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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 08.07.2016, Az.: BVerwG 2 B 125.15
Ernennung eines Lehrers im Angestelltenverhältnis in Teilzeitbeschäftigung bei einem Umfang von zwei Dritteln der regelmäßigen Arbeitszeit
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 08.07.2016
Referenz: JurionRS 2016, 26413
Aktenzeichen: BVerwG 2 B 125.15
ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2016:080716B2B125.15.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Berlin-Brandenburg - 29.09.2015 - AZ: 4 B 17.12

Rechtsgrundlage:

Art. 33 Abs. 5 GG

BVerwG, 08.07.2016 - BVerwG 2 B 125.15

Redaktioneller Leitsatz:

Wurde eine Beamtin rechtswidrig "in Teilzeit" ernannt, muss keine besoldungs- und versorgungsrechtliche Gleichstellung mit Vollzeitbeamten erfolgen. Denn die Teilzeitanordnung war nicht nichtig, weil sie nicht an einem besonders schwerwiegenden Fehler litt.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Juli 2016
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dr. Günther
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. September 2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 26 455,68 € festgesetzt.

Gründe

1

Die zulässige, auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde der Klägerin ist unbegründet.

2

1. Die Klägerin war seit 1991 zunächst als Lehrerin im Angestelltenverhältnis im Schuldienst des Beklagten tätig. 1999 wurde sie zur Beamtin auf Probe und im Jahr 2001 zur Beamtin auf Lebenszeit ernannt. Nach dem Wortlaut der Ernennungsurkunden erfolgten die Ernennungen jeweils "in Teilzeitbeschäftigung bei einem Umfang von zwei Dritteln der regelmäßigen Arbeitszeit". Zum Schuljahr 2008/2009 überführte der Beklagte das Beamtenverhältnis der Klägerin in eines in Vollzeitbeschäftigung.

3

Die von der Klägerin im Mai 2008 beantragte besoldungs- und versorgungsrechtliche Gleichstellung mit Vollzeitbeamten wurde im November 2008 abgelehnt. Widerspruch, Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben.

4

Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

5

Die Klage sei unbegründet. Den geltend gemachten Ansprüchen der Klägerin stehe die in Bestandskraft erwachsene Teilzeitanordnung entgegen. Die Teilzeitanordnung sei zwar wegen eines Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 5 GG und in Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage rechtswidrig gewesen. Zum maßgeblichen Zeitpunkt ihres Erlasses sei sie jedoch nicht nichtig gewesen.

6

Es liege zunächst kein besonders schwerwiegender Fehler im Sinne von § 44 Abs. 1 VwVfG BB vor. Dieser ergebe sich nicht daraus, dass eine Ermächtigungsgrundlage für die unfreiwillige antragslose Teilzeitbeschäftigung gefehlt habe. Nur Fälle "absoluter Gesetzlosigkeit" führten bei dem Fehlen einer gesetzlichen Grundlage zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts. Dies sei aber nur der Fall, wenn das Verhalten einer Behörde jeder gesetzlichen Grundlage entbehre und damit als willkürlich einzustufen sei. Teilzeitanordnungen seien hingegen unter bestimmten Voraussetzungen zulässiges Verwaltungshandeln. Die erforderliche besondere Schwere sei nicht gegeben, weil nicht erkennbar sei, dass der Beklagte wider besseren Wissens oder mit dem Ziel der Rechtsverletzung und somit willkürlich gehandelt habe. Auch der Umstand des Verstoßes gegen das Grundgesetz begründe aus sich heraus nicht die besondere Schwere.

7

Die zu beurteilenden Fehler seien bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Teilzeitanordnung auch nicht offensichtlich gewesen. Das ergebe sich schon daraus, dass eine Vielzahl betroffener Beamter darauf verzichtet habe, gegen die Teilzeitanordnung vorzugehen. Dem stehe auch nicht der Einwand entgegen, die Beamten hätten um die Wirksamkeit ihrer Ernennung zu Beamten gefürchtet, weil eine solche Auffassung in der brandenburgischen Rechtsprechung erst viel später, nämlich im Jahr 2006, vertreten worden sei. An der Offensichtlichkeit mangele es auch deswegen, weil sich die Rechtswidrigkeit der Teilzeitanordnungen auch den damit befassten Verwaltungsgerichten nicht erschlossen habe. Klarheit bestehe insoweit erst seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2010 - 2 C 86.08 - (BVerwGE 137, 138). Auch das Bundesverfassungsgericht habe erst mit Beschluss vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - (BVerfGE 119, 247) die Verfassungswidrigkeit einer entsprechenden niedersächsischen Regelung festgestellt. Entsprechende Regelungen habe es zudem in zahlreichen Ländern gegeben; in der Literatur sei die Rechtmäßigkeit solcher Regelungen kontrovers diskutiert worden. Ältere Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juli 1989 etwa - 2 C 52.87 - (BVerwGE 82, 196) seien nicht zu berücksichtigen, weil es dort um die fehlerhafte Anwendung der jeweiligen Rechtsgrundlage gegangen sei, nicht aber deren Verfassungsmäßigkeit im Mittelpunkt gestanden habe.

