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§ 54 PolG
Polizeigesetz (PolG)
Landesrecht Baden-Württemberg

ZWEITER ABSCHNITT – Maßnahmen der Polizei → DRITTER UNTERABSCHNITT – Einzelmaßnahmen

Titel: Polizeigesetz (PolG)
Normgeber: Baden-Württemberg
Amtliche Abkürzung: PolG
Gliederungs-Nr.: 2050
Normtyp: Gesetz

§ 54 PolG – Überwachung der Telekommunikation

(1) Der Polizeivollzugsdienst kann ohne Wissen der betroffenen Person die Telekommunikation einer Person überwachen und aufzeichnen,

  1. 1.

    die nach den §§ 6 oder 7 verantwortlich ist, und dies zur Abwehr einer dringenden und erheblichen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für wesentliche Infrastruktureinrichtungen oder sonstige Anlagen mit unmittelbarer Bedeutung für das Gemeinwesen geboten ist,

  2. 2.

    bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie innerhalb eines überschaubaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine Straftat begehen wird, die sich gegen die in Nummer 1 genannten Rechtsgüter richtet und dazu bestimmt ist,

    1. a)

      die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern,

    2. b)

      eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder

    3. c)

      die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen,

    und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen können,

  3. 3.

    deren individuelles Verhalten die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie innerhalb eines überschaubaren Zeitraums eine Straftat begehen wird, die sich gegen die in Nummer 1 genannten Rechtsgüter richtet und dazu bestimmt ist,

    1. a)

      die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern,

    2. b)

      eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder

    3. c)

      die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen,

    und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen können,

  4. 4.

    bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie für eine Person nach Nummer 1 bestimmte oder von dieser herrührende Mitteilungen entgegennimmt oder weitergibt, oder

  5. 5.

    bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person nach Nummer 1 deren Telekommunikationsanschluss oder Endgerät benutzen wird.

Datenerhebungen dürfen nur durchgeführt werden, wenn sonst die Erfüllung der polizeilichen Aufgabe aussichtslos oder wesentlich erschwert würde. Die Datenerhebung darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.

(2) Die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation darf ohne Wissen der betroffenen Person in der Weise erfolgen, dass mit technischen Mitteln in von ihr genutzte informationstechnische Systeme eingegriffen wird, wenn

  1. 1.

    durch technische Maßnahmen sichergestellt ist, dass ausschließlich laufende Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet wird, und

  2. 2.

    der Eingriff notwendig ist, um die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation insbesondere auch in unverschlüsselter Form zu ermöglichen.

(3) Bei Maßnahmen nach Absatz 2 ist sicherzustellen, dass

  1. 1.

    an dem informationstechnischen System nur Veränderungen vorgenommen werden, die für die Datenerhebung unerlässlich sind, und

  2. 2.

    die vorgenommenen Veränderungen bei Beendigung der Maßnahme, soweit technisch möglich, automatisiert rückgängig gemacht werden.

Das eingesetzte Mittel ist gegen unbefugte Nutzung zu schützen. Kopierte Daten sind gegen Veränderung, unbefugte Löschung und unbefugte Kenntnisnahme zu schützen.

(4) Maßnahmen nach den Absätzen 1 oder 2 bedürfen der Anordnung durch das Gericht. Die Anordnung wird nur auf Antrag erlassen. Der Antrag ist durch die Leitung eines regionalen Polizeipräsidiums oder des Landeskriminalamts schriftlich zu stellen und zu begründen. Für die Entscheidung ist

  1. 1.

    das Amtsgericht Mannheim zuständig, wenn die Polizeidienststelle, die den Antrag nach Satz 2 stellt, ihren Sitz im Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat;

  2. 2.

    das Amtsgericht Stuttgart zuständig, wenn die Polizeidienststelle, die den Antrag nach Satz 2 stellt, ihren Sitz im Bezirk des Oberlandesgerichts Stuttgart hat.

(5) Im Antrag sind anzugeben

  1. 1.

    die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, soweit möglich, mit Name und Anschrift,

  2. 2.

    die Rufnummer oder eine andere Kennung des zu überwachenden Anschlusses oder des Endgerätes,

  3. 3.

