpflichtung an der Mietzahlung und somit eine anderweitige Bestimmung ist derjenige darlegungs- und beweispflichtig, der sich darauf beruft. Eine derartige anderweitige Bestimmung kann nicht allein daraus hergeleitet werden, dass der wegen der Hälfte der Miete in Anspruch genommene Ehegatte während des verfahrensgegenständlichen Mietzeitraums an den anderen Ehegatten sowohl Trennungs- als auch Kindesunterhalt gezahlt hat, wenn bei der Unterhaltsberechnung weder die Mietzahlungen durch den Unterhaltsempfänger noch sein Ausgleichsanspruch berücksichtigt worden sind (OLG Bremen 17.02.2016 - 4 WF 184/15).

2.6 Aussperrung

Unter welchen Voraussetzungen ein Ehegatte, der von dem anderen ausgesperrt wurde, die Wiedereinräumung des Besitzes an der Ehewohnung zum Zwecke des Getrenntlebens innerhalb der Wohnung verlangen kann (§ 1361b oder § 861 BGB), war umstritten. Die Rechtsprechung hat diese Frage wie folgt gelöst (OLG Frankfurt am Main 11.03.2019 - 4 UF 188/18):

"Werden einem Ehegatten Besitz- und Nutzungsrechte an der Ehewohnung durch verbotene Eigenmacht des anderen (Aussperrung) entzogen, ergibt sich sein Anspruch auf Wiedereinräumung aus § 1361b BGB analog, nicht aus § 861 BGB".

3. Ehewohnung anlässlich der Scheidung

Siehe den Beitrag "Ehewohnung - Scheidung".

 Siehe auch 

EU-Gewaltschutzverfahren

Mietvertrag

Nichteheliche Lebensgemeinschaft - Mietvertrag

Scheidung - Gemeinsame Schulden

Scheidung - Miteigentum

Schutz vor Gewalt in der Wohnung

Unbenannte Zuwendungen

Wohnungszuweisung

Zuwendungen von Schwiegereltern

BGH 09.04.2014 - XII ZB 721/12 (Berücksichtigung eines Wohnvorteils im Zusammenhang mit einem nachehelichen Aufstockungsunterhalt / Berücksichtigung eines Wohnvorteils bei Einsatz des Erlöses aus dem früheren Miteigentumsanteil durch den gewichenen Ehegatten für den Erwerb einer neuen Wohnung)

BGH 04.08.2010 - XII ZR 14/09 (Nutzungsentschädigung bei dinglich gesicherten Mitbenutzungsrecht)

BGH 03.03.2004 - VIII ZR 124/03 (Durchsetzung der Mieterhöhung nach Auszug eines Ehegatten)

BGH 22.04.1998 - XII ZR 161/96

BGH 08.05.1996 - XII ZR 254/94

BGH 11.12.1985 - IVb ZR 83/84 (Nutzungsentgelt für die alleinige Bewohnung der Ehewohnung nach der Trennung)

OLG Jena 25.02.2008 - 11 SA 1/08 (Zuständigkeit des Familiengerichts für den Anspruch auf Nutzungsvergütung)

OLG Koblenz - 08.03.2000 - 3 U 1295/99 (Nutzungsentschädigung bei Wohnrecht des anderen Ehegatten)

Born: Der Wohnvorteil im Unterhaltsrecht - ein fast unbemerkter Paradigmenwechsel; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2022, 2497

Erbarth: Die Ansprüche auf Überlassung der Ehewohnung zur Alleinnutzung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2019, 1169

Gabrielli: Die Zuweisung der Ehewohnung in Italien; Zeitschrift für das gesamte Familienrecht - FamRZ 2009, 1546

Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein: Handbuch des Fachanwalts Familienrecht 12. Auflage 2021

Götz\Brudermüller: Nutzungs- und Rechtsverhältnisse an Ehewohnung und Haushaltsgegenständen, Verfahren nach dem GewSchG - Rechtsprechungsübersicht seit Ende 2011; Zeitschrift für das gesamte Familienrecht - FamRZ 2015, 177

Götz/Brudermüller: Schnittstellen zwischen Familien- und Mietrecht in § 1568a BGB; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2010, 5

Jüdt/Kleffmann/Weinreich: Formularbuch des Fachanwalts Familienrecht; 6. Auflage 2021

Neumann: Ehewohnung und Haushaltsgegenstände - das neue Verfahrensrecht; Familien-Rechts-Berater - FamRB 2009, 351

Weber: Die Entwicklung des Familienrechts seit Mitte 2020; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2021, 3091