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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 30.07.2013, Az.: BVerwG 2 B 115.12
Vorliegen der Voraussetzungen der Bezeichnung der Divergenz gem. § 70 LDG i.V.m. § 130 Abs. 3 S. 3 VwGO i.R.e. Entfernung eines Lehrers aus dem Beamtenverhältnis wegen des Besitzes kinderpornographischer Filmdateien und Fotodateien
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 30.07.2013
Referenz: JurionRS 2013, 43119
Aktenzeichen: BVerwG 2 B 115.12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VG Potsdam - 13.09.2011 - AZ: VG 17 K 105/11.OL

OVG Berlin-Brandenburg - 28.09.2012 - AZ: OVG 81 D 8.11

BVerwG, 30.07.2013 - BVerwG 2 B 115.12

Redaktioneller Leitsatz:

Es bestehen keine Bedenken dagegen, den Rechtsgedanken des § 2 Abs. 2 StGB auf das Disziplinarrecht zu übertragen.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Juli 2013
durch
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz und
Dr. von der Weiden sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. September 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, § 70 Landesdisziplinargesetz Brandenburg - LDG - liegt nicht vor.

2

Der 1956 geborene Beklagte steht als Lehrer im Dienst des klagenden Landes. Er ist ledig und kinderlos. Im November 2003 wurde gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Besitzes/der Besitzverschaffung kinderpornografischer Schriften eingeleitet, nachdem festgestellt worden war, dass er einem Anbieter kinderpornografischen Materials im Juli 2003 Geld gezahlt hatte. Bei einer am 1. April 2004 durchgeführten Wohnungsdurchsuchung wurden u.a. zwei Computer sichergestellt; auf beiden Computern waren zwischen 2001 und Anfang 2004 aus dem Internet gegen Bezahlung geladene oder auf CD bestellte Dateien kinderpornografischen Inhalts gespeichert. Im April 2006 erließ das zuständige Amtsgericht wegen des Besitzes kinderpornografischer Film- und Fotodateien gegen den Beklagten einen Strafbefehl und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen.

3

Im Jahr 2006 eingeleiteten sachgleichen Disziplinarverfahren wurde dem Beklagten zur Last gelegt, im Zeitraum 2003 - 2004 kinderpornografische Schriften erworben und besessen zu haben. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt; die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, dass der Beklagte den Straftatbestand des § 184b Abs. 4 StGB verwirklicht habe, indem er am 1. April 2004 eine Videodatei und 38 Bilddateien kinderpornografischen Inhalts besessen habe. Seine Einlassung, die Computer seien seit 1998/1999 funktionsuntüchtig gewesen, lasse sich mit seiner durch die polizeilichen Ermittlungen gestützten Einlassung nicht vereinbaren, u.a. diese Dateien im Jahre 2003 bezogen zu haben. Aber selbst bei Unbrauchbarkeit der Computer ergebe sich keine andere Bewertung, weil sein Besitz an den Dateien fortbestanden habe, da er jedenfalls davon abgesehen habe, die Dateien - notfalls einschließlich der Festplatte und des ganzen Geräts - zu vernichten. Der Orientierungsrahmen für die disziplinarrechtliche Ahndung des außerdienstlichen Besitzes kinderpornografischen Materials unter der Geltung der mit Wirkung vom 1. April 2004 von einem auf zwei Jahre Freiheitsstrafe erhöhten Strafandrohung des § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB und bei Berücksichtigung des erschwerend hinzutretenden engen und berufstypischen Dienstbezuges bei einem Lehrer reiche bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

4

Der Beklagte macht geltend, das Oberverwaltungsgericht sei von dem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 19. August 2010 - BVerwG 2 C 5.10 - Rn. 23 (Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12) abgewichen, wonach für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme der zum Tatzeitpunkt geltende Strafrahmen maßgeblich ist und nachträgliche Verschärfungen für die Maßnahmebemessung außer Betracht bleiben.

