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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 07.05.2014, Az.: BVerwG 2 B 75.12
Ermäßigung der wöchentlichen Arbeitszeit einer schwerbehinderten Lehrerin
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 07.05.2014
Referenz: JurionRS 2014, 15690
Aktenzeichen: BVerwG 2 B 75.12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Bremen - 16.05.2012 - AZ: OVG 2 A 303/11

BVerwG, 07.05.2014 - BVerwG 2 B 75.12

Redaktioneller Leitsatz:

Ein schwerbehinderter Lehrer, der seinen Erholungsurlaub nicht frei wählen kann, ihn vielmehr durch unterrichtsfreie Zeit (Schulferien) zugebilligt erhält, kann nicht aufgrund bundesrechtlicher Regelungen beanspruchen, dass anstatt des Zusatzurlaubs wegen seiner Schwerbehinderung seine wöchentliche Arbeitszeit auch dann reduziert wird, wenn er als Fachleiter nicht im vollen Umfang als Lehrkraft eingesetzt wird.

Eine Beschränkung der Ermäßigung der Unterrichtsverpflichtung wegen Schwerbehinderung auf solche Lehrer und Lehrerinnen, die ausschließlich durch Unterrichtstätigkeit beschäftigt sind, sodass Fachleiter nicht erfasst werden, verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Mai 2014
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und
Dr. Hartung
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 16. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

2

Die 1969 geborene Klägerin ist beamtete Lehrerin und als Fachleiterin im Landesinstitut für Schule tätig. Sie ist mit einem Grad der Behinderung von 90 schwerbehindert und erstrebt im Hinblick hierauf die Ermäßigung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit. Das Oberverwaltungsgericht hat ihre erstinstanzlich erfolgreiche Klage abgewiesen und im Wesentlichen auf Folgendes abgestellt:

3

Die Klägerin komme nicht in den Genuss der für schwerbehinderte Lehrer vorgesehenen Ermäßigung der Unterrichtszeit, weil Fachleiter nicht ausschließlich unterrichtend tätig seien. Zwar seien bei Fachleitern die zu leistenden Arbeitseinheiten ebenso wie bei Lehrern die Unterrichtsverpflichtung nur ein Teil der Arbeitszeit, nämlich der allein messbare Teil. Allerdings sei die normativ geregelte Ermäßigung aus Altersgründen ausdrücklich auf ausschließlich unterrichtende Lehrer beschränkt. Für schwerbehinderte Lehrer gelte dies entsprechend. Für Ältere wie für Schwerbehinderte sei eine Ermäßigung der Unterrichtsverpflichtung, nicht aber eine Kürzung der Arbeitszeit vorgesehen. Auch bei Schwerbehinderten liege der Ermäßigung der Unterrichtsverpflichtung die Vorstellung des Normgebers zugrunde, dass die Erteilung von Unterricht diejenige Aufgabe aus dem Pflichtenkreis der Lehrer sei, deren Erfüllung für Menschen mit Behinderung Kräfte zehrender sei und mehr Zeit in Anspruch nehme als für Menschen ohne Behinderung. § 125 SGB IX komme als Anspruchsgrundlage ebenfalls nicht in Betracht, weil der danach schwerbehinderten Menschen zustehende zusätzliche Urlaub von fünf Arbeitstagen ebenso wie der Erholungsurlaub bei Lehrern durch die Schulferien abgegolten werde.

4

Die mit der Beschwerde aufgeworfene Frage,

"ob Bundesrecht schwerbehinderten Beamten, die ihren Erholungsurlaub nicht frei wählen können, vielmehr ihn durch die unterrichtsfreie Zeit (Schul- bzw. Semesterferien) zugebilligt erhalten, gleichwohl wegen ihrer Schwerbehinderung statt eines Zusatzurlaubes einen Ausgleich in anderer Form (hier: durch Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit) beanspruchen können",

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

5

Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 -BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 22 und vom 2. Februar 2011 - BVerwG 6 B 37.10 - NVwZ 2011, 507 Rn. 2). Eine Klärung durch eine revisionsgerichtliche Entscheidung ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts nicht erforderlich, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lässt (Beschluss vom 24. August 1999 - BVerwG 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 < 270> = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 228 S. 14). So verhält es sich hier.

