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Art. 33 PAG
Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Polizei (Polizeiaufgabengesetz - PAG)
Landesrecht Bayern

III. Abschnitt – Datenverarbeitung → 2. Unterabschnitt – Besondere Befugnisse und Maßnahmen der Datenerhebung

Titel: Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Polizei (Polizeiaufgabengesetz - PAG)
Normgeber: Bayern
Amtliche Abkürzung: PAG
Gliederungs-Nr.: 2012-1-1-I
Normtyp: Gesetz

Art. 33 PAG – Offene Bild- und Tonaufnahmen (1)

(1) Die Polizei kann bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen oder Ansammlungen personenbezogene Daten offen

  1. 1.

    auch durch den Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen über die für eine Gefahr Verantwortlichen erheben, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dabei Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder Straftaten begangen werden, oder

  2. 2.

    mittels

    1. a)

      Bildaufnahmen oder Übersichtsaufnahmen oder

    2. b)

      Übersichtsaufzeichnungen

    erheben, wenn dies wegen der Größe oder Unübersichtlichkeit der Örtlichkeit erforderlich ist; die gezielte Feststellung der Identität einer auf der Übersichtsaufzeichnung abgebildeten Person ist nur unter den Voraussetzungen der Nr. 1 zulässig.

(2) Die Polizei kann

  1. 1.

    zur Abwehr

    1. a)

      einer Gefahr oder

    2. b)

      einer drohenden Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut,

  2. 2.

    an den in Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 genannten Orten, wenn sie öffentlich zugänglich sind, oder

  3. 3.

    an Orten, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dort Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder Straftaten begangen werden, wenn diese Orte öffentlich zugänglich sind,

offen Bild und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen von Personen anfertigen.

(3) Die Polizei kann an oder in den in Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 genannten Objekten offen Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen von Personen anfertigen, soweit tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass an oder in Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen, durch die Personen, diese Objekte oder andere darin befindliche Sachen gefährdet sind.

(4) 1Die Polizei kann bei Maßnahmen der Gefahrenabwehr an öffentlich zugänglichen Orten Personen offen mittels automatisierter Bild- und Tonaufzeichnung, insbesondere auch mit körpernah getragenen Aufnahmegeräten, kurzfristig technisch erfassen, wenn dies zum Schutz von Polizeibeamten oder Dritten erforderlich ist. 2Verarbeitungsfähige Aufzeichnungen dürfen gefertigt werden, wenn dies nach den Umständen zum Schutz von Polizeibeamten oder eines Dritten vor Gefahren für ein bedeutendes Rechtsgut erforderlich ist. 3In Wohnungen dürfen Maßnahmen nach diesem Absatz nur zur Abwehr einer dringenden Gefahr für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person erfolgen, sofern damit nicht die Überwachung der Wohnung verbunden ist. 4Der Einsatz von körpernah getragenen Aufzeichnungsgeräten in Wohnungen soll gegenüber den Betroffenen in geeigneter Weise dokumentiert werden. 5Eine Verwertung der nach Satz 3 erlangten Erkenntnisse ist zum Zweck der Gefahrenabwehr nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt wurde. 6In Wohnungen darf zudem keine kurzfristige technische Erfassung ohne unverzügliche Fertigung verarbeitungsfähiger Aufzeichnungen erfolgen. 7Es ist sicherzustellen, dass im Falle einer kurzfristigen technischen Erfassung im Sinn von Satz 1, an die sich keine unverzügliche Fertigung verarbeitungsfähiger Aufzeichnungen anschließt, die betroffenen personenbezogenen Daten unverzüglich gelöscht werden.

(5) Bei Maßnahmen nach den Abs. 1 bis 3 dürfen Systeme zur automatischen Erkennung und Auswertung von Mustern bezogen auf Gegenstände einschließlich der automatischen Systemsteuerung zu diesem Zweck verwendet werden, soweit dies die jeweilige Gefahrenlage auf Grund entsprechender Erkenntnisse erfordert.

(6) 1Die Polizei weist bei Maßnahmen nach den Abs. 1 bis 4 in geeigneter Weise auf die Bild- und Tonaufnahmen und -aufzeichnungen hin, soweit diese nicht offenkundig sind oder Gefahr im Verzug besteht. 2Auf die Verwendung von Systemen im Sinn von Abs. 5 ist dabei gesondert hinzuweisen.

(7) Maßnahmen nach den Abs. 1 bis 5 dürfen auch dann durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidlich betroffen werden.

(8) 1Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen und daraus gefertigte Unterlagen sind spätestens zwei Monate nach der Datenerhebung zu löschen oder zu vernichten, soweit diese nicht benötigt werden

  1. 1.

    zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung oder Straftaten, oder

  2. 2.

    zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme, wenn eine solche Überprüfung zu erwarten steht.

2Die Löschung ist zu dokumentieren.

(9) Für Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen durch die Polizei bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen und Aufzügen gilt Art. 9 BayVersG.

(1) Amtl. Anm.:

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Vom 22. Februar 2019 (BGBl. I S. 192)

Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2018 - 1 BvR 142/15 - wird folgende Entscheidungsformel veröffentlicht:

  1. 1.
    1. a)

      Artikel 33 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 13 Absatz 1 Nummer 5 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz) in der Fassung der Verordnung zur Anpassung des Landesrechts an die geltende Geschäftsverteilung vom 22. Juli 2014 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt, Seite 286) sowie dessen Neufassung Artikel 39 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 13 Absatz 1 Nummer 5 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts (PAG-Neuordnungsgesetz) vom 18. Mai 2018 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt, Seite 301) sind mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes aufgrund des Verstoßes gegen Artikel 71, Artikel 73 Absatz 1 Nummer 5 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit sie die Kraftfahrzeugkennzeichenerfassung zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze vorsehen.

    2. b)

      Artikel 13 Absatz 1 Nummer 5 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung vom 22. Juli 2014 ist in dieser und den nachfolgenden Fassungen mit Artikel 71, Artikel 73 Absatz 1 Nummer 5 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit er die Identitätsfeststellung zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze vorsieht.

  2. 2.
    1. a)

      Artikel 33 Absatz 2 Satz 2 bis 5 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung vom 22. Juli 2014 sowie dessen Neufassung Artikel 39 Absatz 1 in der Fassung vom 18. Mai 2018 sind mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit sie

      • die Kennzeichenerfassung nach Maßgabe des Artikels 13 Absatz 1 Nummer 1 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung vom 22. Juli 2014 und den nachfolgenden Fassungen nicht auf den Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht beschränken,

      • die Kennzeichenerfassung nach Maßgabe des Artikels 13 Absatz 1 Nummer 5 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung vom 22. Juli 2014 und den nachfolgenden Fassungen uneingeschränkt für "Durchgangsstraßen ([...] andere Straßen von erheblicher Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr)" vorsehen und

      • keine Pflicht zur Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen für die Durchführung der Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen vorsehen.

    2. b)

      Artikel 38 Absatz 3 Satz 2 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes in der Fassung vom 22. Juli 2014 und dessen Neufassung Artikel 39 Absatz 3 Satz 2 in der Fassung vom 18. Mai 2018 sind mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit sie die Verarbeitung der Kennzeichen zu weiteren Zwecken nicht auf den Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht oder sonst einem vergleichbar gewichtigen öffentlichen Interesse beschränken.

  3. 3.

    Die unter 2. angeführten Vorschriften bleiben in ihrer Fassung vom 18. Mai 2018 bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Dezember 2019, nach Maßgabe der Gründe weiter anwendbar.

Die vorstehende Entscheidungsformel hat gemäß § 31 Absatz 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes Gesetzeskraft.