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Betriebsübergang - Tarifverträge

 Normen 

§ 613a Abs. 1 S. 2 - 4 BGB

 Information 

Wenn in einem von einem Betriebsübergang betroffenen Betrieb die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer in einem Tarifvertrag geregelt waren, gilt gemäß § 613a Abs. 1 S. 2 - 4 BGB Folgendes:

Der Tarifvertrag gilt zunächst auch für den neuen Betriebsinhaber: Das bis zum Betriebsübergang bestehende Recht gilt weiter. Die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden.

Von diesem Grundsatz bestehen zwei Ausnahmen:

  1. 1.

    § 613a Abs. 1 S. 3 BGB: Die Weitergeltung des bestehenden Tarifvertrags gilt nicht, wenn die vormals durch einen normativ geltenden Tarifvertrag bestimmten Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags mit demselben Regelungsgegenstand, an den der Betriebserwerber und der Arbeitnehmer gebunden sind, geregelt werden (BAG 09.04.2008 - 4 AZR 164/07). Dies wird als "kongruente Tarifgebundenheit" bezeichnet.

    Das BAG hat auch definiert, wie "derselbe Regelungsgegenstand" zu bestimmen ist:

    "Derselbe Regelungsgegenstand ist dann betroffen, wenn der Tarifvertrag beim Erwerber eine Regelung dazu enthält oder wenn diesem Tarifvertrag zu entnehmen ist, dass er die im Arbeitsverhältnis fortwirkenden Tarifregelungen insgesamt ablösen sollte. Ergibt sich aus dem Wortlaut oder Zusammenhang des "anderen Tarifvertrags" mit hinreichender Deutlichkeit, dass ein bestimmter Regelungsbereich abschließend erfasst werden sollte, dann ist von einer anderweitigen Regelung und damit einer Ablösung der Normen des bisherigen Tarifvertrags auch dann auszugehen, wenn die im beim Veräußerer geltenden Tarifvertrag geregelten Sachbereiche nicht ausdrücklich oder im Detail anders geregelt werden (BAG 03.07.2013 - 4 AZR 138/12).

    Dabei kann die Ablösung auch zu schlechteren Arbeitsbedingungen führen (BAG 23.01.2019 - 4 AZR 445/17):

    "Die Ablösung erfolgt grundsätzlich unabhängig davon, ob sich für die übergegangenen Arbeitsverhältnisse die Arbeitsbedingungen verbessern oder verschlechtern. Aus der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache "Scattolon" (EuGH 06.09.2011 - C 108/10) folgt kein allgemeines Verschlechterungsverbot."

  2. 2.

    § 613a Abs. 1 S. 4 BGB: Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.

Hinweis:

Die § 613a Abs. 1 S. 2 - 4 BGB sind nicht anwendbar im kirchlichen Arbeitsrecht, da es sich bei den kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen / Kollektivvereinbarungen nicht um Tarifverträge handelt (BAG 20.03.2002 - 4 AZR 101/01).

 Siehe auch 

Betrieb

Betriebsänderung

Betriebsbedingte Kündigung

Betriebsübergang - Voraussetzungen

Outsourcing

Tarifvertragliche Bezugnahmeklausel

Unternehmenskauf

Bachner: Fortgeltung von Gesamt- und Einzelbetriebsvereinbarungen nach Betriebsübergang; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2003, 2861

Bepler: Tarifverträge im Betriebsübergang; Recht der Arbeit - RdA 2009, 65

Niklas/Mückl: Auswirkungen eines Betriebsübergangs auf betriebsverfassungsrechtliche Ansprüche; Der Betrieb - DB 2008, 2250

Willemsen/Grau: Zurück in die Zukunft - Das europäische Aus für dynamische Bezugnahmen nach Betriebsübergang?; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2014, 12