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Bundesfinanzhof
Beschl. v. 29.10.2013, Az.: V B 58/13
Nichtzulassungsbeschwerde betreffend die umsatzsteuerliche Behandlung von Leistungen auf Grund eines Praxisgemeinschaftsvertrages mangels grundsätzlicher Bedeutung
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 29.10.2013
Referenz: JurionRS 2013, 49919
Aktenzeichen: V B 58/13
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Niedersachsen - 11.04.2013 - AZ: 5 K 159/12

Rechtsgrundlage:

§ 4 Nr. 14 UStG

Fundstelle:

BFH/NV 2014, 192-193

BFH, 29.10.2013 - V B 58/13

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet.

2

Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) benannten Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen grundsätzlicher Bedeutung sowie nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Rechtsfortbildung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (Divergenz) liegen entweder nicht vor oder sind von der Klägerin nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Form dargelegt worden.

3

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

4

a) Wird die Beschwerde mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet, so muss in der Beschwerdebegründung eine bestimmte (abstrakte) klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausgestellt und --unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Literatur-- deren Bedeutung für die Allgemeinheit substantiiert dargetan werden. Ein Klärungsbedarf besteht nicht mehr, wenn sich eine Rechtsfrage ohne Weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes beantworten lässt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu entscheiden ist, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. März 2008 VIII B 184/08, BStBl II 2009, 850, [BFH 27.03.2009 - VIII B 184/08] und vom 6. Mai 2004 V B 101/03, BStBl II 2004, 748).

5

b) Die Rechtsfrage, "ob die Steuerbefreiung heilberuflicher Leistungen aufgrund analoger Anwendung des § 4 Nr. 14 Satz 2 UStG auf infrastrukturelle Leistungen von einem Arzt oder einer ärztlichen Gemeinschaft an einen anderen Arzt zur unmittelbaren Durchführung ärztlicher Leistungen zu gewähren ist", ist weder klärungsbedürftig noch wäre sie in einem Revisionsverfahren klärbar.

6

Nach § 4 Nr. 14 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1999 in der im Streitjahr geltenden Fassung sind steuerfrei auch die sonstigen Leistungen von Gemeinschaften, deren Mitglieder Angehörige der in Satz 1 bezeichneten Berufe sind, gegenüber ihren Mitgliedern, soweit diese Leistungen unmittelbar zur Ausführung der nach Satz 1 steuerfreien Umsätze verwendet werden. Im Streitfall hat das FG das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu Recht mit der Begründung verneint, dass die streitgegenständlichen Leistungen nicht von einer Gemeinschaft erbracht wurden, deren Mitglied der Leistungsempfänger (Dr. G) war, sondern im Rahmen eines Leistungsaustausches nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Der Praxisgemeinschaftsvertrag vom 22. April 2004 bildete die schuldrechtliche Vertragsbeziehung zwischen den Beteiligten des Leistungsaustausches. In den §§ 6 und 10 dieses Vertrags ist die Klägerin als Leistende und Dr. G als Leistungsempfänger für das Recht zur Mitnutzung der Praxisräume und die Inanspruchnahme der Dienste des nichtärztlichen Personals bezeichnet worden.

7

aa) Die von der Klägerin mit ihrer ersten Rechtsfrage befürwortete analoge Anwendung des § 4 Nr. 14 Satz 2 UStG auf infrastrukturelle Leistungen einer ärztlichen Gemeinschaft an einen anderen Arzt ist nicht klärungsbedürftig, weil sie offenkundig so beantwortet werden muss, wie es das FG getan hat.

8

Eine Analogie setzt eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Eine Lücke des Gesetzes liegt nur vor, wo das Gesetz ergänzungsbedürftig ist und eine Ergänzung nicht etwa einer dem Gesetz gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht (vgl. BFH-Beschluss in BStBl II 2004, 748, [BFH 06.05.2004 - V B 101/03] unter 2.b; BFH-Urteil vom 21. Oktober 1997 IX R 29/95, BFHE 184, 466, BStBl II 1988, 142, unter II.3.a). So liegen die Verhältnisse im Streitfall. Einer Erweiterung der in § 4 Nr. 14 Satz 2 UStG geregelten Steuerfreiheit im Wege der Analogie steht die unionsrechtlich gebotene enge Auslegung der Norm entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung sind die Begriffe, die zur Umschreibung der in Art. 135 Abs. 1 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (vor dem 1. Januar 2007: Art. 13 Teil A Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --Richtlinie 77/388/EWG--) genannten Steuerbefreiungen verwendet werden, eng auszulegen sind, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (vgl. Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Juli 2012 C-44/11, BStBl II 2012, 945 Rdnr. 42; vom 20. November 2003, Taksatorringen, C-8/01, Slg. 2003, I-13711 Rdnr. 36; vom 4. Mai 2006, C-169/04, Abbey National, Slg. 2006, I-4027 Rdnr. 60, m.w.N.; BFH-Vorlagebeschluss vom 5. Mai 2012 V R 51/10, BFHE 233, 460, BStBl II 2011, 740, Rz 44).

