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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 17.09.2009, Az.: BVerwG 4 BN 29.09
Verletzung des rechtlichen Gehörs aufgrund einer Überraschungsentscheidung wegen fehlenden ausdrücklichen Hinweises auf entscheidungsrelevante Informationsdatenbank; Kenntnismöglichkeit von Ratsmitgliedern hinsichtlich eines Protokolls der Sitzung des Planungsausschusses und Umweltausschusses bei Bestehen einer entsprechenden Informationsdatenbank
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 17.09.2009
Referenz: JurionRS 2009, 22344
Aktenzeichen: BVerwG 4 BN 29.09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VGH Bayern - 03.04.2009 - AZ: VGH 15 N 08.1521

BVerwG, 17.09.2009 - BVerwG 4 BN 29.09

In der Normenkontrollsache
...
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. September 2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. April 2009 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

1.

Die Antragsteller machen als Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe eine Überraschungsentscheidung getroffen. Diese Rüge greift nicht durch.

3

Die Antragsteller sind der Auffassung, die angegriffene Veränderungssperre sei nicht wirksam zustande gekommen, da zu der Sitzung des Stadtrats der Antragsgegnerin vom 17. April 2008 nicht ordnungsgemäß geladen worden sei. Sie tragen vor, nach dem Ablauf der mündlichen Verhandlung stellten folgende Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs in seinem Urteil eine überraschende Begründung dar, mit der sie nicht hätten rechnen müssen:

"Es kommt nicht darauf an, dass das Protokoll der Ausschusssitzung vom 8. April 2008 der Tagesordnung für die Sitzung vom 17. April 2008 nicht in Kopie mit übersandt wurde, sondern reicht aus, dass infolge des Hinweises ausreichende Informationsmöglichkeiten bestanden haben. Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass für alle Mitglieder des Stadtrats eine Informationsdatenbank mit den vollständigen Protokollinhalten zur Verfügung stand" (UA Rn. 14).

4

Während der mündlichen Verhandlung sei zwar die Frage der Kenntnismöglichkeit der Stadtratsmitglieder hinsichtlich des Protokolls der Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses vom 8. April 2008 erörtert worden. In diesem Zusammenhang habe der Verwaltungsgerichtshof jedoch die Rechtsauffassung erkennen lassen, das Bestehen einer entsprechenden Datenbank werde hierfür wohl kaum ausreichen. Deswegen hätten die Antragsteller hierzu nicht weiter Stellung genommen. Es stelle eine Überraschungsentscheidung dar, wenn der Verwaltungsgerichtshof nun maßgeblich auf diese Informationsdatenbank abstelle. Wäre die Bedeutung dieser Informationsdatenbank für sie erkennbar geworden, hätten sie der Frage weiter nachgehen können, ob die Niederschrift über die Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses vom 8. April 2008 vor der Sitzung des Stadtrats am 17. April 2008 überhaupt in dieser Datenbank zur Verfügung gestanden habe.

5

Es kann dahingestellt bleiben, ob mit diesem Vortrag schlüssig dargelegt wird, dass der Verwaltungsgerichtshof die Antragsteller in seiner mündlichen Verhandlung auf die Bedeutung der Informationsdatenbank ausdrücklich hätte hinweisen müssen und ob er in seinem Urteil mit der Erwähnung dieser Datenbank dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der die Antragsteller nicht zu rechnen brauchten. Denn die Antragsteller haben jedenfalls nicht dargelegt, dass die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs auf einer derartigen - unterstellten - überraschenden Wendung beruhen kann.