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2. Die Beschwerde zeigt keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf.

9

a) Der zunächst aufgeworfenen Frage,

"ob § 44 Abs. 1 VwVfG BB dahingehend auszulegen ist, ob ein besonders schwerwiegender Fehler bei Erlass einer Teilzeitanordnung bereits dann für die Behörde offensichtlich ist, wenn das Bundesverwaltungsgericht die Verfassungsgemäßheit einer landesgesetzlichen Regelung in einem anderen Bundesland über die unfreiwillige Teilzeitanordnung bereits verneint hat",

kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu.

10

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 - 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4 und vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9). Entscheidungserheblich sind solche Rechtsfragen, die für die Entscheidung des Berufungsgerichts tragend gewesen sind und die im Rahmen des Revisionsverfahrens vom Bundesverwaltungsgericht zu beantworten wären.

11

Ist aber, wie hier, eine Berufungsentscheidung selbstständig tragend auf mehrere Gründe gestützt, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn gegenüber jeder der Begründungen ein durchgreifender Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom 15. Juni 1990 - 1 B 92.90 - Buchholz 11 Art. 116 GG Nr. 20 S. 11 f. und vom 2. März 2016 - 2 B 66.15 - Rn. 6 <zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung Buchholz vorgesehen>).

12

Dies zugrunde gelegt kommt es auf die Beantwortung der zunächst von der Beschwerde für rechtsgrundsätzlich gehaltenen Frage nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht an. Die Bejahung der Frage könnte allenfalls dazu beitragen, den auch vom Berufungsgericht angenommenen Rechtsverstoß als offensichtlich im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG BB anzusehen. Das Berufungsgericht hat darüber hinaus aber auch die besondere Schwere des Rechtsverstoßes im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG BB verneint, was nach seiner Rechtsauffassung allein tragend zur Anspruchsverneinung führt. Insoweit ist aber kein Zulassungsgrund dargelegt:

13

b) Die weiter aufgeworfene Frage,

"ob § 44 Abs. 1 VwVfG BB dahingehend auszulegen ist, dass ein besonders schwerer Fehler im Sinne dieser Norm bereits zwingend vorliegt, wenn eine gesetzlose und unfreiwillige Teilzeitanordnung gegen die in Art. 33 Abs. 5 GG zu beachtenden Grundsätze der Hauptberuflichkeit und der amtsangemessenen Alimentation des Berufsbeamtentums verstößt",

hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung.

14

Die Grundsätze, nach denen ein Fehler eines Verwaltungsakts als "besonders schwerwiegend" i.S.v. § 44 Abs. 1 VwVfG BB anzusehen ist, sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt und sind auch vom Berufungsgericht herangezogen worden.

15

Danach setzt die Annahme der Nichtigkeit nach § 44 Abs. 1 VwVfG BB voraus, dass der Verstoß der Verwaltung schlechthin unerträglich für die Rechtsordnung ist. Der Verstoß muss mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar sein. Die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen müssen in einem so hohen Maße verletzt sein, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (z.B. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1997 - 8 C 1.96 - Buchholz 401.0 § 125 AO Nr. 1 S. 3 f. m.w.N.).

16

Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass der Begriff eines "besonders schwerwiegenden Fehlers" i.S.v. § 44 Abs. 1 VwVfG BB aus den von ihr angeführten Gründen eine weitere rechtsgrundsätzliche Klärung erfahren könnte. Der Sache nach geht es der Beschwerde lediglich um die Frage, ob unter den besonderen Umständen des Streitfalls entgegen der Annahme des Berufungsgerichts im Hinblick auf die Verstöße gegen die aus Art. 33 Abs. 5 GG abgeleiteten Grundsätze der Hauptberuflichkeit sowie der amtsangemessenen Alimentation die Voraussetzungen für die Annahme eines besonders schwerwiegenden Fehlers gegeben sind.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes folgt aus § 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 3 GKG.

Domgörgen

Dr. Hartung

Dr. Günther

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