5

Damit hat der Beklagte keine Divergenz im Sinne des § 70 LDG i.V.m. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet. Dies setzt voraus, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. Beschluss vom 21. Juni 1995 - BVerwG 8 B 61.95 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 18 S. 3). Zwischen beiden Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines bestimmten allgemeinen Rechtsgrundsatzes bestehen. Demzufolge liegt eine Divergenz nicht vor, wenn das Oberverwaltungsgericht einen abstrakten Rechtssatz im Einzelfall rechtsfehlerhaft anwendet oder daraus nicht die rechtlichen Folgerungen zieht, die etwa für die Sachverhalts- und Beweiswürdigung geboten sind (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 -Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 19. März 2013 - BVerwG 2 B 17.12 - [...] Rn. 3).

6

Diesen Voraussetzungen genügt die Beschwerde nicht. Sie benennt keinen abstrakten Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts, der im Widerspruch zu dem angeführten Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 19. August 2010 - BVerwG 2 C 5.10 - (a.a.O.) stehen könnte.

7

Das Oberverwaltungsgericht ist nicht von dem Rechtsgrundsatz abgewichen, dass bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme für Dienstpflichtverletzungen, die zugleich Straftaten sind, von dem zur Tatzeit geltenden Strafrahmen auszugehen ist. Vielmehr hat es diesen Bemessungsgrundsatz unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt.

8

Soweit der Beklagte rügt, das Oberverwaltungsgericht habe den Tatzeitpunkt fehlerhaft bestimmt, weil es hierfür nicht auf die Beendigung, sondern auf die Begründung des Besitzes ankomme, rügt er damit eine aus seiner Sicht unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall. Abgesehen davon treffen die Einwände des Beklagten nicht zu: Tatzeitraum der Tathandlung des Besitzes kinderpornografischer Schriften ist nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB der Zeitraum von der Besitzbegründung bis zur Besitzbeendigung. Im gesamten hiernach im Falle des Beklagten einschlägigen Zeitraum war der Besitz kinderpornografischer Schriften nach dem wortgleichen Tatbestand des § 184 Abs. 5 Satz 2 StGB in der bis zum 31. März 2004 geltenden Fassung und des § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB in der ab dem 1. April 2004 geltenden Fassung strafbar, mit dem der Strafrahmen von einem Jahr auf zwei Jahre Freiheitsstrafe erhöht wurde. Für das Strafrecht gilt nach § 2 Abs. 2 StGB, dass bei einer Änderung der Strafandrohung während der Begehung der Tat, das bei Beendigung der Tat geltende Gesetz anzuwenden ist. Es bestehen keine Bedenken dagegen, dass das Oberverwaltungsgericht diesen Rechtsgedanken der Sache nach auf das Disziplinarrecht übertragen und für die außerdienstliche Pflichtverletzung den Orientierungsrahmen aus der bei Beendigung der Pflichtverletzung geltenden Strafandrohung entnommen hat.

9

Soweit der Beklagte schließlich anführt, der Computer sei bei der Durchsuchung am 1. April 2004 funktionsunfähig gewesen und auch deshalb habe die für den Besitz erforderliche Aufrechterhaltung einer von einem Herrschaftswillen getragenen Sachherrschaft gefehlt, bezeichnet er ebenfalls keinen von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts, sondern rügt wiederum die aus seiner Sicht unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall. Unabhängig davon, dass es auch insoweit an einer ordnungsgemäß erhobenen Rüge mangelt, unterliegt die Beweiswürdigung des Oberverwaltungsgerichts auch keinen rechtlichen Bedenken.

10

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 78 Abs. 1 Satz 1 LDG. Ein Streitwert für das Beschwerdeverfahren muss nicht festgesetzt werden, weil sich die Höhe der Gerichtskosten streitwertunabhängig aus dem Gesetz ergibt (vgl. § 79 Abs. 1 Satz 1 LDG i.V.m. § 10 der Anlage zu § 78 BDG, Gebührenverzeichnis Nr. 15 und 62).

Dr. Heitz

Thomsen

Dr. von der Weiden

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