6

Wie bereits dargelegt, war für den Verwaltungsgerichtshof maßgeblich, dass "ausreichende Informationsmöglichkeiten" bestanden. In seinem Nichtabhilfebeschluss vom 1. Juli 2009 hat er ausgeführt, die unter Rn. 14 des Urteils genannte Möglichkeit der Information über eine "Informationsdatenbank" sei nicht entscheidungserheblich. Entscheidend für die vom Senat bejahte Ordnungsgemäßheit der Ladung sei allein gewesen, dass aufgrund des Hinweises in der Ladung zur Stadtratssitzung auf die Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses vom 8. April 2008 die Möglichkeit bestanden habe, sich über die wesentlichen Punkte dieser Sitzung des Ausschusses betreffend den fraglichen Bebauungsplan, darunter insbesondere die vom Landratsamt ins Gespräch gebrachte Veränderungssperre, zu informieren. Die Frage, wie Mitglieder des Stadtrats sich zu informieren haben, ob über eine Einsicht in eine Niederschrift, ob über einen Entwurf zur Niederschrift, ob durch eine Anfrage bei der Stadtverwaltung (die zur Veränderungssperre in der Ausschusssitzung berichtet hatte), ob durch eine Einsicht in die (in der Niederschrift der Ausschusssitzung referierte) Verwaltungsvorlage zur Ausschusssitzung oder eine Einsicht in die (ebenfalls in das Verfahren eingeführte) am 14. April 2008 in die Fraktionsfächer eingelegte "ergänzende Verwaltungsvorlage zu TOP 6 der Ladung" sei für den Senat ohne Belang gewesen. Dass sich keine einzige dieser Möglichkeiten würde realisieren lassen, habe der Senat bei realistischer Betrachtung der Umstände für ausgeschlossen gehalten. Dass sich die im Urteil (nur beispielhaft) erwähnte Möglichkeit der Einsicht in die Datenbank möglicherweise tatsächlich noch nicht habe realisieren lassen, weil die Niederschrift noch nicht (und auch nicht als einsehbarer Entwurf oder Konzept) vorgelegen haben sollte, sei für die Entscheidung des Senats unerheblich.

7

Mit dieser Klarstellung wird lediglich der im angefochtenen Urteil als maßgeblich zugrunde gelegte Begriff "ausreichende Informationsmöglichkeiten" präzisiert. Die Erläuterung, dass die Informationsdatenbank nur als ein Beispiel angeführt worden ist, stellt sich auch nicht als unzulässiger "Austausch" der Begründung dar. Entscheidend war nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs allein die gesicherte Möglichkeit, sich aufgrund des Hinweises in der Ladung zu informieren. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erkennen, dass der Verwaltungsgerichtshof zu einem für die Antragsteller günstigeren Ergebnis gelangt wäre, wenn die Einzelheiten der Informationsdatenbank und ihres Inhalts in der mündlichen Verhandlung eingehender erörtert worden wären. Denn diese Informationsdatenbank stellte für den Verwaltungsgerichtshof nur eine von mehreren Möglichkeiten dar, wie sich die Mitglieder des Stadtrats der Antragsgegnerin in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die Sitzung des Stadtrats vorbereiten konnten. Die Antragsteller, denen Gelegenheit zur Stellungnahme zum Nichtabhilfebeschluss des Verwaltungsgerichtshofs gegeben worden ist, haben im Anschluss daran nichts dafür vorgetragen, wonach es auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs auf die von ihm im Urteil angesprochene Informationsdatenbank und deren Inhalt überhaupt entscheidend ankam.

8

2.

Auch die Rüge, es liege eine fehlerhafte Sachverhalts- und Beweiswürdigung vor, die Beweiswürdigung des Gerichts sei aktenwidrig und denklogisch nicht möglich, bleibt ohne Erfolg. Die Beschwerde führt hierzu aus, das Protokoll der Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses vom 8. April 2008 trage das Datum vom 23. April 2008 und könne daher nicht geeignet gewesen sein, zum Zeitpunkt der maßgeblichen Stadtratssitzung vom 17. April 2008 vorgelegen zu haben.

9

Mit diesem Vortrag wird weder eine aktenwidrige Feststellung des Sachverhalts noch eine denklogisch nicht mögliche Schlussfolgerung dargelegt. Denn es liegt nicht völlig fern und ist daher zumindest möglich, dass bereits zu einem früheren Zeitpunkt als dem 23. April 2008 eine - noch nicht genehmigte - Entwurfsfassung der Niederschrift vorlag, die geeignet war, um sich auf die Stadtratssitzung vom 17. April 2008 vorzubereiten. Es fehlt somit an der Eindeutigkeit, die für die Annahme einer Aktenwidrigkeit oder einer denklogischen Unmöglichkeit vorausgesetzt werden muss.

10

Davon abgesehen kam es dem Verwaltungsgerichtshof, wie oben ausgeführt worden ist, entscheidend auf die Möglichkeit der Mitglieder des Stadtrats an, sich über den Inhalt der Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses zu unterrichten und sich damit auf die Sitzung des Stadtrats vorzubereiten. In welcher Weise sich die Mitglieder des Stadtrats im Einzelnen informieren würden, war für seine Entscheidung nicht ausschlaggebend; daher ist die Frage, wann das Protokoll über die Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses vorgelegen hat, nicht entscheidungserheblich.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Prof. Dr. Rubel
Dr. Jannasch
Dr. Bumke

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