9

bb) Zudem wäre die oben bezeichnete Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren auch nicht entscheidungserheblich, sodass es an deren Klärungsfähigkeit in einem Revisionsverfahren fehlt. Denn selbst bei der von der Klägerin befürworteten Erweiterung des § 4 Nr. 14 Satz 2 UStG käme eine Steuerfreiheit der von ihr erbrachten Leistungen nicht in Betracht, da § 4 Nr. 14 Satz 2 UStG die Steuerbefreiung auf Leistungen begrenzt, die "unmittelbar" zur Ausführung der nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG steuerfreien Umsätze verwendet werden. Nach der Rechtsprechung des Senats bedeutet "unmittelbar" unter Ausschluss einer Zwischenstufe. Eine unmittelbare Verwendung liegt demnach nur vor, wenn die jeweilige Gemeinschaftsleistung selbst gegenüber den Patienten eingesetzt wird. Dagegen reicht es nicht aus, dass die Leistung der Gemeinschaft die ärztliche Behandlungsleistung lediglich ermöglicht (BFH-Urteil vom 21. Juni 1990 V R 94/85, BFH/NV 1992, 773; BFH-Beschluss vom 24. September 2004 V B 177/02, BFH/NV 2005, 258). Hieran fehlt es, wenn die Leistungen --wie im Streitfall-- lediglich einem Arzt zur Verfügung gestellt werden, damit dieser sie bei seinen heilberuflichen Tätigkeiten einsetzen kann.

10

c) Hinsichtlich der weiteren Rechtsfrage, ob die "mit einer Heilbehandlung eng verbundenen Umsätze des Arztes ebenfalls nach § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreit sind", fehlt es an der hinreichenden Konkretisierung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage; nicht ausreichend ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. März 2011 X B 151/10, BFH/NV 2011, 1165, Leitsatz 1; vom 8. Juni 2011 X B 250/10, BFH/NV 2011, 1711; vom 27. Juni 2012 XI B 8/12, BFH/NV 2012, 1809; vom 29. Februar 2012 I B 88/11, BFH/NV 2012, 1089).

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aa) Aus dem Wortlaut des § 4 Nr. 14 UStG ergibt sich, dass die Steuerfreiheit --anders als bei der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 UStG-- auf die Umsätze aus der Tätigkeit der im Einzelnen bezeichneten Berufe beschränkt ist. Dies entspricht dem Unionsrecht, das in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG eine Steuerfreiheit für Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin regelt, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden.

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bb) Eine Erweiterung der Steuerfreiheit auf die mit einer Heilbehandlung eng verbundenen Umsätze kommt lediglich im Rahmen einer einheitlichen Leistung in Betracht. Eine einheitliche Leistung liegt nicht nur dann vor, wenn eine Leistung als Hauptleistung und andere Leistungen als Nebenleistungen zu beurteilen sind, sondern auch dann, wenn zwei oder mehr Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Leistungsempfänger so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung --aus der maßgeblichen Sicht eines Durchschnittsverbrauchers-- wirklichkeitsfremd wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 29. September 2011 V B 23/10, BFH/NV 2012, 75, m.w.N.).

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Ob aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers eine einheitliche Leistung vorliegt, ist im Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung durch das FG, die den BFH grundsätzlich gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindet (vgl. BFH-Urteil vom 17. April 2008 V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712) und nur auf Verstöße gegen die Denkgesetze und Erfahrungssätze überprüft werden kann. Der Entscheidung des FG als Tatsacheninstanz kommt insoweit keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. November 2005 III B 101/05, BFH/NV 2006, 494; vom 6. November 2005 XI B 172/07, BFH/NV 2009, 617, m.w.N.).

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d) Soweit die Klägerin darüber hinaus geltend macht, dass nach ihrer Auffassung die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Satz 2 UStG vorlägen und das FG zu Unrecht eine "unmittelbare" Verwendung der jeweiligen Leistung der Gemeinschaftspraxis verneint habe, wendet sie sich im Kern gegen die materielle Rechtmäßigkeit des Urteils, wobei sie ihre Rechtsauffassung an die Stelle derjenigen des FG setzt. Dies vermag die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. Juni 2009 II B 177/08, [...], Leitsatz 2; vom 20. Februar 2008 VIII B 103/07, BFH/NV 2008, 980). Ihr Vortrag betrifft auch keinen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung, der ausnahmsweise zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO führt (vgl. BFH-Beschluss vom 17. März 2006 III B 135/05, BFH/NV 2006, 1285).

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2. Die Revision ist nicht zur Rechtsfortbildung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 FGO). Eine Zulassung zur Fortbildung des Rechts ist nur erforderlich, wenn über bisher ungeklärte abstrakte Rechtsfragen zu entscheiden ist. Ist die Rechtsfrage dagegen bereits geklärt (vgl. Ausführungen unter 1.b) oder kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an (vgl. Ausführungen unter 1.c), ist eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts nicht erforderlich.

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3. Die Klägerin hat den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt.

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a) Zur schlüssigen Darlegung dieses Zulassungsgrundes muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und aus den behaupteten, mit Datum sowie Aktenzeichen und/oder Fundstelle bezeichneten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so die behauptete Abweichung zu verdeutlichen (BFH-Beschlüsse vom 11. März 2011 III B 76/10, BFH/NV 2011, 981, und vom 1. Februar 2013 III B 222/11, BFH/NV 2013, 727).

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b) Im Streitfall hat die Klägerin weder abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG noch widersprechende abstrakte Rechtssätze aus der Rechtsprechung des BFH oder eines anderen FG dargelegt. Soweit die Klägerin vorträgt, das Niedersächsische FG habe die vom FG Rheinland-Pfalz aufgeworfene Rechtsfrage im Rahmen des Revisionsverfahrens XI R 15/11 nicht in seine Bewertung einbezogen, ergibt sich daraus kein dem FG-Urteil entgegenstehender Rechtssatz.

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