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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 25.02.2013, Az.: BVerwG 4 A 7004.12 (4 A 7002.11)
Anspruch auf Fortführung des Klageverfahrens i.R.d. Abschätzung der Lärmbetroffenheiten auf der Grundlage einer Grobanalyse der Siedlungsstruktur der Flughafenumgebung
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 25.02.2013
Referenz: JurionRS 2013, 33360
Aktenzeichen: BVerwG 4 A 7004.12 (4 A 7002.11)
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

BVerwG - 31.07.2012 - AZ: 4 A 7002.11

Rechtsgrundlage:

Art. 103 Abs. 1 GG

BVerwG, 25.02.2013 - BVerwG 4 A 7004.12 (4 A 7002.11)

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Februar 2013
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Petz
beschlossen:

Tenor:

Die Anhörungsrüge der Kläger gegen das Urteil des Senats vom 31. Juli 2012 - BVerwG 4 A 7002.11 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Gründe

1

Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Die Kläger haben keinen Anspruch nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO auf Fortführung des Klageverfahrens. Zu Unrecht machen sie geltend, der Senat habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

2

Die Ablehnung des Antrags der Kläger nach Anlage 1 zur Sitzungsniederschrift, Beweis zu der Frage zu erheben,

ob die Gebiete, die von 15 nach Norden oder nach Süden abknickenden Flugrouten betroffen sind, abwägungserheblich anders besiedelt sind als die, die von parallelen Abflugrouten betroffen wären,

durch den mit Begründung versehenen Beschluss des Senats vom 4. Juli 2012 (Sitzungsniederschrift S. 5), vertieft durch die Erläuterungen im angefochtenen Urteil vom 31. Juli 2012 (UA Rn. 62), verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 1 GG; sie ist prozessrechtlich nicht zu beanstanden.

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1. Maßgebend für die Frage, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist der materiell-rechtliche Standpunkt der angegriffenen Entscheidung (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 23. August 2006 - BVerwG 4 A 1066.06 -). Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216>); die Vorschrift verpflichtet die Gerichte insbesondere nicht, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen (BVerfG, Beschluss vom 12. April 1983 - 2 BvR 678/81 - BVerfGE 64, 1 <12>, Urteil vom 7. Juli 1992 - 1 BvL 51/86 u.a. - BVerfGE 87, 1 <33>). Soweit die Kläger geltend machen, die beantragte Aufklärung durch Sachverständigengutachten sei geboten gewesen, "weil der vom Senat gewählte (abstrakte) Planungsmaßstab für Lärmprognosen unzutreffend ist" (Beschwerdebegründung S. 6 - Klammerzusatz im Original), wenden sie sich gegen die materiell-rechtliche Auffassung des Senats, dass - wie im Beweisbeschluss durch Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 13.

Oktober 2011 (BVerwG 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1 Rn. 159[BVerwG 13.10.2011 - BVerwG 4 A 4001.10]) zum Ausdruck kommt - die für den abhängigen Bahnbetrieb erstellte Grobplanung der An- und Abflugrouten ausreichend sein kann, um die Lärmbetroffenheiten auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen. Hierauf kann die Anhörungsrüge nicht gestützt werden.

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2. Entsprechendes gilt für den Einwand, es handele sich um eine fehlerhafte Anwendung des Planungsmaßstabs im konkreten Fall, weil "Lärmbelange dann nicht überschlägig anhand einer Grobanalyse zu bestimmen (seien), wenn die Flugroutenprognosen unrealistisch waren" (Beschwerdebegründung S. 7 - 8). Der Anspruch auf rechtliches Gehör schützt nicht gegen eine nach Meinung eines Beteiligten sachlich unrichtige Ablehnung eines Beweisantrags (Beschluss vom 7. Oktober 1987 - BVerwG 9 CB 20.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 Nr. 31). Abgesehen davon hat der Senat nicht festgestellt, dass die Flugroutenprognose "unrealistisch" war. Maßgeblich ist, ob die prognostische Flugroutenplanung Art und Ausmaß der zu erwartenden Betroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung realistisch abbildet (UA Rn. 66). Hiervon ist der Senat ausgegangen.

5

3. Der Vorwurf der Kläger (Beschwerdebegründung S. 8 - 10), der Senat verfüge nicht über ausreichende Erkenntnisse, um die Beweisfrage zu beantworten, ist unbegründet. Zur Beantwortung der Beweisfrage bedurfte es nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens.

