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Bundesgerichtshof
Urt. v. 07.05.2015, Az.: IX ZR 186/14
Nichtbestehen der Pflicht eines Steuerberaters zum Hinweis auf einen möglichen Regressanspruch gegen einen früheren Steuerberater und auf die drohende Verjährung
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 07.05.2015
Referenz: JurionRS 2015, 18323
Aktenzeichen: IX ZR 186/14
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OLG Schleswig - 18.07.2014 - AZ: 17 U 21/14

Fundstellen:

AMK 2015, 13

AO-StB 2015, 262-263

BFH/NV 2015, 1326

BRAK-Mitt 2015, 229

DB 2015, 1595-1596

DB 2015, 8

DStR 2015, 2094

DStRE 2016, 61-63

EBE/BGH 2015, 235-236

EWiR 2015, 575

GWR 2015, 351

HFR 2015, 981-983

JZ 2015, 460

MDR 2015, 827-828

NJ 2015, 4

NJW 2015, 2326-2327

NWB-BB 2016, 134

NZG 2015, 1407-1408

PFB 2015, 209

StBW 2015, 551

SteuK 2015, 431

StX 2015, 479

VersR 2015, 1526

wistra 2015, 399-401

WM 2015, 2067-2068

ZAP EN-Nr. 558/2015

ZAP 2015, 707

ZIP 2015, 2378-2379

BGH, 07.05.2015 - IX ZR 186/14

Amtlicher Leitsatz:

Ein Steuerberater, der mit der Vertretung im Verfahren über einen Einspruch gegen einen Steuerbescheid beauftragt ist, ist nicht verpflichtet, seinen Mandanten auf einen möglichen Regressanspruch gegen einen früheren Steuerberater und auf die drohende Verjährung eines solchen Anspruchs hinzuweisen.

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Mai 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des SchleswigHolsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 18. Juli 2014 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein Arzt, war Teilhaber einer auf seinem Grundstück betriebenen ärztlichen Gemeinschaftspraxis. Die Betriebsmittel der Gemeinschaftspraxis standen im Alleineigentum des Klägers. Im Dezember 1996 veräußerte er 10 v.H. und im Dezember 1997 weitere 40 v.H. der Betriebsmittel an den neben ihm in der Gemeinschaftspraxis tätigen Arzt. Das Grundstück blieb als Sonderbetriebsvermögen im Alleineigentum des Klägers. Sein damaliger Steuerberater erreichte zunächst, dass der in den Jahren 1997 und 1998 vereinnahmte Erlös vom Finanzamt als steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn nach § 34 EStG behandelt wurde. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung änderte das Finanzamt seinen Standpunkt, weil mit den Praxisanteilen kein Anteil am Grundstück als der wesentlichen Betriebsgrundlage übertragen worden sei. Mit Änderungsbescheiden vom 1. März 2002 für die Jahre 1997 und 1998 wurde der Veräußerungserlös als nicht steuerbegünstigter laufender Gewinn festgestellt. Im Auftrag des Klägers legte die Beklagte, die bereits im Jahr 1999 die Erstellung der Buchhaltung, der Jahresabschlüsse und Steuererklärungen sowie die damit verbundene steuerliche und wirtschaftliche Beratung des Klägers übernommen hatte, gegen die Bescheide Einspruch ein. Im November 2008 teilte das Finanzamt mit, dass es seine bisherige Rechtsauffassung aufrechterhalte. Daraufhin nahm der Kläger seine Einsprüche zurück und erbrachte die vom Finanzamt geforderte Steuernachzahlung in Höhe von 223.328,50 €. Der frühere Steuerberater, vom Kläger auf Erstattung dieses Betrags in Anspruch genommen, berief sich auf Verjährung.

2

Der Kläger verlangt nunmehr von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 223.328,50 € mit der Begründung, die Beklagte habe ihn pflichtwidrig nicht in unverjährter Zeit auf Regressansprüche gegen den früheren Steuerberater hingewiesen. Die Klage hat in den beiden Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

4

Das Berufungsgericht hat gemeint, die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger darauf hinzuweisen, dass er gegen seinen vormaligen Steuerberater einen Regressanspruch haben könnte. Einen ausdrücklichen Auftrag, mögliche Schadensersatzansprüche gegen den früheren Steuerberater zu prüfen, habe der Kläger nicht erteilt. Der Auftrag zur Einlegung eines Einspruchs gegen die belastenden Steuerbescheide habe die Prüfung von Regressansprüchen nicht umfasst, weil die Frage eines Regressanspruchs gegen den früheren Steuerberater nicht in unmittelbarer Beziehung zu dem erteilten Mandat gestanden habe; das eine sei eine zivilrechtliche, das andere eine steuerrechtliche Frage. Es habe sich bei der von dem Vorberater gewählten rechtlichen Konstruktion auch nicht um eine auf den ersten Blick ersichtliche steuerliche Fehlentscheidung gehandelt, weil für die Beklagte nicht erkennbar gewesen sei, ob eine Gestaltung, bei der die in Rede stehende Steuerpflicht des Klägers vermieden worden wäre, überhaupt hätte realisiert werden können. Soweit der Bundesgerichtshof entschieden habe, dass der Mandant auf die drohende Verjährung von Ansprüchen gegen den vorberatenden Steuerberater hinzuweisen sei, auch wenn das eigene Mandat nur die Vertretung in einem Finanzrechtsstreit umfasse, betreffe dies die Pflichten eines Rechtsanwalts. Auf einen Steuerberater könne diese Rechtsprechung nicht übertragen werden.

