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§ 15 HSOG
Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) 
Landesrecht Hessen

ERSTER TEIL – Aufgaben und Befugnisse → Zweiter Abschnitt – Befugnisse

Titel: Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) 
Normgeber: Hessen
Amtliche Abkürzung: HSOG
Gliederungs-Nr.: 310-63
gilt ab: 12.07.2023
Normtyp: Gesetz
gilt bis: [keine Angabe]
Fundstelle: GVBl. I 2005 S. 14 vom 25.01.2005

§ 15 HSOG – Datenerhebung durch Observation und Einsatz technischer Mittel

(1) Im Sinne dieser Bestimmung ist

  1. 1.

    längerfristige Observation die planmäßig angelegte Beobachtung einer Person, die durchgehend länger als 24 Stunden dauern oder an mehr als zwei Tagen stattfinden soll,

  2. 2.

    Einsatz technischer Mittel ihre für die betroffene Person nicht erkennbare Anwendung, insbesondere zur Anfertigung von Bildaufnahmen oder -aufzeichnungen sowie zum Abhören oder Aufzeichnen des gesprochenen Wortes.

(2) 1Die Polizeibehörden können durch Maßnahmen nach Abs. 1 personenbezogene Daten erheben

  1. 1.

    auch über andere als die in den §§ 6 und 7 genannten Personen, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Bundes oder eines Landes oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt, erforderlich ist,

  2. 2.

    über Personen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie innerhalb eines übersehbaren Zeitraumes auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine Straftat mit erheblicher Bedeutung begehen werden, und dies zur Verhütung dieser Straftat erforderlich ist,

  3. 3.

    über Personen, deren individuelles Verhalten die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie innerhalb eines übersehbaren Zeitraumes eine terroristische Straftat begehen werden, und dies zur Verhütung dieser Straftat erforderlich ist,

  4. 4.

    über Personen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass

    1. a)

      sie mit Personen nach Nr. 2 nicht nur flüchtig oder in zufälligem Kontakt in Verbindung stehen,

    2. b)

      sie von der Planung oder der Vorbereitung von Straftaten der in Nr. 2 genannten Art oder der Verwertung der Tatvorteile Kenntnis haben oder daran mitwirken oder die Personen nach Nr. 2 sich ihrer zur Begehung dieser Straftaten bedienen könnten oder werden und

    3. c)

      die Datenerhebung zur Verhütung dieser Straftaten erforderlich ist,

  5. 5.

    über die in § 13 Abs. 2 Nr. 5 genannten Personen, wenn Tatsachen die Maßnahme zum Schutz der gefährdeten Person rechtfertigen.

2Die Datenerhebung durch Maßnahmen nach Abs. 1 ist nur zulässig, wenn andere Maßnahmen, mit Ausnahme der in den §§ 15a bis 17 genannten, erheblich weniger Erfolg versprechen würden oder die polizeiliche Aufgabenerfüllung mit Hilfe anderer Maßnahmen wesentlich erschwert würde. 3Im Rahmen der Aufgabenerfüllung können personenbezogene Daten auch über dritte Personen erhoben werden, soweit dies unerlässlich ist, um die Datenerhebung nach Satz 1 durchführen zu können. 4Abs. 4 Satz 4 bis 8 gilt entsprechend.

(3) Außer bei Gefahr im Verzug erfolgt die Anordnung von Maßnahmen nach Abs. 1 Nr. 2 durch die Behördenleitung oder eine von dieser beauftragte Bedienstete oder einen von dieser beauftragten Bediensteten, soweit nicht nach Abs. 5 eine richterliche Anordnung erforderlich ist.

(4) 1In oder aus Wohnungen können die Polizeibehörden ohne Kenntnis der betroffenen Person durch den Einsatz technischer Mittel Daten nur erheben, wenn dies zur Abwehr einer dringenden Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Bundes oder eines Landes oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt, unerlässlich ist. 2Die Maßnahme nach Satz 1 darf

  1. 1.

    sich nur gegen eine Person richten, die nach den §§ 6 oder 7 verantwortlich ist oder bei der konkrete Vorbereitungshandlungen für sich oder zusammen mit weiteren bestimmten Tatsachen die begründete Annahme rechtfertigen, dass sie terroristische Straftaten begehen wird, und

  2. 2.

    nur in

    1. a)

      der Wohnung der in Nr. 1 genannten Person oder

    2. b)

      Wohnungen anderer Personen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sich eine in Nr. 1 genannte Person dort aufhält und die Maßnahme allein in deren Wohnung nicht zur Abwehr der Gefahr nach Satz 1 führen wird,

durchgeführt werden. 3Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden. 4Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass durch die Maßnahme allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden, ist die Maßnahme unzulässig. 5Soweit sich während der Maßnahme tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Kernbereich privater Lebensgestaltung betroffen ist und eine unmittelbare Kenntnisnahme erfolgt, ist die Maßnahme unverzüglich zu unterbrechen; die Maßnahme darf nur fortgesetzt werden, wenn sie nicht unzulässig ist. 6Bestehen insoweit Zweifel, darf die Datenerhebung ausschließlich durch eine automatische Aufzeichnung erfolgen und fortgesetzt werden.