6

Das Tatsachengericht entscheidet über die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nach Ermessen (§ 98 VwGO, § 404 Abs. 1, § 412 Abs. 1 ZPO). In diesem Rahmen hat das Gericht darüber zu befinden, ob es zur Entscheidung des Rechtsstreits die Hilfe eines Sachverständigen benötigt. Die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens kann nur dann als verfahrensfehlerhaft beanstandet werden, wenn das Gericht für sich eine ihm unmöglich zur Verfügung stehende Sachkunde in Anspruch nimmt oder wenn es sich in einer Frage für sachkundig hält, in der seine Sachkunde ernstlich zweifelhaft ist, ohne dass es für die Beteiligten überzeugend darlegt, dass ihm das erforderliche Fachwissen in genügendem Maße zur Verfügung steht (zur Zulassung der Revision stRspr, vgl. nur Beschlüsse vom 14. September 1992 - BVerwG 7 B 130.92 - Buchholz 406.401 § 31 BNatSchG Nr. 2, vom 24. November 1997 - BVerwG 1 B 224.97 - [...] Rn. 6, vom 16. Januar 2002 - BVerwG 4 BN 27.01 - BRS 65 Nr. 58, vom 25. März 2009 - BVerwG 4 B 63.08 - BRS 74 Nr. 196 und vom 18. Juni 2012 - BVerwG 5 B 5.12 - [...] Rn. 7).

7

Lärmberechnungen hat der Senat nicht vorgenommen. Nach der Rechtsauffassung des Senats genügte eine Abschätzung der Lärmbetroffenheiten auf der Grundlage einer Grobanalyse der Siedlungsstruktur der Flughafenumgebung i.V.m. den für das Planfeststellungsverfahren ermittelten, in den Verwaltungsvorgängen vorhandenen (Beiakte 429, N 5 Tabellenanhang) Einwohnerzahlen der betroffenen Ortsteile und Gemeinden (UA Rn. 62). Dass es besonderer Sachkunde bedürfte, auf dem Kartenmaterial um bis zu 15 nach Norden oder Süden abknickende Abflugrouten zu markieren, um die gebotene siedlungsstrukturelle Vergleichsbetrachtung anzustellen, ist nicht ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Ebenso wenig ist zu erkennen, dass die vom Senat zugrunde gelegten Einwohnerzahlen unzutreffend sein könnten; Einwände hiergegen haben auch die Kläger nicht erhoben.

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4. Es bedurfte auch keiner Ermittlungen durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen, um feststellen zu können, dass die Belange der Kläger unter Zugrundelegung der 15 -Abweichung für die Konfigurationsanalyse nicht abwägungserheblich waren. Entgegen der Auffassung der Kläger (Beschwerdebegründung S. 9 - 10) liegt kein Verstoß gegen § 108 VwGO vor.

9

Die Einschätzung des Senats, dass die für die Konfigurationsanalyse maßgeblichen Werte bis hinab zu einem Dauerschallpegel von Leq(3), Tag = 62 dB(A) bei um bis zu 15 abknickenden Abflugrouten bei den Klägern der Verfahren BVerwG 4 A 7001.11 und 7003.11 nicht erreicht werden, hat er maßgeblich auf von dem Beklagten vorgenommene Berechnungen, die nach der vorläufigen Berechnungsmethode für den Umgebungslärm an Flugplätzen vorgenommen worden sind, gestützt (UA Rn. 82). Berechnungen hinsichtlich des Grundstücks der Kläger waren bei der Beurteilung der Konfigurationsanalyse von vornherein nicht veranlasst, da sie von einer Verschiebung der Südbahn innerhalb des Untersuchungsfensters nicht profitiert hätten (UA Rn. 82). Auf die Frage, ob der Senat die Berechnungen verwerten durfte, kommt es daher nicht an.

10

5. Soweit die Kläger geltend machen, der Senat habe sich nicht auf die vom Beklagten in den Wiederaufnahme- und den Restitutionsverfahren vorgelegten, von der DLR für einen Leq(3), Tag = 60 dB(A) für die Grobplanung einerseits und um 15 nach Süden abknickende Abflugrouten andererseits berechneten Konturen stützen dürfen, weil diese Berechnungen nicht in das Verfahren eingeführt worden seien (Beschwerdebegründung S. 9 f.), zeigen sie ebenfalls keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör auf.

11

Der Senat hat ausdrücklich selbst darauf hingewiesen, dass die DLR-Berechnungen nicht in das Verfahren der Kläger eingeführt worden waren (UA Rn. 82), und damit deutlich gemacht, dass dieser Gesichtspunkt nicht entscheidungstragend war, sondern lediglich ergänzend in den Blick genommen worden ist.

12

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Gerichtsgebühr ergibt sich unmittelbar aus Nr. 5400 KV GKG. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht.

Prof. Dr. Rubel

Petz

Dr. Bumke

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