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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 07.02.2011, Az.: VI ZR 269/09
Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Berufungsgericht bei Nichtbeachtung eines Beweisantrags bezüglich der Notwendigkeit und Durchführung einer perioperativen Antibiotikaprophylaxe
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 07.02.2011
Referenz: JurionRS 2011, 11461
Aktenzeichen: VI ZR 269/09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Köln - 12.03.2008 - AZ: 25 O 39/06

OLG Köln - 05.08.2009 - AZ: 5 U 69/08

Fundstellen:

GesR 2011, 417

VersR 2011, 1202

BGH, 07.02.2011 - VI ZR 269/09

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 7. Februar 2011
durch
den Vorsitzenden Richter Galke,
die Richter Wellner, Pauge und Stöhr und
die Richterin von Pentz
beschlossen:

Tenor:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 5. August 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert: 160.000 EUR

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt, indem es die Ausführungen der Klägerin zur Notwendigkeit der Durchführung einer perioperativen Antibiotikaprophylaxe nicht in der gebotenen Weise berücksichtigt hat. Bei diesem Vorbringen handelt es sich um einen Kernpunkt ihres Vortrags, den sie unter Beweisantritt durch Sachverständigengutachten auf die Stellungnahme des Privatgutachters Dr. S. gestützt hat, bei der es sich der Sache nach um einen qualifizierten Parteivortrag handelt (vgl. Senat, Urteil vom 10. Oktober 2000 - VI ZR 10/00, VersR 2001, 525, 526 mwN). Nach dessen Stellungnahme ist es bei Operationen mit dem Einbau von Osteosynthesematerialien nach den Leitlinien zur Verhinderung von postoperativen Wundinfektionen vorgeschrieben, eine perioperative Antibiotikaprophylaxe durchzuführen.

2

Das Berufungsgericht hätte wegen dieses qualifizierten Parteivortrags den gerichtlichen Sachverständigen dazu ergänzend anhören müssen, ob solche Leitlinien zum Zeitpunkt der Behandlung der Klägerin vorlagen und entsprechend dem Vorbringen der Klägerin dem ärztlichen Standard zum Zeitpunkt der Behandlung entsprachen. Sofern dies der Fall gewesen wäre, hätte mit Hilfe des Sachverständigen geklärt werden müssen, ob in der Nichtbeachtung der Leitlinien im Streitfall ein grober Behandlungsfehler lag, der zu einer Umkehr der Beweislast führen könnte. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts reichte der Vortrag der Klägerin hierfür aus, zumal sich der Privatgutachter auf eine Veröffentlichung der AWMF bezogen hat, und dies - jedenfalls für einen Sachverständigen - ohne Weiteres als Quellenangabe ausreicht. Es handelt sich dabei um die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, welche die Leitlinien ihrer Fachgesellschaften allgemein zugänglich in "AWMF online" veröffentlicht. Den Leitlinien "Perioperative Antibiotikaprophylaxe" (Erstellungsdatum 1/1999, letzte Überarbeitung 6/2009, AWMF online) ist zu entnehmen, dass eine perioperative Antibiotikaprophylaxe als angezeigt angesehen wird, wenn das Risiko einer Infektion zwar gering ist, bei ihrer Manifestation aber eine erhebliche Morbidität oder sogar Letalität droht, etwa bei Implantationen von Osteosynthesematerialien. Auch wenn den Leitlinien keine konstitutive Bedeutung zukommt, hätte das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin ohne Befragung des gerichtlichen Sachverständigen nicht übergehen dürfen, zumal der Sachverständige Privatdozent Dr. R. nur zur Erforderlichkeit einer postoperativen Antibiose nach Auftreten der Entzündungssymptome Stellung genommen hatte.

3

Das Berufungsurteil war daher aufzuheben, um dem Berufungsgericht Gelegenheit zu geben, die unterlassene Anhörung des Sachverständigen zum Vorbringen der Klägerin nachzuholen. Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass die Ausführungen des Berufungsgerichts hinsichtlich des nicht festgestellten Verstoßes gegen Hygiene-Standards revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sind.

Galke
Wellner
Pauge
Stöhr
von Pentz

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