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Fahrerlaubnis - MPU-Gutachten

 Normen 

§ 11 Abs. 3 FeV

§§ 13, 14 FeV

§ 66 FeV

 Information 

1. Allgemein

Eine der Voraussetzungen für die Erteilung/Wiedererteilung bzw. Weitergeltung der Fahrerlaubnis ist gemäß § 2 StVG, dass der Inhaber der Fahrzeugführer zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist, d.h. der Inhaber muss die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen.

2. Anordnung

2.1 Gründe für die Anordnung

Die Anordnung eines medizinisch-psychologisches Gutachtens (MPU-Gutachtens) kommt in den folgenden Fällen in Betracht:

  1. a)

    Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen, kann die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 2 FeV zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen allgemein die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen.

    Dabei kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 Nrn. 1 - 8 FeV i.V.m. Anlagen 4 und 5 FeV die Behörde verlangen, dass dieses ärztliche Gutachten als medizinisch-psychologisches Gutachten von einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung erstellt wird.

    Auch einem Fahrradfahrer, der eine Fahrerlaubnis für Fahrzeuge nicht besitzt, ist die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufzugeben, nachdem er mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr mit dem Fahrrad im Straßenverkehr aufgefallen ist (BVerwG 20.06.2013 - 3 B 102/12, OVG Rheinland-Pfalz 17.08.2012 - 10 A 10284/12).

  2. b)

    Erforderlich ist die Klärung von Eignungszweifeln bei einer Alkoholproblematik (§ 13 S. 1 Nr. 2 FeV i.V.m. Anlagen 4 und 5 FeV).

    Auch bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad und einer Blutalkoholkonzentration von 2,42 Promille ist die Anordnung eines MPU-Gutachtens nicht unverhältnismäßig, da der Anlass für die Eignungszweifel eine offensichtliche Alkoholproblematik des Fahrers ist (OVG Mecklenburg-Vorpommern 01.09.2014 - 1 M 89/14).

    Dies gilt auch bei wiederholten Zuwiderhandlungen:

    "Die Fahrerlaubnisbehörde darf den Betroffenen auch dann gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV wegen wiederholter Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluß zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auffordern, wenn eine als Ordnungswidrigkeit einzustufende Zuwiderhandlung ordnungswidrigkeitsrechtlich nicht geahndet worden ist. Es muss aber hinreichend sicher feststehen, dass der Betroffene die Zuwiderhandlung begangen hat, und sie muss in zeitlicher Hinsicht noch verwertbar sein. Falls eine Bußgeldentscheidung ergangen ist, darf die Berücksichtigung der Zuwiderhandlung nicht entgegen § 3 Abs. 4 Satz 2 StVG von den dort getroffenen Feststellungen abweichen" (BVerwG 07.04.2022 - 3 C 9/21).

  3. c)

    Erforderlich ist die Klärung von Eignungszweifeln im Hinblick auf Betäubungsmittel und Arzneimittel (§ 14 FeV i.V.m. Anlagen 4 und 5 FeV).

  4. d)

    Bei Erteilung der Fahrerlaubnis während oder nach dem Abschluss einer in § 10 Abs. 2 FeV aufgeführten Berufsausbildung, sofern die Fahrerlaubnis vor Vollendung des Mindestalters erworben werden soll.

  5. e)

    Wenn der Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe innerhalb der Probezeit Zuwiderhandlungen begangen hat, die nach den Umständen des Einzelfalls bereits Anlass zu der Annahme geben, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist (§ 2a Abs. 4 und 5 StVG).

  6. f)

    Nach einem Entzug der Fahrerlaubnis aufgrund des Erreichens von 8 Punkten im Fahreignungsregister (§ 4 Abs. 5 StVG).

2.2 Anforderungen an die Anordnung

In der Entscheidung VGH Baden-Württemberg 30.06.2011 - 10 S 2785/10 hat das Gericht die Anforderungen an die Anordnung eines MPU-Gutachtens festgelegt: "In jedem Fall hat die Fahrerlaubnisbehörde die konkretisierende Fragestellung unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls festzulegen und dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Eignungszweifel mitzuteilen. Etwa eine bloße sinngemäße Wiedergabe der Tatbestandsvoraussetzungen der Befugnisnorm genügt grundsätzlich nicht. Sodann ist auf der Rechtsfolgenseite ein hinreichender innerer Zusammenhang zwischen dem für die Eignungszweifel Anlass gebenden Ausgangssachverhalt und dem in der Gutachtensanordnung festgelegten Prüfprogramm zu fordern."

