Rechtswörterbuch

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Benutzungsverhältnis

 Normen 

Gemeindeordnungen der Länder

Kommunalabgabengesetze der einzelnen Bundesländer

§ 70 GewO

 Information 

1. Allgemein

Ein Benutzungsverhältnis entsteht, wenn der Bürger staatliche Einrichtungen oder Leistungen in Anspruch nimmt.

Die Benutzung öffentlicher Einrichtungen kann entweder öffentlichrechtlich (z.B. durch Verwaltungsakt, öffentlich-rechtlichen Vertrag oder privatrechtlich (z.B. durch Abschluss eines zivilrechtlichen Vertrages) ausgestaltet sein (Abgrenzung Öffentliches Recht - Privatrecht).

Dabei ist zwischen dem Anspruch auf Zugang zu der öffentlichen Einrichtung, dem "Ob" der Benutzung, und der Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses, dem "Wie" der Benutzung, zu unterscheiden. Während der Anspruch auf Zulassung oder Zugang zu der öffentlichen Einrichtung einer Kommune grundsätzlich nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften der Gemeindeordnung zu bestimmen ist, kann das Benutzungsverhältnis sowohl öffentlich-rechtlich als auch privatrechtlich ausgestaltet sein.

Die Kommune hat eine Formenwahlfreiheit hinsichtlich der Regelung der Benutzungsverhältnisse ihrer öffentlichen Einrichtungen. Sie ermöglicht eine privatrechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses - und damit z.B. auch eine privatrechtliche Entgeltregelung - immer dann, wenn diese nicht durch kommunalrechtliche Vorschriften ausdrücklich ausgeschlossen ist.

Dementsprechend ist es in der Rechtsprechung weitgehend anerkannt, dass die Regelung des Benutzungsverhältnisses, insbesondere die des Entgelts für die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung, grundsätzlich auch dann privatrechtlich erfolgen kann, wenn für die Einrichtung ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht. Die öffentlich-rechtliche Regelung des Zugangs zu einer öffentlichen Einrichtung kann von der Ausgestaltung der Benutzung getrennt betrachtet werden, sodass eine einschränkende Vorgabe für die Gestaltung durch die Kommune nicht erforderlich ist (BVerwG 06.04.2005 - 8 CN 1/04).

2. Benutzungsanspruch

Rechtliche Grundlage des Benutzungsverhältnisses ist die Benutzungsordnung, bei deren Inhalt vom Träger der Verwaltung der Vorbehalt und der Vorrang des Gesetzes zu beachten ist. So ergibt sich z.B. aus § 8 Abs. 2 GO NRW, dass alle Einwohner einer Gemeinde im Rahmen des geltenden Rechts berechtigt sind, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen (Benutzungsanspruch):

"Stellt eine Kommune eine solche Einrichtung im Rahmen der durch ihre bisherige Vergabepraxis geformten konkludenten Widmung für die Durchführung von Veranstaltungen politischer Parteien zur Verfügung, entsteht dadurch ein Gleichbehandlungsanspruch aus § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 und 3 Satz 1 sowie Art. 21 GG. Das Recht auf Chancengleichheit einer Partei ist danach verletzt, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt die Nutzung einer öffentlichen Einrichtung einer Partei verweigert, obwohl er sie anderen Parteien einräumt oder eingeräumt hat. Vgl. BVerfG 26.08.2016 - 2 BvQ 46/16. (...) Die Entscheidungsfreiheit der Kommune, in welchem Umfang sie Zugang zu ihrer Einrichtung gewährt, ist ausgehend davon begrenzt. Die jeweilige Vergabepraxis und -entscheidung muss durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein" (OVG Nordrhein-Westfalen 09.09.2021 - 15 B 1468/21).

Sachliche Gründe können sein: ein erwarteter Verstoß gegen geltendes Recht (z.B. Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit), eine nur begrenzte Kapazität der Einrichtungen und der Widmungszweck, der nicht willkürlich beschränkt werden darf. Alles dies können Zugangsbeschränkungen sein. Ähnlich wie § 8 Abs. 2 GO NRW bestimmt § 70 Abs. 1 GewO, dass jedermann, der dem Teilnehmerkreis der festgesetzten Veranstaltung angehört, nach Maßgabe der für alle Veranstaltungsteilnehmer geltenden Bestimmungen zur Teilnahme an der Veranstaltung berechtigt ist. Im Gegensatz zur Regelung in § 8 GO NRW ist jedoch nach den Absätzen 2 und 3 der Vorschrift für den Veranstalter unter bestimmten Voraussetzungen ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt worden, die Vergabe der Standplätze auf bestimmte Teilnehmergruppen zu beschränken bzw. einzelne Aussteller, Anbieter oder Besucher von der Teilnahme auszuschließen.

Hinweis:

Der Anspruch auf Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung wandelt sich, wenn die Einrichtung nicht alle interessierten Teilnehmer fassen kann (z.B. begrenzte Kapazität eines öffentlichen Platzes, der für die Veranstaltung einer Kirmes genutzt werden soll), in einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Auswahl der Bewerber um. Ermessensfehlerfrei ist die Entscheidung über die Auswahl nur dann, wenn eine den Gleichheitssatz des Art. 3 GG beachtende sachgerechte Entscheidung über die Teilnahme nach bestimmten anerkannten Auswahlkriterien stattgefunden hat (die zu dem Grundsatz der Marktfreiheit gemachten Ausführungen zu den Auswahlkriterien und dessen Anwendung gelten entsprechend).

3. Benutzungsgebühr

Die Höhe der Gebühren und Beiträge, die für die Benutzung oder Leistung verlangt werden, dürfen nicht unverhältnismäßig sein.

Gemäß den kommunalen Abgabengesetzen der einzelnen Bundesländer dürfen die geforderten Gebühren die voraussichtlichen Kosten der Einrichtung nicht übersteigen.

 Siehe auch 

Allgemeinverfügung

Anstalt des öffentlichen Rechts

Abgrenzung Öffentliches Recht - Privatrecht

Öffentliche Einrichtung

Öffentliche Sache

Vorrang des Gesetzes

Vorbehalt des Gesetzes

Widmung

Lange: Kommunale öffentliche Einrichtungen im Licht der neuen Rechtsprechung; Deutsches Verwaltungsblatt - DVBl 2014, 753

Wachsmuth: Das Benutzungsverhältnis in der Abwasserbeseitigung. Anmerkungen zur Privatisierung; Thüringer Verwaltungsblätter - ThürVBl. 2010, 53

Wüstenberg: Der öffentlich-rechtliche Benutzungsanspruch von Taxiunternehmen; Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - NZV 2014, 551