II.

5

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Mit Recht hat das Berufungsgericht eine Pflicht der Beklagten, den Kläger vor Ablauf der Verjährungsfrist auf einen möglichen Regressanspruch gegen seinen früheren Steuerberater und auf die insoweit maßgebliche Verjährungsfrist hinzuweisen, verneint.

6

1. Welche Aufgaben der Steuerberater zu erfüllen hat, richtet sich nach Inhalt und Umfang des erteilten Mandats (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 14 mwN). Das allgemeine Mandat der Beklagten erstreckte sich auf die Erstellung der Buchhaltung, der Jahresabschlüsse und der Steuererklärungen. Darüber hinausgehende Leistungen bedurften eines besonderen Auftrags. Einen solchen besonderen Auftrag hat der Kläger der Beklagten erteilt, als er sie mandatierte, gegen die Feststellungsbescheide vom 1. März 2002 Einspruch einzulegen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts beauftragte der Kläger die Beklagte hingegen nicht ausdrücklich mit der Prüfung von Regressansprüchen gegen seinen steuerlichen Vorberater. Dies wird von der Revision nicht angegriffen.

7

2. Eine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger auf einen Regressanspruch gegen seinen Vorberater hinzuweisen, ergibt sich auch nicht aus den allgemeinen vertraglichen Pflichten eines Steuerberaters. Dieser ist verpflichtet, sich mit den steuerrechtlichen Punkten zu befassen, die zur pflichtgemäßen Erledigung des ihm erteilten Auftrags zu beachten sind. In den durch seinen Auftrag gezogenen Grenzen hat er den Auftraggeber auch ungefragt über die bei der Bearbeitung auftauchenden steuerrechtlichen Fragen zu belehren. Zu den vertraglichen Nebenpflichten des Steuerberaters gehört es, den Mandanten vor Schaden zu bewahren und auf Fehlentscheidungen, die für ihn offen zutage liegen, hinzuweisen (BGH, Urteil vom 7. März 2013, aaO mwN).

8

a) Zu den danach bestehenden vertraglichen Pflichten eines Steuerberaters gehört es - anders als bei einem Rechtsanwalt - grundsätzlich nicht, den Mandanten auf mögliche Schadensersatzansprüche gegen seinen Vorgänger hinzuweisen (BGH, Urteil vom 7. Mai 1991 - IX ZR 188/90, WM 1991, 1303; vom 11. Mai 1995 - IX ZR 140/94, BGHZ 129, 386, 393 f; vom 14. November 2013 - IX ZR 215/12, WM 2014, 854 [BGH 14.11.2013 - IX ZR 215/12] Rn. 26; OLG Hamm, GI 1995, 53; LG Köln, DStRE 2009, 1351, 1352 [LG Köln 12.03.2009 - 2 O 254/08]). Die Vertragspflichten eines Steuerberaters beschränken sich in der Regel auf das Steuerrecht (§§ 1-3, 33 StBerG); eine geschäftsmäßige Besorgung anderer Rechtsangelegenheiten einschließlich der Rechtsberatung ist ihm nach dem hier noch anwendbaren Art. 1 §§ 1, 4 Abs. 3 RBerG grundsätzlich untersagt (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2009 - IX ZR 43/08, WM 2009, 1376 Rn. 11). Auf die steuerrechtliche Seite früherer Entscheidungen bezieht sich auch die in der Rechtsprechung anerkannte Nebenpflicht des Steuerberaters, seinen Mandanten auf offen zu Tage liegende Fehlentscheidungen hinzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 1995 - IX ZR 10/94, BGHZ 128, 358, 362; vom 7. März 2013, aaO Rn. 14 mwN). Eine Pflicht des Steuerberaters, den Mandanten auf zivilrechtliche Regressmöglichkeiten hinzuweisen, kann daraus nicht abgeleitet werden.