    Art, Umfang und Dauer der Maßnahme,

  4. 4.

    im Fall des Absatzes 2 eine möglichst genaue Bezeichnung des informationstechnischen Systems, in das zur Datenerhebung eingegriffen werden soll,

  5. 5.

    der Sachverhalt und

  6. 6.

    eine Begründung.

(6) Die Anordnung des Gerichts ergeht schriftlich. In ihr sind anzugeben

  1. 1.

    die Person, gegen die sich die Maßnahme richtet, soweit möglich, mit Name und Anschrift,

  2. 2.

    eine Kennung des Kommunikationsanschlusses oder des Endgerätes, bei dem die Datenerhebung durchgeführt wird,

  3. 3.

    Art, Umfang und Dauer der Maßnahme unter Benennung des Endzeitpunktes,

  4. 4.

    im Falle des Absatzes 2 auch eine möglichst genaue Bezeichnung des informationstechnischen Systems, in das zur Datenerhebung eingegriffen werden soll, sowie

  5. 5.

    die wesentlichen Gründe.

Die Anordnung ist auf höchstens drei Monate zu befristen. Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als einen Monat ist zulässig, solange die Voraussetzungen für die Maßnahme fortbestehen. Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, sind die aufgrund der Anordnung ergriffenen Maßnahmen unverzüglich zu beenden.

(7) Bei Gefahr im Verzug kann eine Maßnahme nach den Absätzen 1 und 2 von der Leitung eines regionalen Polizeipräsidiums oder des Landeskriminalamts angeordnet werden. In diesem Fall ist die Bestätigung des Gerichts unverzüglich herbeizuführen. Soweit die Anordnung nicht binnen drei Tagen durch das Gericht bestätigt wird, tritt sie außer Kraft.

(8) Aufgrund der Anordnung einer Maßnahme nach Absatz 1 hat jeder, der geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, dem Polizeivollzugsdienst die Maßnahme zu ermöglichen und die erforderlichen Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Ob und in welchem Umfang hierfür Vorkehrungen zu treffen sind, bestimmt sich nach dem Telekommunikationsgesetz und der Telekommunikations-Überwachungsverordnung. Für die Entschädigung der Diensteanbieter ist § 23 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes entsprechend anzuwenden.

(9) Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass durch eine Maßnahme nach den Absätzen 1 und 2 allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden, ist die Maßnahme unzulässig. Soweit im Rahmen von Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 neben einer automatischen Aufzeichnung eine unmittelbare Kenntnisnahme erfolgt, ist die Maßnahme unverzüglich zu unterbrechen, soweit sich während der Überwachung tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Inhalte, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden. Bestehen insoweit Zweifel, darf nur eine automatische Aufzeichnung fortgesetzt werden. Automatische Aufzeichnungen, bei denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass Inhalte, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst wurden, sind unverzüglich dem anordnenden Gericht vorzulegen. Das Gericht entscheidet unverzüglich über die Verwertbarkeit oder Löschung der Daten. Bis zur Entscheidung durch das Gericht dürfen die automatischen Aufzeichnungen nicht verwendet werden. Ist die Maßnahme nach Satz 2 unterbrochen worden, so darf sie für den Fall, dass sie nicht nach Satz 1 unzulässig ist, fortgeführt werden. Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung, die durch eine Maßnahme nach den Absätzen 1 und 2 erlangt worden sind, dürfen nicht verwertet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsachen der Erfassung der Daten und der Löschung sind zu dokumentieren. Die Dokumentation darf ausschließlich für Zwecke der Datenschutzkontrolle nach § 98 Absatz 1 Nummer 14 verwendet werden. Sie ist sechs Monate nach der Benachrichtigung nach § 86 oder sechs Monate nach Erteilung der gerichtlichen Zustimmung über das endgültige Absehen von der Benachrichtigung zu löschen. Ist die Datenschutzkontrolle nach Ablauf der in § 98 Absatz 1 Nummer 14 genannten Frist noch nicht beendet, ist die Dokumentation bis zu ihrem Abschluss aufzubewahren.