Diese Anforderungen wurden in der Revisionsinstanz weiter konkretisiert: Fordert die Fahrerlaubnisbehörde die Vorlage eines fachärztlichen Fahreignungsgutachtens, hat sie dem Betroffenen in der Beibringungsanordnung außer den Tatsachen, die die Eignungsbedenken begründen, und der Fachrichtung des Arztes, der die Begutachtung durchführen soll, auch die zu untersuchende Fragestellung so mitzuteilen, dass der Betroffene unter Einbeziehung der weiteren Darlegungen in der Beibringungsanordnung zweifelsfrei erkennen kann, welche Problematik in welcher Weise geklärt werden soll, und er in der Lage ist zu beurteilen, ob die Aufforderung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (BVerwG 05.02.2015 - 3 B 16/14).

3. Straftaten

Der baden-württembergische VGH hat entschieden, dass auch bei Vorliegen nur einer, aber erheblichen Straftat das MPU-Gutachten angeordnet werden kann (VGH Baden-Württemberg 25.07.2001 - 10 S 614/00). Der Begriff "erheblich" ist hierbei nicht ohne Weiteres mit "schwerwiegend" gleichzusetzen, sondern bezieht sich auf die Kraftfahreignung.

Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr: Nach der Entscheidung BGH 27.04.2005 - GSSt 2/04 bezweckt § 69 StGB ausschließlich den Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs. Die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Ungeeignetheit bei Taten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges setzte nach der Entscheidung voraus, dass ein spezifischer Zusammenhang zwischen der Tat und der Verkehrssicherheit besteht. Die Anlasstat muss tragfähige Rückschlüsse darauf zulassen, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen. Danach war es nicht allein ausreichend, wenn der Täter wiederholt Straftaten unter Benutzung eines Kraftfahrzeuges - z.B. zum Beutetransport - begangen hat.

Ausgehend von dieser Rechtsprechung ist es nach der Neufassung der Norm gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 6 FeV ausdrücklich möglich, ein MPU-Gutachten anzuordnen, wenn eine erhebliche Straftat nur unter Nutzung des Fahrzeugs begangen wurde.

4. Amtlich anerkannte Begutachtungsstellen für Fahreignung

Die Begutachtungsstellen für Fahreignung bedürfen gemäß § 66 FeV der amtlichen Anerkennung.

Die originäre amtliche Anerkennung erfolgt durch die nach Landesrecht zuständige Behörde und zwar in dem Bundesland, in dem der Träger der unabhängigen Stellen seinen Sitz hat. Die fachliche Expertise für die Bestimmung der unabhängigen Stellen wird weitgehend durch eine Begutachtung der Bundesanstalt für Straßenwesen gewährleistet. Diese bildet dann die Grundlage für die amtliche Anerkennung der nach Landesrecht zuständigen Behörde.

Rechtsgrundlage sind die §§ 71a und 71b FeV.

5. Durchführung

Die Durchführung des MPU-Gutachtens richtet sich gemäß § 11 Abs. 5 FeV nach den in der Anlage 15 FeV aufgeführten Grundsätzen.

6. Verweigerung der Untersuchung

Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf die Behörde bei ihrer Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 FeV von einer Nichteignung des Betroffenen ausgehen.

7. Rechtsmittel

Die Anordnung der medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU-Gutachten) kann nicht isoliert mit einem Rechtsbehelf angegriffen werden. Gemäß § 44a VwGO können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Die Einlegung eines Rechtsbehelfs ist daher erst nach dem Erlass einer Fahrerlaubnisentziehungsverfügung möglich.

 Siehe auch 

Fahrerlaubnis - Erteilung

Fahrerlaubnis - Verlust

BVerwG 21.05.2012 - 3 B 65/11 (Konsequenzen der Nichtvorlage des angeforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens)

BVerwG 26.02.2009 - 3 C 1/08 (Entzug der Fahrerlaubnis bei Cannabis-Konsum ohne MPU-Gutachten)

BVerwG 11.06.2008 - 3 B 99/07 (Vereinbarung mit der Fahrerlaubnisbehörde zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens)

Hillmann/Mehlhorn: Verkehrsrecht-Praxis: Ist die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet, mehrere MPU-Begutachtungen innerhalb eines Verfahrens zuzulassen?; Deutsches-Autorecht - DAR 2012, 111

Hillmann: Verteidigungsstrategien in Verkehrsstrafsachen im Hinblick auf die MPU; Deutsches Autorecht - DAR 2008, 376

Müller: Die Klärung von Eignungszweifeln im Fahrerlaubnisrecht; 2. Auflage 2017