9

b) Der Umstand, dass die Beklagte im Streitfall beauftragt war, den Kläger im Einspruchsverfahren gegen die geänderten Feststellungsbescheide vom 1. März 2002 zu vertreten, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

10

aa) Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 29. April 1993 (IX ZR 101/92, WM 1993, 1508) entschieden, dass ein Rechtsanwalt, dessen Mandat nicht auf eine umfassende Beratung gerichtet, sondern auf die Vertretung in einem Finanzrechtsstreit beschränkt ist, gleichwohl verpflichtet ist, seinen Auftraggeber auf die drohende Verjährung von Ansprüchen gegen den Steuerberater hinzuweisen, wenn für ihn ersichtlich ist, dass bei einem Verlust des Prozesses Ansprüche gegen diesen in Betracht kommen und der Auftraggeber insoweit nicht anderweitig beraten wird (vgl. auch BGH, Urteil vom 13. Juli 1971 - VI ZR 140/70, VersR 1971, 1119; vom 18. März 1993 - IX ZR 120/92, WM 1993, 1376). Die Entscheidung stellt klar, dass die auch sonst bestehende Pflicht des Rechtsanwalts, auf eine Regressmöglichkeit hinzuweisen, durch die Beschränkung des Mandats auf eine Prozessführung keine Einschränkung erfährt.

11

bb) Für die Pflichten eines Steuerberaters, dessen Mandat auf die Vertretung in einem Steuerverwaltungs- oder finanzgerichtlichen Verfahren gerichtet ist, kann daraus schon deshalb nichts abgeleitet werden, weil ein Steuerberater - anders als ein Rechtsanwalt - auch bei einem umfassenden Mandat grundsätzlich nicht zu Hinweisen auf zivilrechtliche Regressmöglichkeiten verpflichtet ist. Auch die Besonderheiten eines Mandats zur Vertretung in einem Verwaltungs- oder gerichtlichen Verfahren rechtfertigen in dieser Hinsicht keine Gleichstellung der Pflichten eines Steuerberaters mit denjenigen eines Rechtsanwalts (aA Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 5. Aufl., Rn. 411). Steuerberater sind berechtigt, geschäftsmäßig ihre Mandanten in Steuerverwaltungsverfahren und Finanzgerichtsstreitigkeiten zu vertreten (§ 33 Satz 1 StBerG, § 80 Abs. 1 AO, § 62 Abs. 2 FGO). Dadurch soll auf dem Gebiet des Steuerrechts eine sachgemäße, die Interessen des Rechtssuchenden wahrende Vertretung gewährleistet werden. Ein entsprechendes Mandat begründet jedoch nicht die gleichen Pflichten wie ein Auftrag, der einem Rechtsanwalt erteilt wird. Unterschiede bestehen insbesondere bei den Nebenpflichten des Mandats. Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, die Interessen seines Mandanten in den Grenzen des erteilten Mandats nach jeder Richtung wahrzunehmen. Auch wenn sein Auftrag auf die Prozessführung beschränkt ist, darf er die Prozessführung nicht isoliert von den übrigen Interessen des Auftraggebers sehen. Vielmehr hat er die mit dem Rechtsstreit unmittelbar zusammenhängenden rechtlichen und wirtschaftlichen Belange seiner Partei mit zu berücksichtigen und darauf zu achten, dass ihr nicht insoweit durch ein Versäumnis während des Prozesses Nachteile entstehen (BGH, Urteil vom 29. April 1993, aaO S. 1509). Ein mit der Vertretung beauftragter Steuerberater hat die steuerlichen Interessen seines Mandanten im Rahmen des Mandats ebenfalls umfassend wahrzunehmen. Darüber hinaus gehende rechtliche Interessen seines Mandanten wie mögliche zivilrechtliche Regressansprüche, die bei einem ungünstigen Ausgang des Einspruchs- oder Klageverfahrens gegen Dritte bestehen können, liegen jedoch außerhalb seines Auftrags. Die für die Beurteilung eines solchen Regressanspruchs und insbesondere seiner Verjährung erforderlichen besonderen Rechtskenntnisse kann ein Mandant von einem Steuerberater regelmäßig nicht erwarten. Die Entscheidung des Mandanten, mit seiner Vertretung einen Steuerberater und nicht einen Rechtsanwalt zu beauftragen, wird regelmäßig auf dem Bestreben beruhen, sich die besonderen steuerrechtlichen Fachkenntnisse des Steuerberaters zunutze zu machen. Auf eine umfassende zivilrechtliche Beratung kann er in diesem Fall nicht vertrauen. Dementsprechend muss ein Steuerberater den Auftrag des Mandanten zu seiner Vertretung in einem Steuerverfahren oder in einem Prozess vor dem Finanzgericht nicht dahin verstehen, dass auch die Wahrung von Ansprüchen gegen Dritte geschuldet sein soll.

12

c) Der Kläger kann sich schließlich nicht darauf berufen, dass die Beklagte eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist, die neben Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern auch Rechtsanwälte beschäftigt. Maßgeblich ist, dass das vom Kläger erteilte Mandat auf eine Hilfeleistung in Steuersachen gerichtet war und nicht allgemein auf die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einschließlich der Rechtsberatung. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass die übertragenen Aufgaben seitens der Beklagten nicht von Steuerberatern, sondern von Rechtsanwälten wahrgenommen worden seien.

Kayser

Gehrlein

Pape

Grupp

Möhring

Von Rechts wegen

Verkündet am: 7. Mai 2015

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