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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 30.10.2013, Az.: BVerwG 9 B 18.13
Gesetzliche Bedarfsfeststellung und die hieraus folgenden Bindungen für das gerichtliche Verfahren
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 30.10.2013
Referenz: JurionRS 2013, 50069
Aktenzeichen: BVerwG 9 B 18.13
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Nordrhein-Westfalen - 18.01.2013 - AZ: 11 D 73/09.AK

Rechtsgrundlage:

§ 17 S. 2 FStrG

BVerwG, 30.10.2013 - BVerwG 9 B 18.13

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Oktober 2013
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Buchberger und Dr. Bick
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Die allein auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

3

1. Die von der Beschwerde "einzeln wie auch im Verbund" als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichneten Fragen,

"1. Verpflichtet das Fachplanungsrecht Planungsträger wie Entscheidungsträger zur Prüfung von Alternativen, die auch in verkehrslenkenden Maßnahmen bestehen?

2. Ist das Kriterium der Einstellung in den Bedarfsplan mit einer Sperrwirkung für dieses Untersuchungsprogramm versehen?

3. Würde eine solche Sperre dem Eigentumsschutz gemäß Art. 14 GG entsprechen/widersprechen?

4. Müsste insofern schon von Amts wegen die Vorlage zum Bundesverfassungsgericht erfolgen?

5. Entspricht das Gesetz 'Bedarfsplan' dem an Gesetze zu stellenden Minimalprogramm der Plausibilität und Willkürfreiheit?

6. Entspricht es dem noch immer gültigen prozessual verbürgten Amtsermittlungsgrundsatz (behördlicherseits wie gerichtlicherseits) die zur eigenen Nachprüfung gestellten Bedarfsplanmaterialien beizuziehen und zu hinterfragen, was mit einer Bindungswirkung nicht kompatibel ist?"

betreffen sämtlich die gesetzliche Bedarfsfeststellung und die hieraus folgenden Bindungen für das gerichtliche Verfahren. Diese Fragen rechtfertigen - soweit sie überhaupt einer verallgemeinerbaren Antwort zugänglich sind - die Zulassung der Revision nicht, weil sie bereits in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind.

4

Die Planrechtfertigung für ein Fernstraßenprojekt folgt aus der gesetzlichen Bedarfsfeststellung, die für die Planfeststellung und das gerichtliche Verfahren verbindlich ist (stRspr; vgl. zuletzt Urteile vom 3. Mai 2013 - BVerwG 9 A 16.12 - NVwZ 2013, 1209 Rn. 18 und vom 28. März 2013 - BVerwG 9 A 22.11 - NuR 2013, 565 Rn. 28 jew. m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Bedarfsfeststellung die Grenzen seines gesetzgeberischen Ermessens überschritten hat, liegen nur dann vor, wenn die Bedarfsfeststellung evident unsachlich ist, weil es für die Aufnahme des Vorhabens in den Bedarfsplan im Hinblick auf die bestehende oder künftig zu erwartende Verkehrsbelastung oder auf die verkehrliche Erschließung eines zu entwickelnden Raumes an jeglicher Notwendigkeit fehlt oder wenn sich die Verhältnisse seit der Bedarfsentscheidung des Gesetzgebers so grundlegend gewandelt haben, dass das angestrebte Planungsziel unter keinen Umständen auch nur annähernd erreicht werden kann (stRspr; vgl. nur Urteil vom 12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 43 m.w.N.). Die aktuelle Überprüfung des Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen vom 11. November 2010, die ergeben hat, dass Anpassungen nicht erforderlich sind, spricht gegen eine solch einschneidende Veränderung. Zwar wurde die Überprüfung aufgrund der Vielzahl der Projekte nicht für Einzelmaßnahmen vorgenommen. Allerdings wurde - der o.g. Fragestellung entsprechend - untersucht, ob sich die seinerzeit der Bewertung zugrunde gelegten verkehrlichen Rahmenbedingungen so gravierend verändert haben, dass der Projektbedarf grundsätzlich in Frage gestellt werden muss. Dies wurde verneint (vgl. Urteil vom 28. März 2013 a.a.O. Rn. 29).

5

Das enthebt die Planungsbehörde im anschließenden Planfeststellungsverfahren jedoch nicht der Verpflichtung, nach § 17 Satz 2 FStrG alle für und gegen das Planvorhaben sprechenden Gesichtspunkte abzuwägen. Zum Abwägungsmaterial gehören die Rechte betroffener Grundstückseigentümer ebenso wie öffentliche Belange, etwa der Umwelt. Das umfasst die Prüfung, ob eine vom Bedarfsplan abweichende Trassierung oder sogar im Einzelfall die Nullvariante, die einem gänzlichen Verzicht auf die Projektverwirklichung gleichkommt, den Vorzug verdient (Urteil vom 27. Oktober 2000 - BVerwG 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140 <148 f.>). Dem Vorhaben können womöglich wegen der erst auf späteren Planungsstufen gewonnenen Erkenntnisse unüberwindliche Belange entgegenstehen, die dazu nötigen, letztlich doch von der Planung Abstand zu nehmen (Urteile vom 10. April 1997 - BVerwG 4 C 5.96 - BVerwGE 104, 236 <249 f.>, vom 9. Juni 2004 - BVerwG 9 A 11.03 - [...] Rn. 86 <insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 121, 72>, vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 131 und vom 28. März 2013 a.a.O. Rn. 103).

6

Allerdings ist die Planfeststellungsbehörde nicht verpflichtet, jede nur denkbare Variante genauer zu untersuchen. Insbesondere ist sie nicht genötigt, Alternativen zu prüfen, die auf ein anderes Projekt hinauslaufen (Urteil vom 6. November 2012 - BVerwG 9 A 17.11 - BVerwGE 145, 40 Rn. 70). Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn sich die zur Prüfung gestellte Alternative auf bloße verkehrslenkende Maßnahmen wie etwa Geschwindigkeitsreduzierung, Abstimmung der Ampelschaltungen, Flüsterasphalt beschränkt. Die Zielsetzung des § 1 Abs. 1 FStrG wie auch der Zweck der Planung von Ortsumgehungen, die Ortsdurchfahrt zu entlasten, wird mit nur verkehrslenkenden Maßnahmen im Regelfall nicht erreicht.

7

Aus dem Vorstehenden ergeben sich zugleich die Maßstäbe für die gerichtliche Überprüfung der gesetzlichen Bedarfsfeststellung. Es ist allerdings eine allgemeiner Klärung nicht zugängliche Frage des Einzelfalles, ob der Gesetzgeber mit der Bedarfsfeststellung die Grenzen seines gesetzgeberischen Ermessens überschritten hat.

8

Neue Gesichtspunkte, aus denen in dem erstrebten Revisionsverfahren über die bisherige Rechtsprechung hinaus zusätzliche Erkenntnisse gewonnen werden könnten (vgl. hierzu Beschluss vom 25. November 1992 - BVerwG 6 B 27.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 306 m.w.N.), legt die Beschwerde nicht dar.

9

2. Soweit der Beschwerdeführer sich darüber hinaus pauschal "die Zulassungsgründe in den Parallelnichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu eigen macht, soweit sie auf der Gewichtung der Belange basieren", genügt die Begründung schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

10

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Dr. Bier

Dr. Bick

Buchberger

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