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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 16.05.2012, Az.: BVerwG 6 PB 3.12
Vertretung von Dienstkräften durch Personen i.S.d. § 88 Abs. 1 Alt. 2 HmbPersVG durch Wahrnehmung von denselben Aufgaben im Vertretungsfall
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 16.05.2012
Referenz: JurionRS 2012, 16413
Aktenzeichen: BVerwG 6 PB 3.12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VG Hamburg - 30.03.2011 - AZ: VG 26 FL 34/10

OVG Hamburg - 29.11.2011 - AZ: 8 Bf 95/11.PVL

Fundstellen:

DÖV 2012, 980

PersV 2012, 377-379

ZTR 2012, 604

BVerwG, 16.05.2012 - BVerwG 6 PB 3.12

Amtlicher Leitsatz:

Diejenigen Personen, die Dienstkräfte im Sinne von § 88 Abs. 1 Alt. 2 HmbPersVG vertreten, fallen nicht deshalb unter diese Vorschrift, weil sie im Vertretungsfall dieselben Aufgaben wahrzunehmen haben.

In der Personalvertretungssache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Mai 2012
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge und Prof. Dr. Hecker
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beteiligten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts - Fachsenat nach dem Landespersonalvertretungsgesetz - vom 29. November 2011 wird zurückgewiesen.

Gründe

1

Die Beschwerde des Beteiligten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 100 Abs. 2 HmbPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.

2

1. Die vom Beteiligten mit Blick auf § 88 Abs. 1 2. Alt. HmbPersVG erhobene Grundsatzrüge greift nicht durch.

3

Gemäß § 88 Abs. 1 2. Alt HmbPersVG gilt § 87 Abs. 1 Nr. 1 bis 27 und Abs. 3 für Angehörige des öffentlichen Dienstes, die zu selbständigen Entscheidungen in Angelegenheiten der Dienststelle im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 bis 27 und Abs. 3 befugt sind, nur auf ihren Antrag hin. Der Beteiligte will geklärt wissen, ob ein Vertreter einer Dienstkraft im Sinne von § 88 Abs. 1 Alt. 2 HmbPersVG, der im Vertretungsfall selbst zu solchen Entscheidungen befugt ist, wie diese in den Anwendungsbereich von § 88 Abs. 1 Alt. 2 HmbPersVG fällt. Diese Frage wird durch die Rechtsprechung des Senats bereits beantwortet und führt daher nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde (vgl. zu diesem prozessrechtlichen Maßstab: Beschluss vom 14. September 2011 - BVerwG 6 PB 14.11 - [...] Rn. 2; BAG, Beschlüsse vom 22. März 2005 - 1 ABN 1/05 - BAGE 114, 157 <159 f.> und vom 2. Oktober 2007 - 1 AZN 793/07 - AP Nr. 52 zu § 75 BetrVG 1972 Rn. 3).

4

Die Beantwortung der Frage ergibt sich aus dem Beschluss des Senats vom 22. Juni 2005 (BVerwG 6 P 8.04 - Buchholz 251.2 § 13 BlnPersVG Nr. 3). Dieser betraf die Auslegung von § 13 Abs. 3 Nr. 2 BlnPersVG, der - in seiner damaligen wie heutigen Fassung - solche Dienstkräfte von der Wählbarkeit zur Personalvertretung ausnimmt, die "zu selbständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten von nicht untergeordneter Bedeutung befugt sind". Gemäß § 89 Abs. 3 BlnPersVG entfällt u.a. für Stellen der in § 13 Abs. 3 Nr. 2 genannten Dienstkräfte die Mitbestimmung (in Hamburg hat der Gesetzgeber den Verweismechanismus umgekehrt konzipiert: § 12 Abs. 2 Nr. 2 HmbPersVG schließt für den in § 88 Abs. 1 HmbPersVG im Hinblick auf die antragabhängige Mitbestimmung definierten Personenkreis die Wählbarkeit zur Personalvertretung aus). In seinem Beschluss vom 22. Juni 2005 hat der Senat die Maßgabe aufgestellt, dass diejenigen Personen, die Dienstkräfte im Sinne von § 13 Abs. 3 Nr. 2 BlnPersVG vertreten, nicht deshalb unter diese Vorschrift fallen, weil sie im Vertretungsfall dieselben Aufgaben wahrzunehmen haben (a.a.O. S. 11). Diese Maßgabe, die der Senat in nachfolgenden Entscheidungen bekräftigt hat (Beschlüsse vom 6. September 2005 - BVerwG 6 PB 12.05 - [...] Rn. 4 und vom 17. Mai 2010 - BVerwG 6 P 7.09 - Buchholz 251.6 § 65 NdsPersVG Nr. 2 Rn. 22), kann ohne weiteres auf § 88 Abs. 1 2. Alt. HmbPersVG übertragen werden.

