Rechtswörterbuch

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Auslieferung - Deutsche Staatsangehörige

 Normen 

Art. 16 Abs. 2 GG

 Information 

1. Allgemein

Aushändigung eines deutschen Straffälligen an das Ausland.

Die Europäische Union soll zu einem Raum der Freiheit, Sicherheit und des Rechts zusammenwachsen. Ziel ist es, strafrechtlich justizielle Entscheidungen gegenseitig anzuerkennen, sowohl in der Phase vor als auch nach der Urteilsverkündung.

Mit der Auslieferung eines einer Straftat Verdächtigen an das Ausland zu dem Zwecke der dortigen Strafverfolgung erfüllt die Bundesrepublik ihre aufgrund internationaler Vereinbarungen bestehenden Verpflichtungen. Rechtsgrundlagen sind das Gesetz über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) sowie individuelle Abkommen zwischen den Staaten.

Die Auslieferung eines Deutschen an einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einen internationalen Gerichtshof ist nach einer Änderung des Grundgesetzes gemäß Art. 16 Abs. 2 GG möglich.

Die Änderungen waren notwendig, da nach dem europäischen Recht mit dem Rahmenbeschluss BS 2002/584 eine Pflicht zur Auslieferung innerhalb der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union begründet wurde (Europäischer Haftbefehl). Ziel des Rahmenbeschlusses war es, die bisherigen Auslieferungsverfahren durch ministerielle / diplomatische Ersuchen durch ein gesetzlich geregeltes Übergabeverfahren zu ersetzen.

Die Grundsätze des Europäischen Haftbefehls sind im achten und neunten Teil des Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) eingearbeitet.

Nunmehr kann gemäß Art. 16 Abs. 2 GG ein Deutscher an

ausgeliefert werden. Voraussetzungen der Auslieferung sind:

  • Die Auslieferung ist durch ein Bundesgesetz geregelt.

  • Die rechtsstaatlichen Grundsätze werden gewahrt.

2. Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht hatte in dem Urteil BVerfG 18.07.2005 - 2 BvR 2236/04 die damaligen gesetzlichen Grundlagen des Europäischen Haftbefehls in Deutschland für nichtig erklärt. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass der Gesetzgeber den in dem Rahmenbeschluss des Rates über den Europäischen Haftbefehl ermöglichten Gestaltungsspielraum für die grundrechtsschonende Umsetzung nicht ausgeschöpft habe:

  • Der Gesetzgeber habe dafür Sorge tragen müssen, dass es bei der Ausführung des Gesetzes bei der Auslieferung deutscher Staatsangehöriger zu einer konkreten Abwägung der widerstreitenden Rechtspositionen kommt.

  • Es fehle eine Klarstellung unter welchen Voraussetzungen von der vollständigen Vorlage der Auslieferungsunterlagen abgesehen werden könne.

  • Daneben fehle die Möglichkeit, die Auslieferungsbewilligung durch eine richterliche Entscheidung überprüfen zu lassen.

Dadurch sei insbesondere das in Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG normierte Grundrecht auf Auslieferungsfreiheit verletzt.

3. Aktuelle Rechtslage

3.1 Allgemein

Das Recht des Europäischen Haftbefehls wurde daraufhin geändert und ist am 2. August 2006 in Kraft getreten. Dabei hat sich der Gesetzgeber im Wesentlichen darauf beschränkt, die Forderungen des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen.

3.2 Überprüfung der Auslieferungsbewilligung durch richterliche Entscheidung

Zu den allgemeinen Voraussetzungen einer Auslieferung siehe Europäischer Haftbefehl.

3.3 Auslieferung deutscher Staatsangehöriger

Die bei der Auslieferung von deutschen Staatsangehörigen aufgrund eines Europäischen Haftbefehls zu beachtenden Besonderheiten sind in § 80 IRG geregelt. Dabei wird zwischen der Auslieferung zur Strafverfolgung (Absätze 1 und 2) und der Auslieferung zur Strafvollstreckung (Absätze 3 und 4) unterschieden. Es gelten folgende Anforderungen:

  1. a)

    Auslieferung zur Strafverfolgung:

    Es muss gesichert sein, dass der die Tat verfolgende Mitgliedstaat bei einer Verurteilung einer Strafvollstreckung in Deutschland zustimmt

    und

    die Tat einen maßgeblichen Bezug zum ersuchenden Mitgliedstaat aufweist. Dies ist gegeben, wenn

    • die Tathandlung vollständig oder in wesentlichen Teilen in seinem Hoheitsgebiet begangen wurde und der Erfolg dort zumindest in wesentlichen Teilen auf seinem Hoheitsgebiet eingetreten ist

      oder

    • es sich um eine schwere Tat mit typisch grenzüberschreitendem Charakter handelt, die zumindest teilweise auch auf seinem Hoheitsgebiet begangen wurde.

    Fehlt es an einem maßgeblichen Bezug der Tat zum ersuchenden Mitgliedstaat, so ist die Auslieferung nur zulässig, wenn die Tat nicht zumindest in wesentlichen Teilen im Geltungsbereich des deutschen Strafrechts und der Erfolg in wesentlichen Teilen dort eingetreten ist

    und

    es sich bei der Tat auch um eine nach deutschem Recht rechtwidrige Tat handelt.

  2. b)

    Auslieferung zur Strafvollstreckung:

    Die Auslieferung zur Strafvollstreckung erfordert gemäß § 80 Abs. 3 IRG die Zustimmung des Verfolgten.

3.4 Vereinfachte Auslieferung

Gemäß § 41 IRG kann die Auslieferung auf Ersuchen der zuständigen Stelle des ausländischen Staates ohne Durchführung des förmlichen Auslieferungsverfahrens bewilligt werden, wenn sich der Verfolgte nach einer in dem richterlichen Protokoll aufzunehmenden Belehrung einverstanden erklärt. Zuvor war die vereinfachte Auslieferung nur bei der Auslieferung eines Ausländers möglich. Nach der Gesetzesänderung wurde der Ausdruck "Ausländer" in den Ausdruck "Verfolgter" geändert mit der Folge, dass das vereinfachte Verfahren bei Vorliegen der Voraussetzungen nunmehr auch auf Deutsche anwendbar ist.

3.5 Auslieferungs- und Durchlieferungsverkehr mit der Republik Island und dem Königreich Norwegen

Das Recht des Auslieferungs- und Durchlieferungsverkehrs mit der Republik Island und dem Königreich Norwegen ist in den §§ 98 - 99 IRG geregelt.

 Siehe auch 

Internationaler Strafgerichtshof

Internationale Rechtshilfe in Strafsachen

BGH 15.04.2008 - 4 ARs 22/07 (Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen nach in Deutschland eingetretener Verfolgungsverjährung)

OLG Stuttgart 26.10.2006 - 3 Ausl 52/06 (Auslieferung eines Deutschen an Polen)

Böhm: Das neue Europäische Haftbefehlsgesetz; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2006, 2592

Rosenthal: Europäisches Haftbefehlsgesetz, zweiter Versuch; Zeitschrift für Rechtspolitik - ZRP 2006, 105