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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 27.01.2016, Az.: BVerwG 8 B 5.15
Vollstreckungsabwehrklage gegen Gerichtskostenrechnungen als Folge vorangegangener vermögensrechtlicher Klageverfahren; Rechtsmissbräuchliche Stellung eines Befangenheitsantrages; Zurückweisung des Antrags auf Zulassung als Beistand
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 27.01.2016
Referenz: JurionRS 2016, 11602
Aktenzeichen: BVerwG 8 B 5.15
ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2016:270116B8B5.15.0

BVerwG, 27.01.2016 - BVerwG 8 B 5.15

Redaktioneller Leitsatz:

1.

Der Niederschrift über die mündliche Verhandlung kommt hinsichtlich der darin festgehaltenen Förmlichkeiten gemäß § 105 VwGO i.V.m. § 165 ZPO Beweiskraft zu.

2.

Die Zurückweisung des Antrags auf Zulassung als Beistand gemäß § 67 Abs. 7 S. 4, Abs. 3 S. 1 VwGO ist unanfechtbar mit der Folge, dass sie nicht der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Januar 2016
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Christ
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab und Hoock
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Januar 2015 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts Gera wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 341,50 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Klägerin wendet sich mit der Vollstreckungsabwehrklage gegen Gerichtskostenrechnungen, die infolge zweier vorangegangener vermögensrechtlicher Klageverfahren ergangen sind. Das Verwaltungsgericht hat die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig angesehen und darüber hinaus für unbegründet gehalten. Mit ihrer allein auf Verfahrensrügen gestützten Beschwerde erstrebt die Klägerin die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht (§ 133 Abs. 6 VwGO).

2

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.

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1. Mit der Rüge der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe in dem vorliegenden Rechtsstreit keine streitige mündliche Verhandlung durchgeführt, ist ein Verfahrensmangel nicht dargetan. Im Gegenteil wird die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht durch den Tatbestand des angefochtenen Urteils nachgewiesen. Darin heißt es, in der mündlichen Verhandlung am 6. Januar 2015 habe der Prozessbevollmächtigte des Herrn Prof. L. erklärt, dieser scheide aus dem Prozess aus. Hierdurch wird der volle Beweis dafür erbracht, dass dies auch wirklich geschehen ist und damit eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht stattgefunden hat. Der Tatbestand des verwaltungsgerichtlichen Urteils stellt nämlich nach der gemäß § 98 VwGO auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anwendbaren Vorschrift des § 418 ZPO eine öffentliche Urkunde dar und besitzt unter anderem auch für eigene Wahrnehmungen oder Handlungen des Gerichts Beweiskraft (BVerwG, Beschluss vom 22. November 1984 - 9 CB 171.83 - Buchholz 312 EntlG Nr. 40). Dass die Durchführung der mündlichen Verhandlung aus Sicht der Klägerin nicht "streitig" verlaufen ist, weil das Verwaltungsgericht die von ihr aufgeworfene Frage, ob die Berechtigten einen fristgerechten Antrag auf Rückübertragung des streitbefangenen Grundstücks gestellt haben, nicht für entscheidungserheblich gehalten hat, ändert daran nichts. Der Tatsache, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht stattgefunden hat, steht auch nicht der Einwand der Klägerin entgegen, die Vertreterinnen des Beklagten seien nach eigenem Bekunden in der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage gewesen, sich zur Frage der Antragstellung nach § 30 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz - VermG) zu äußern, weil die einschlägigen Akten an das Verwaltungsgericht übersandt worden seien. Diese Frage war für das Verwaltungsgericht nach seiner bei der Prüfung von Verfahrensmängeln zugrunde zu legenden materiell-rechtlichen Rechtsauffassung nicht entscheidungserheblich. Inwieweit die Vertreterinnen des Beklagten von ihrem Äußerungsrecht Gebrauch machten, ist für das Vorliegen einer mündlichen Verhandlung unerheblich.

