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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 19.10.2012, Az.: BVerwG 10 B 25.12
Vorliegen eines Beweisantrags bzgl. Ansehens eines politisch Verfolgten als Spion des Westens gegenüber den Taliban bei Rückkehr nach Kabul
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 19.10.2012
Referenz: JurionRS 2012, 26661
Aktenzeichen: BVerwG 10 B 25.12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VGH Baden-Württemberg - 09.05.2012 - AZ: VGH A 11 S 3293/11

BVerwG, 19.10.2012 - BVerwG 10 B 25.12

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Oktober 2012
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 9. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die auf den Verfahrensmangel der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

Die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe den Beweisantrag,

"dass der Kläger bei einer Rückkehr oder Abschiebung nach Kabul aufgrund seines jahrelangen Auslandsaufenthalts im westlichen Ausland und zwar insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland und aufgrund seines Alters als Spion des Westens gegenüber den Taliban angesehen wird und daher von den Taliban bei einer Rückkehr verfolgt wird bzw. zumindest an Leib und Leben bedroht wird und Verfolgung zu befürchten hat."

in verfahrensfehlerhafter Weise abgelehnt und dadurch das rechtliche Gehör des Klägers verletzt. Es kann offen bleiben, ob die Ausführungen der Beschwerdebegründung den Darlegungsanforderungen an eine Gehörs- und Aufklärungsrüge genügen. Denn das Berufungsgericht hat die vom Kläger begehrte Beweiserhebung verfahrensfehlerfrei abgelehnt.

3

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts verletzt die Ablehnung eines Beweisantrags nur dann das rechtliche Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 8. November 1978 - 1 BvR 158/78 - BVerfGE 50, 32 <36>). Die prozessrechtliche Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, ist vom materiellrechtlichen Standpunkt des Berufungsgerichts aus zu beurteilen, selbst wenn dieser Standpunkt verfehlt sein sollte (stRspr, Urteil vom 25. März 1987 - BVerwG 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183, S. 4). Das Berufungsgericht hat die Ablehnung der Beweiserhebung auf folgende, dem Kläger vor der Beschlussfassung übermittelte Erwägung gestützt (GA Bl. 154):

"Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnismitteln und den von Ihnen als Anlage zum Schriftsatz vom 25.04.2012 vorgelegten Zeitungsausschnitten sieht der Senat keine ausreichenden Anhaltspunkte für die von Ihnen mit dem Beweisantrag aufgestellten Tatsachenbehauptungen, wobei hervorzuheben ist, dass im vorliegenden Fall allein über das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu befinden ist. ..."

4

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass im Hinblick auf die vom Kläger vorgetragenen allgemeinen Gefahren für zurückkehrende afghanische Asylbewerber die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nur dann ausnahmsweise nicht greift, wenn der Ausländer im Zielstaat landesweit einer extrem zugespitzten allgemeinen Gefahr dergestalt ausgesetzt wäre, dass er "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert" würde (BA S. 7). Auf der Grundlage seiner materiellen Rechtsauffassung musste sich dem Berufungsgericht zu den vom Kläger benannten Beweistatsachen und seinem Vorbringen dazu keine weitere Aufklärung aufdrängen. Denn bei dem Antrag des Klägers im Schriftsatz vom 25. April 2012 handelte es sich - jedenfalls angesichts des Streitgegenstandes des Berufungsverfahrens, der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel und der Ausführungen in der Anhörung zu einer Entscheidung nach § 130a VwGO - um einen unzulässigen Ausforschungs- oder Beweisermittlungsantrag. Ein solcher liegt in Bezug auf Tatsachenbehauptungen vor, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die mit anderen Worten ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich "aus der Luft gegriffen", "ins Blaue hinein", also "erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage" erhoben worden sind (vgl. Beschlüsse vom 29. April 2002 - BVerwG 1 B 59.02 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 60 und vom 30. Juni 2008 - BVerwG 5 B 198.07 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 98; ebenso BVerfG, Beschluss vom 26. August 1996 - 2 BvR 1968/94 - [...]). So liegt es hier. Der Kläger hat für seine tatsächlichen Schlussfolgerungen, dass aus Deutschland zurückkehrenden afghanischen Asylbewerbern wegen ihres Aufenthalts im Bundesgebiet und ihrer Asylantragstellung und des dadurch ausgelösten Verdachts einer Unterstützung des Westens Verfolgung durch die Taliban drohen soll, keinen tatsächlichen Anknüpfungspunkt genannt. Es handelt sich vielmehr um spekulative Überlegungen, die nicht einmal im Ansatz durch substantiierte Anknüpfungstatsachen unterfüttert worden sind; die dem Schriftsatz vom 25. April 2012 beigefügten Zeitungsartikel verhalten sich zu anderen Fragen.

5

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 RVG.

Prof. Dr. Berlit

Prof. Dr. Kraft

Fricke

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