(5) 1Außer bei Gefahr in Verzug dürfen

  1. 1.

    längerfristige Observationen,

  2. 2.

    die Anfertigung von Bildaufnahmen oder -aufzeichnungen bestimmter Personen oder der Einsatz technischer Mittel zu Observationszwecken durchgehend länger als 24 Stunden oder an mehr als zwei Tagen,

  3. 3.

    das Abhören oder Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes durch den Einsatz technischer Mittel und

  4. 4.

    Maßnahmen nach Abs. 4

nur nach richterlicher Anordnung durchgeführt werden. 2Für das Verfahren gilt § 39 Abs. 1 Satz 2 und 3 mit der Maßgabe, dass, soweit es sich nicht um Maßnahmen nach Abs. 4 handelt, das Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat. 3Die Anordnung ergeht schriftlich. 4Sie muss die Personen, gegen die sich die Maßnahmen richten sollen, so genau bezeichnen, wie dies nach den zur Zeit der Anordnung vorhandenen Erkenntnissen möglich ist, und bei Maßnahmen nach Abs. 4 die zu überwachende Wohnung oder die zu überwachenden Wohnräume angeben. 5Art, Umfang und Dauer der Maßnahmen sind festzulegen sowie die wesentlichen Gründe darzulegen. 6Die Anordnung ist auf höchstens drei Monate zu befristen und, soweit möglich, räumlich zu begrenzen; liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, sind die aufgrund der Anordnung getroffenen Maßnahmen unverzüglich zu beenden. 7Eine Verlängerung um jeweils höchstens drei weitere Monate ist zulässig, soweit die Voraussetzungen fortbestehen. 8Hat die Polizeibehörde bei Gefahr im Verzug die Anordnung getroffen, so beantragt sie unverzüglich die richterliche Bestätigung der Anordnung. 9Die Anordnung tritt außer Kraft, soweit sie nicht binnen drei Tagen richterlich bestätigt wird. 10Maßnahmen nach Abs. 4 dürfen nur angeordnet und durchgeführt werden, soweit aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass die Maßnahme nicht in den Kernbereich privater Lebensgestaltung eindringen wird.

(6) 1Abs. 2 bis 5 gelten nicht für das Abhören und Aufzeichnen, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer bei einem polizeilichen Einsatz tätigen Person geschieht. 2Das Abhören und Aufzeichnen in oder aus Wohnungen ordnet die Polizeibehörde an. 3Ergeben sich während der Maßnahme Anhaltspunkte dafür, dass der Kernbereich privater Lebensgestaltung betroffen ist, sind das Abhören und Aufzeichnen zu unterbrechen, sobald dies ohne Gefährdung für Leib, Leben oder Enttarnung der bei dem polizeilichen Einsatz tätigen Personen möglich ist. 4 § 16 Abs. 5 Satz 2 bis 7, Abs. 6 und 7 gelten entsprechend. 5 Erlangte Erkenntnisse aufgrund von Anordnungen nach Satz 2 dürfen anderweitig nur zum Zwecke der Gefahrenabwehr verwertet werden, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt worden ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. 6Zuständig ist für richterliche Entscheidungen nach Satz 5 das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Polizeibehörde ihren Sitz hat; für das Verfahren gilt § 39 Abs. 1 Satz 3. 7Die Zulässigkeit der Verwertung der erlangten Erkenntnisse aufgrund von Anordnungen nach Satz 2 zum Zwecke der Strafverfolgung richtet sich nach der Strafprozessordnung.

(7) 1Zur Vorbereitung des Einsatzes technischer Mittel kann die Polizeibehörde die Wohnung der betroffenen Person betreten, wenn dies zur polizeilichen Aufgabenerfüllung unerlässlich ist. 2Außer bei Gefahr im Verzug ist dies nur nach richterlicher Anordnung zulässig. 3Abs. 5 Satz 8 und 9 gelten entsprechend.

(8) Die Befugnis der Gefahrenabwehr- und der Polizeibehörden, bestimmte Mittel zur Überwachung der Einhaltung der Straßenverkehrsvorschriften zu verwenden, bleibt unberührt.

(9) 1Automatische Aufzeichnungen nach Abs. 4 Satz 8, auch in Verbindung mit Abs. 2 Satz 4, sind unverzüglich dem anordnenden Gericht zur Entscheidung über die Verwertbarkeit oder Löschung der Daten vorzulegen. 2Das Gericht entscheidet, welche Teile verwertet werden können, und ordnet im Übrigen die unverzügliche Löschung an. 3Es unterrichtet die Polizeibehörde unverzüglich über den Inhalt der verwertbaren Teile der Aufzeichnung. 4Bei Gefahr im Verzug kann die Behördenleitung oder eine von dieser beauftragte Bedienstete oder ein von dieser beauftragter Bediensteter im Benehmen mit der oder dem Datenschutzbeauftragten der zuständigen Polizeibehörde über die Verwertung der Erkenntnisse entscheiden. 5Bei der Sichtung der erhobenen Daten kann sie oder er sich der technischen Unterstützung von zwei weiteren Bediensteten bedienen, von denen eine oder einer die Befähigung zum Richteramt haben muss. 6Die Bediensteten sind zur Verschwiegenheit über die ihnen bekannt werdenden Erkenntnisse, die nicht verwertet werden dürfen, verpflichtet. 7Die gerichtliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen. 8Satz 1 bis 7 gelten entsprechend für Erkenntnisse, die durch Maßnahmen nach Abs. 4 erlangt worden sind.