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2. Auch der Vortrag der Klägerin, sie habe in der Verhandlung entgegen der Sitzungsniederschrift gar keine Anträge gestellt, führt nicht auf einen Verfahrensfehler. Der Niederschrift über die mündliche Verhandlung kommt hinsichtlich der darin festgehaltenen Förmlichkeiten gemäß § 105 VwGO i.V.m. § 165 ZPO Beweiskraft zu. Zu den im Protokoll festzustellenden Förmlichkeiten gehören gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO auch die Anträge. Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 6. Januar 2015 festgehalten, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin "den Antrag aus den jeweiligen die mündliche Verhandlung vorbereitenden Schriftsätzen stellt"; im Anschluss an den Sachantrag hat es den Zusatz "laut diktiert und genehmigt" aufgenommen. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht den Sachantrag der Klägerin in der Weise protokolliert hat, dass es auf den angekündigten Antrag in ihrem vorbereitenden Schriftsatz Bezug genommen (vgl. Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 105 Rn. 52) und diesen dann im Tatbestand des angefochtenen Urteils wörtlich wiedergegeben hat. Steht aufgrund der Beweiskraft des Protokolls fest, dass die Förmlichkeit der Antragstellung stattgefunden hat, könnte sie nach § 165 Satz 2 ZPO nur durch den Nachweis der (Protokoll-)Fälschung widerlegt werden. Diesen Nachweis erbringt die Beschwerde indes nicht; für derartige Umstände bestehen auch sonst keinerlei Anhaltspunkte.

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3. Ebenfalls keinen Verfahrensmangel begründet der Vortrag der Klägerin, das Verwaltungsgericht sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, weil ihre Ablehnungsanträge gegen zwei der drei an dem angefochtenen Urteil mitwirkenden Berufsrichter zu Unrecht abgewiesen worden seien; zudem hätten die beiden von ihr abgelehnten Berufsrichter nicht selbst über die Befangenheitsanträge befinden dürfen. Die unrichtige Entscheidung eines Ablehnungsgesuchs ist im Rahmen einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nur in dem Maße beachtlich, als damit die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts geltend gemacht wird (vgl. § 138 Nr. 1 VwGO). Das ist nur dann der Fall, wenn die Ablehnungsentscheidung auf Willkür oder einem vergleichbar schweren Mangel des Verfahrens beruht, der in der Sache die Rüge einer nicht vorschriftsgemäßen Besetzung des Gerichts rechtfertigt (BVerwG, Beschluss vom 21. März 2000 - 7 B 36.00 - Rn. 4). Auf einen solchen Mangel führt das Vorbringen der Klägerin nicht. Die zur Begründung des Ablehnungsgesuchs genannten Umstände waren von vornherein ersichtlich ungeeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Der pauschal erhobene Vorwurf, die abgelehnten Richter hätten gegen das "Gebot der Objektivität, Neutralität und der Distanz sowie gegen das Prinzip der prozessualen Gleichbehandlung" verstoßen, vermag den Ablehnungsantrag nicht zu tragen, zumal die Klägerin diesen Vorwurf maßgeblich darauf stützt, dass die abgelehnten Richter ihre Einschätzung zum Antrag der Berechtigten auf Rückübertragung des streitbefangenen Grundstücks nach § 30 VermG nicht geteilt, sondern an der Rechtsauffassung festgehalten haben, die der angegriffenen rechtskräftigen Entscheidung zugrunde lag. Der Umstand, dass die abgelehnten Richter die Rechtsauffassung der Klägerin nicht teilen, ist von vornherein nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Gleiches gilt für die von der Klägerin gegen die abgelehnten Richter gestellten Strafanzeigen, die sie auf die von den Richtern vertretenen Rechtsansichten gestützt hat. Auch die Beurteilung der Ablehnungsgesuche gegen den Vorsitzenden der Kammer und die Berichterstatterin als rechtsmissbräuchlich ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Es liegt auf der Hand, dass ein Ablehnungsgesuch nicht dazu benutzt werden darf, die Zusammensetzung des Gerichts in einer Weise zu beeinflussen, die die Durchsetzungschance für die von der Klägerin für zutreffend erachtete Rechtsauffassung erhöht; ein objektiv in diese Richtung zielendes Ablehnungsgesuch liegt auch dann in der Nähe des Rechtsmissbrauchs, wenn der betreffenden Partei subjektiv eine solche Beeinflussungsabsicht fehlt (BVerwG, Beschluss vom 21. März 2000 - 7 B 36.00 - Rn. 4). Die Klägerin zielt mit ihren Ablehnungsanträgen erkennbar darauf ab, ihre Rechtsauffassung des Fehlens eines vermögensrechtlichen Antrags der Berechtigten gegen die Rechtsauffassung der gesetzlich zur Entscheidung berufenen Richter durchzusetzen. Damit verfolgt das Befangenheitsgesuch einen verfahrensfremden Zweck und ist rechtsmissbräuchlich gestellt. Bei dieser Sachlage kann die Auffassung der abgelehnten Richter, selbst über das von der Klägerin angebrachte Ablehnungsgesuch zu entscheiden, nicht als willkürlich oder als unvereinbar mit dem grundrechtsgleichen Recht auf den gesetzlichen Richter angesehen werden. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht entgegen dem Vorbringen der Beschwerde die Ablehnung der Befangenheitsgesuche sowohl in der mündlichen Verhandlung (vgl. S. 3 der Niederschrift) als auch in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils eingehend begründet.