6

Es bedarf keines Revisionsverfahrens, um zu klären, dass eine schwerbehinderte Lehrerin, die ihren Erholungsurlaub nicht frei wählen kann, vielmehr ihn durch unterrichtsfreie Zeit (Schulferien) zugebilligt erhält, aufgrund bundesrechtlicher Regelungen nicht beanspruchen kann, dass anstatt des Zusatzurlaubs wegen ihrer Schwerbehinderung ihre wöchentliche Arbeitszeit auch dann reduziert wird, wenn sie als Fachleiterin nicht im vollem Umfang als Lehrkraft eingesetzt wird.

7

Die Ausgestaltung des Urlaubsanspruchs von anderen schwerbehinderten Beamten als Lehrern (wie z.B. Hochschullehrer), deren Jahresurlaub ebenfalls durch unterrichtsfreie Zeit (z.B. durch Semesterferien) abgegolten wird, könnte im angestrebten Revisionsverfahren nicht grundsätzlich geklärt werden, weil die Klägerin als Fachleiterin eingesetzt ist. Insoweit ist die oben wiedergegebene Fragestellung der Beschwerde zu weit gefasst. Da im Revisionsverfahren nach § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO Klageänderungen unzulässig sind, könnte im Revisionsverfahren auch allein über den vor dem Oberverwaltungsgericht geltend gemachten Anspruch entschieden werden, dass die Arbeitszeit der Klägerin im selben Umfang wie bei Lehrern reduziert wird, die im vollem Umfang unterrichtend tätig sind.

8

§ 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX scheidet als Grundlage für eine Reduzierung der Pflichtstundenzahl der Klägerin aus.

9

Nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen im Jahr. Zwar gilt § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX auch für Beamte (vgl. § 73 Abs. 1, § 128 Abs. 1 SGB IX; Urteil vom 31. Januar 2013 - BVerwG 2 C 10.12 - ZBR 2013, 200 Rn. 8; BAG, Urteil vom 24. Oktober 2006 - 9 AZR 669/05 - BAGE 120, 50 Rn. 18; Schlembach, in: Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, Stand: März 2013, § 125 Rn. 3; Lampe, in: GK-SGB IX, § 125 Rn. 6; Ritz/Welsch, in: Cramer/Fuchs/ Hirsch/Ritz, SGB IX, 6. Aufl. 2011 § 125 Rn. 7; Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 12. Aufl. 2010, § 125 Rn. 5, § 128 Rn. 2 und 9). Allerdings gewährt diese Norm nach ihrem eindeutigen Wortlaut und nach ihrem Sinn und Zweck als Rechtsfolge nicht die von der Klägerin erstrebte Reduzierung ihrer Wochenarbeitszeit. § 125 SGB IX hat keine Reduzierung der (Wochen-)Arbeitszeit, sondern eine Erhöhung des Urlaubsanspruchs zum Inhalt.

10

§ 14 Satz 1 der Bremischen Urlaubsverordnung (vom 27. Juni 1979, BremGBl S. 337, in der Fassung vom 13. Dezember 2011, BremGBl 2012, S. 24) bestimmt in nicht zu beanstandender Weise, dass für Lehrer an öffentlichen Schulen im Sinne des Bremischen Schulgesetzes der Erholungsurlaub durch die Schulferien abgegolten wird. Dass nicht etwa die Schulferien insgesamt den einem Lehrer - bereits ohne Schwerbehinderung - zustehenden Erholungsurlaub bilden, folgt schon aus ihrer Dauer und ist in § 14 Satz 2 und 3 der Bremischen Urlaubsverordnung ausdrücklich klargestellt (Beschluss vom 19. Juni 1985 - BVerwG 2 B 3.84 - Buchholz 237.6 § 99 LBG ND Nr. 2 S. 1 = ZBR 1986, 340). Als dienstrechtliche Regelung für Lehrer gilt § 14 Satz 1 der Bremischen Urlaubsverordnung gemäß § 16 Abs. 4 des Bremischen Schulverwaltungsgesetzes (vom 28. Juni 2005, BremGBl S. 280, in der Fassung vom 13. Dezember 2011, BremGBl 2012, S. 24) für Fachleiter des Landesinstituts für Schule entsprechend.

