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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 25.04.2013, Az.: BVerwG 2 B 89.12
Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bezahlten (Mindest-)Jahresurlaub eines Beamten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Eintritt in den Ruhestand aufgrund einer Krankheit
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 25.04.2013
Referenz: JurionRS 2013, 36627
Aktenzeichen: BVerwG 2 B 89.12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Nordrhein-Westfalen - 30.08.2012 - AZ: OVG 1 A 2134/10

Rechtsgrundlage:

Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG

BVerwG, 25.04.2013 - BVerwG 2 B 89.12

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. April 2013
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dr. Kenntner
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. August 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 002,90 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf Divergenz gestützte Beschwerde (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO) ist unbegründet.

2

1. Der Kläger stand als Postbetriebsassistent im Dienst der Beklagten. Der bei der Deutschen Post AG beschäftigte Kläger war seit dem 30. Juni 2008 dienstunfähig erkrankt. Mit Ablauf des Monats November 2008 wurde er wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Seinen Antrag, ihm für den nicht in Anspruch genommenen Erholungsurlaub eine Entschädigung zu zahlen, lehnte die Beklagte ab. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, dem Kläger für insgesamt neun Urlaubstage aus dem Urlaubsjahr 2008/2009 eine finanzielle Abgeltung in europarechtlich vorgegebener Höhe zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

3

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sei Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (- RL 2003/88/EG -; ABl L 299 S. 9) dahingehend auszulegen, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bezahlten (Mindest-)Jahresurlaub bestehe, den der Berechtigte aus Krankheitsgründen vor dem Eintritt in den Ruhestand nicht habe in Anspruch nehmen können. Dieser Anspruch bestehe auch für Beamte, sofern ihr Tätigkeitsbereich, wie beim Kläger, in den weit zu verstehenden Anwendungsbereich der Richtlinie falle. Auch Art. 15 RL 2003/88/EG stehe der Anwendung des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie auf deutsche Beamte nicht entgegen.

4

2. Die Beschwerde sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in den Fragen,

"ob die in Frage stehende Richtlinie 2003/88/EG korrekt in nationales Recht umgesetzt worden ist"

und

ob die Richtlinie, im Falle der Verneinung der ersten Frage, "trotz der Besonderheiten des Beamtenverhältnisses nach Deutschem Recht unmittelbar Abgeltungsansprüche für Ruhestandsbeamte eröffnet".

5

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO obliegt es dem Beschwerdeführer, diese Voraussetzungen darzulegen (Beschluss vom 2. Oktober 1961 -BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f.).

6

Die Revision ist hier nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, weil die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen in der Rechtsprechung des Senats geklärt sind.

7

Zum einen ist die RL 2003/88/EG in Bezug auf die Regelung des Art. 7 Abs. 2 und den daraus abgeleiteten Anspruch auf Abgeltung von Urlaub, den ein Beamter krankheitsbedingt vor Eintritt in den Ruhestand nicht hat nehmen können, nicht fristgerecht und vollständig in nationales Recht umgesetzt worden. Denn das nationale Recht räumt einem Beamten einen solchen Urlaubsabgeltungsanspruch nicht ein (Urteil vom 31. Januar 2013 - BVerwG 2 C 10.12 - IÖD 2013, 78 <79, 82>).

8

Zum anderen ist geklärt, dass Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG auch für Beamte unmittelbar einen Anspruch auf Abgeltung von Urlaub begründet, den der Beamte krankheitsbedingt vor Eintritt in den Ruhestand nicht in Anspruch nehmen konnte. Die RL 2003/88/EG findet auch Anwendung auf Beamte. Der EuGH hat für beamtete Feuerwehrleute mehrfach entschieden, dass sie der Arbeitszeitrichtlinie unterfallen (EuGH, Beschluss vom 14. Juli 2005 - Rs. C-52/04 - Slg. 2005, I-7111 Rn. 57 ff.; Urteil vom 3. Mai 2012 - Rs. C-337/10, Neidel - ABl EU 2012, Nr. C 174 S. 4 = NVwZ 2012, 688 Rn. 22 [EuGH 03.05.2012 - C-337/10]). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (Urteile vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 20 ff. und vom 31. Januar 2013 a.a.O. S. 79 <jeweils zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen>). Der Senat hat darauf hingewiesen, dass Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG, auf den Art. 1 Abs. 3 RL 2003/88/EG zur Bestimmung ihres Anwendungsbereichs Bezug nimmt, nach der Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen ist und nicht etwa Streitkräfte, Feuerwehr oder Polizei generell, sondern nur für bestimmte in diesen Sektoren wahrgenommene besondere Aufgaben wie etwa bei Natur- oder Technologiekatastrophen und schweren Unglücksfällen von der Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie ausnimmt (Urteil vom 15. Dezember 2011 - BVerwG 2 C 41.10 - Buchholz 240 § 50a BBesG Nr. 1 Rn. 20). Die Voraussetzungen für die unmittelbare Anwendbarkeit des nicht fristgerecht in nationales Recht umgesetzten Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG sind erfüllt (Urteil vom 31. Januar 2013 a.a.O.).

9

3. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Das Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts entspricht in seinen Grundsätzen dem Urteil des Senats vom 31. Januar 2013, in dem ein Anspruch eines Beamten auf Abgeltung seines krankheitsbedingt nicht genommenen Urlaubs unmittelbar aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG anerkannt worden ist.

10

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 52 Abs. 3 GKG.

Domgörgen

Dr. Kenntner

Dr. Hartung

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