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4. Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe verfahrensfehlerhaft den von der Klägerin benannten Herrn K. entgegen § 67 Abs. 7 Satz 3 VwGO nicht als Beistand zugelassen, kann die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen. Die Zurückweisung des Antrags auf Zulassung als Beistand gemäß § 67 Abs. 7 Satz 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO ist unanfechtbar mit der Folge, dass sie nicht der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (§ 173 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO). Unbeschadet dessen kann die Beschwerde zwar Mängel rügen, die als Folge der beanstandeten Zurückweisung des Beistands dem angefochtenen Urteil selbst anhaften. Solche Mängel legt die Klägerin aber nicht dar. Anderes folgt auch nicht daraus, dass Herr K. nach Vortrag der Klägerin in anderen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht als Beistand zugelassen worden sein soll.

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5. Die Rüge der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe die nach § 173 VwGO i.V.m. § 56 ZPO von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Prozessvoraussetzungen verfahrensfehlerhaft unterlassen, weil es nicht festgestellt habe, ob ein Antrag der Berechtigten auf Rückübertragung des streitbefangenen Grundstücks nach § 30 VermG vorgelegen habe, verkennt den Regelungsgehalt der Vorschrift. § 56 ZPO betrifft allein die Prozessvoraussetzungen, etwa Prozess- und Parteifähigkeit, die das Gericht von Amts wegen zu beachten hat. Die Frage, ob die Berechtigten einen fristgerechten Antrag auf Rückübertragung des streitbefangenen Grundstücks nach § 30 VermG gestellt haben, betrifft hingegen allein das materielle Recht. Einwände gegen ihre Beurteilung sind schon deshalb nicht geeignet, einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu begründen.

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6. Die Klägerin legt auch nicht schlüssig dar, dass ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden ist. Ihr Vorbringen beschränkt sich auf ihre Einschätzung zum Fehlen eines vermögensrechtlichen Antrags der Berechtigten, die sie der anderslautenden Bewertung des Verwaltungsgerichts in den beiden rechtskräftigen Urteilen vom 28. März 2012 - 2 K 543/11 Ge und 2 K 544/11 Ge - entgegenstellt. Ein Gehörsverstoß ist damit nicht dargetan. Ebenso wenig ist eine Verletzung rechtlichen Gehörs ersichtlich, soweit sich die Klägerin gegen die rechtliche Würdigung des Investitionsvorrangbescheids in dem rechtskräftigen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 2011 in dem Verfahren 8 C 6.10 wendet. Abgesehen davon war dies für die hier zur Prüfung gestellte Entscheidung des Verwaltungsgerichts ohnehin nicht entscheidungserheblich.

9

Die Beschwerde legt schließlich auch nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise dar, dass das Verwaltungsgericht das rechtliche Gehör der Klägerin durch verfahrensfehlerhaftes Ablehnen einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO verletzt hat. Es ist schon nicht ersichtlich, welche neuen Gesichtspunkte die Klägerin im Fall der Wiedereröffnung der Verhandlung hätte vortragen wollen. Vielmehr beschränkt sich ihr Vorbringen auf die Wiederholung ihrer Ansicht, es fehle an einem fristgerechten Antrag auf Rückübertragung des streitbefangenen Grundstücks nach § 30 VermG, obwohl das Vorliegen eines solchen Antrags bereits rechtskräftig festgestellt worden ist. Ebenso wenig führt die Rüge der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht ihren Antrag auf Ruhen des Verfahrens abgelehnt, auf einen Verfahrensfehler. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Klägerin, im Hinblick auf das Restitutionsverfahren das Ruhen des Klageverfahrens anzuordnen, abgelehnt, weil der nach § 173 VwGO i.V.m. § 251 Satz 1 ZPO hierfür erforderliche Ruhensantrag des Beklagten nicht vorlag. Für einen Verfahrensfehler bestehen insoweit keinerlei Anhaltspunkte.

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Abschließend weist der Senat darauf hin, dass das Bundesverwaltungsgericht in Revisionsverfahren gemäß § 137 Abs. 2 VwGO vorbehaltlich wirksamer Verfahrensrügen an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden ist und entgegen der Auffassung der Klägerin nicht selbst "als Tatsacheninstanz wirkt".

11

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO abgesehen.

12

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und § 52 Abs. 3 GKG.

Dr. Christ

Dr. Held-Daab

Hoock

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