5

a. Beide Vorschriften stimmen in ihrem textlichen Aussagegehalt weitgehend überein. Zwar bezieht § 88 Abs. 1 HmbPersVG anders als § 13 Abs. 3 Nr. 2 BlnPersVG die Entscheidungsbefugnis der Dienstkraft nicht auf "Personalangelegenheiten", sondern auf "Angelegenheiten der Dienststelle im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 bis 27 und Abs. 3". Bei letzteren handelt es sich indes überwiegend um Personalangelegenheiten, d.h. um einzelne Beschäftigte und deren Beschäftigungsverhältnis betreffende Angelegenheiten (vgl. Beschluss vom 17. Mai 2010 a.a.O. Rn. 9), und nur vereinzelt, nämlich in den Fällen des § 87 Abs. 1 Nr. 23 bis 27 HmbPersVG, um allgemeine Angelegenheiten, die sich aber wiederum auf personelle Maßnahmen beziehen. Dieser geringfügigen Abweichung ist im vorliegenden Zusammenhang ersichtlich ebenso wenig maßgebliches Gewicht beizumessen wie den weiteren Umständen, dass § 13 Abs. 3 Nr. 2 BlnPersVG anders als § 88 Abs. 1 Alt. 2 HmbPersVG eine Einschränkung in Bezug auf Personalangelegenheiten von untergeordneter Bedeutung vornimmt und dass § 88 Abs. 1 HmbPersVG die Mitbestimmung nicht kategorisch, sondern nur unter der Bedingung ausschließt, dass die betreffende Dienstkraft keinen anderslautenden Antrag stellt. Die im vorliegenden Zusammenhang in Rede stehende Frage des Einbezugs von Vertretungspersonen wird in keiner der beiden Vorschriften ausdrücklich angesprochen.

6

b. Gesetzessystematische und teleologische Gesichtspunkte gebieten kein unterschiedliches Verständnis der jeweiligen Bestimmungen.

7

aa. Der Beteiligte tritt der Übertragbarkeit der Maßgabe aus dem Beschluss vom 22. Juni 2005 (a.a.O.) unter Hinweis auf die unterschiedliche Ausgestaltung der Regelungen beider Gesetze zum Ausschluss bzw. zur Antragsabhängigkeit der Mitbestimmung hinsichtlich der weiteren Fallgruppe des Dienststellenleiters entgegen. Dem kann nicht gefolgt werden.

8

Gemäß § 88 Abs. 1 Alt. 1 HmbPersVG gilt § 87 Abs. 1 Nummern 1 bis 27 und Abs. 3 für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die nach § 8 für die Dienststelle handeln - d.h. in erster Linie die Dienststellenleiter - nur auf ihren Antrag hin. Während im Wortlaut des § 88 Abs. 1 Alt. 1 HmbPersVG der Vertreter des Dienststellenleiters nicht auftaucht, so dass sich sein Einbezug in den Anwendungsbereich der Vorschrift erst über deren Verweis auf § 8 HmbPersVG - in dem die Vertretungsmöglichkeit angesprochen wird - ergibt (Beschluss vom 28. Juni 2002 - BVerwG 6 P 1.02 - Buchholz 251.4 § 88 HmbPersVG Nr. 1 S. 4 f.), wird der Vertreter in § 13 Abs. 3 Nr. 1 BlnPersVG eigens erwähnt. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 22. Juni 2005 den letztgenannten Umstand mit herangezogen, um im Wege des Gegenschlusses zu begründen, dass hinsichtlich der Fallgruppe der Dienstkräfte mit Entscheidungsbefugnis in Personalangelegenheiten ein Einschluss von Vertretern in den Anwendungsbereich von § 13 Abs. 3 Nr. 2 BlnPersVG - in dem sie nicht erwähnt werden - ausscheidet (a.a.O. S. 11). Dieses gesetzessystematische Argument erweist sich aber auch in Bezug auf § 88 Abs. 1 HmbPersVG als tragfähig. Ob sich der Einbezug von Vertretern des Dienststellenleiters - wie bei § 13 Abs. 3 Nr. 1 BlnPersVG -unmittelbar aus dem Wortlaut der Regelungsnorm oder - wie bei § 88 Abs. 1 Alt. 1 HmbPersVG - mittelbar aus einem Verweis der Regelungsnorm auf eine andere Norm ergibt, markiert einen rein gesetzestechnischen Unterschied, der im Übrigen schon dadurch vorgezeichnet ist, dass die letztgenannte Norm sich insgesamt, d.h. auch bezüglich der Person des Dienststellenleiters selbst, mit der Vornahme eines Verweises begnügt. Entscheidend ist im vorliegenden Zusammenhang, dass beide Gesetze schon ihrem Text nach - lediglich an unterschiedlichen Orten - hinsichtlich der Fallgruppe der Dienststellenleiter den Vertreter ausdrücklich einbeziehen und insofern gleichermaßen eine Diskrepanz zur Fallgruppe der Dienstkräfte mit Entscheidungsbefugnis in Personalangelegenheiten zutage tritt.