11

Der Zusatzurlaub nach § 125 SGB IX ist grundsätzlich wie der Erholungsurlaub dazu bestimmt, das Erholungsbedürfnis des Schwerbehinderten zu befriedigen und die durch die Behinderung gefährdete Arbeitskraft zu erhalten. Dem Zusatzurlaub liegt die Vorstellung zugrunde, dass der aufgrund seiner Behinderung im Erwerbsleben benachteiligte Beschäftigte eine längere Unterbrechung seiner Arbeitszeit benötigt als ein nicht behinderter Beschäftigter. Die erhöhte Urlaubsdauer soll seine Benachteiligung ausgleichen und damit seine Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu den nicht behinderten Beschäftigten sichern (BAG, Urteil vom 10. Februar 1956 - 1 AZR 76/54 - BAGE 2, 317 <319> und vom 24. Oktober 2006 a.a.O. Rn. 19). Der Dienstherr darf aber auch bestimmen, dass dieser Schwerbehindertenzusatzurlaub ebenfalls durch die Schulferien abgegolten wird (BAG, Urteil vom 13. Februar 1996 - 9 AZR 79/95 - BAGE 82, 161, <163 f.>). § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX legt Grund und Dauer des Zusatzurlaubs fest, nicht aber dessen zeitliche Lage (Beschluss vom 19. Juni 1985 a.a.O.).

12

Durch § 14 Satz 1 der Bremischen Urlaubsverordnung wird der Schwerbehinderte gegenüber den nicht behinderten Lehrern und Lehrerinnen nicht benachteiligt. Diese erhalten ebenfalls wie er ihren Urlaub nur in den Schulferien. Das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG wird dadurch nicht berührt (BAG, Urteil vom 13. Februar 1996 a.a.O.).

13

Art. 3 Abs. 1 GG führt zu keinem anderen Ergebnis. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, wesentlichen Unterschieden hingegen normativ Rechnung zu tragen. Er stellt es dem Normgeber aber frei, aufgrund autonomer Wertungen Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Betrifft die zu prüfende Maßnahme oder Regelung ein Gebiet, in dem der Normgeber über ein weites Ermessen verfügt, so ist ein Gleichheitsverstoß nur dann anzunehmen, wenn sich im Hinblick auf die Eigenart des geregelten Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung schlechthin nicht finden lässt, die Regelung also willkürlich erscheint (stRspr, vgl. nur Urteil vom 24. November 2011 - BVerwG 2 C 57.09 - BVerwGE 141, 210 Rn. 31 m.w.N.).

14

Es ist nicht willkürlich, wenn der Normgeber bei Lehrern und ihnen arbeitszeitrechtlich gleichgestellten Personen den Behindertenzusatzurlaub nach § 125 SGB IX als mit dem Erholungsurlaub abgegolten ansieht, ohne zum Ausgleich eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit vorzusehen. Der Erholungsurlaub bei dieser Personengruppe ist deutlich länger als bei anderen Beschäftigten, mag er auch teilweise mit Unterrichtsvor- und -nachbereitung und anderen schulbegleitenden Maßnahmen ausgefüllt sein. An diesen Unterschied darf der Normgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums anknüpfen.

15

Es verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Beklagte die Ermäßigung der Unterrichtsverpflichtung wegen Schwerbehinderung auf solche Lehrer und Lehrerinnen beschränkt hat, die ausschließlich durch Unterrichtstätigkeit beschäftigt sind, sodass Fachleiter nicht erfasst werden.

16

Zwar bleibt damit die Tatsache der Schwerbehinderung bei Fachleitern letztlich ohne Berücksichtigung: Ihnen kommt weder die Unterrichtsermäßigung für Lehrer - weil sie nicht ausschließlich unterrichten - noch der Schwerbehindertenzusatzurlaub - weil sie arbeitszeit- und urlaubsrechtlich wie Lehrer behandelt werden - zugute. Aber auch dies liegt innerhalb des Gestaltungsspielraums des Normgebers. Fachleiter unterrichten nur eingeschränkt; nach § 2 der Verordnung über die Arbeitszeit der Fachleiterinnen und Fachleiter vom 31. März 2011 (BremGBl S. 211) erteilen Fachleiter Unterricht an öffentlichen Schulen, soweit sie nicht für andere Aufgaben eingesetzt sind, wobei die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit für Unterricht an öffentlichen Schulen nicht überschritten werden soll. Ihre dennoch normativ angeordnete Einbeziehung in die Ferienregelung für Lehrer ist eine nicht zwingend gebotene Besserstellung gegenüber anderen Beschäftigten. Wenn bei Fachleitern angesichts der nur untergeordneten Unterrichtsverpflichtung und der Länge der Schulferien der Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 SGB IX als mit dem Erholungsurlaub abgegolten gilt, ist dies nicht willkürlich, auch wenn sie damit im Ergebnis nicht besser stehen als nicht schwerbehinderte Lehrer und Fachleiter.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 52 Abs. 1 und 2, § 47 GKG.

Domgörgen

Dr. von der Weiden

Dr. Hartung

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