9

bb. Den Ausschluss von Vertretungspersonen aus der Fallgruppe der Dienstkräfte mit Entscheidungsbefugnis in Personalangelegenheiten hat der Senat in seinem Beschluss vom 22. Juni 2005 im Kern darauf gestützt, dass sich deren Tätigkeit nur auf einen Teil der personalvertretungsrechtlich relevanten Angelegenheiten beziehe und sich damit maßgeblich von der Tätigkeit des ständigen Vertreters des Dienststellenleiters mit seinen umfassenden Kompetenzen unterscheide, welche ihm im Vertretungsfalles zukommen und die ihn so in eine größere Nähe zum Dienststellenleiter rücken würden (a.a.O. S. 11/12). Diese Erwägung, die auf den hierarchischen Aufbau von Dienststellen Bezug nimmt, ist im Kontext des HmbPersVG gleichermaßen stimmig. Entsprechendes gilt für die hiermit im Zusammenhang stehenden Erwägungen des Senats hinsichtlich der - bei typisierender Betrachtungsweise - anzunehmenden höheren Häufigkeit von Pflichten- und Interessenskollisionen auf Ebene des Vertreters des Dienststellenleiters (a.a.O. S. 12).

10

cc. Nichts Gegenteiliges folgt aus dem Hinweis des Antragstellers auf die im Beschluss des Senats vom 17. Mai 2010 getroffene Maßgabe, wonach es hinsichtlich der Einordnung einer Dienstkraft als Beschäftigter, der in Personalangelegenheiten der Dienststelle entscheide, nicht auf den quantitativen Umfang dieser Befugnis ankomme (a.a.O. Rn. 16). Hiermit lässt sich keine von § 13 Abs. 3 Nr. 2 BlnPersVG abweichende Auslegung von § 88 Abs. 1 Alt. 2 HmbPersVG begründen. Jenen Gesichtspunkt hat der Senat bereits bei der Auslegung der genannten Bestimmungen des Berliner Personalvertretungsgesetzes herausgestellt (vgl. Beschluss vom 22. Juni 2005 - BVerwG 6 P 2.05 -Buchholz 251.2 § 13 BlnPersVG Nr. 2 S. 4).

11

c. Zur Vermeidung von Missverständnissen wird darauf hingewiesen, dass ein Vertreter einer Dienstkraft im Sinne von § 88 Abs. 1 Alt. 2 HmbPersVG dieser Vorschrift dann unterfallen kann, wenn ihm selbst - nicht vertretungsweise, sondern dauerhaft - Entscheidungsbefugnisse in Personalangelegenheiten übertragen worden sind (vgl. Beschluss vom 22. Juni 2005 - BVerwG 6 P 8.04 -a.a.O. S. 13). Diese Möglichkeit hat ausweislich der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts im vorliegenden Fall keine Rolle gespielt.

12

2. Die vom Beteiligten erhobene Gehörsrüge greift nicht durch. Der Zulassungsgrund des § 92 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG ist nur gegeben, soweit eine geltend gemachte und vorliegende Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör für den angefochtenen Beschluss entscheidungserheblich war. Ob im vorliegenden Fall das Oberverwaltungsgericht - wie der Beteiligte meint - mit seiner Annahme, es sei gerichtsbekannt, dass der Beteiligte gelegentlich gerichtlich festgestellten mitbestimmungsrechtlichen Pflichten nicht nachzukommen gewillt sei, dessen Anspruch auf rechtliches Gehör unter dem Aspekt der Unzulässigkeit einer Überraschungsentscheidung verletzt hat, kann auf sich beruhen. Jedenfalls war diese Annahme nicht entscheidungserheblich. Das Oberverwaltungsgericht hat die Zulässigkeit der Verpflichtung des Beteiligten zur Fortsetzung des in Rede stehenden Mitbestimmungsverfahrens auch mit der Einschätzung begründet, der bisherige Verfahrensablauf lasse nicht erkennen, dass der Beteiligte ohne eine solche Verpflichtung das Mitbestimmungsverfahren fortsetzen werde; insofern hat es zwei konkrete Verhaltensumstände des Beteiligten hervorgehoben. Dass es sich hierbei um einen selbständig entscheidungstragenden Begründungsansatz handelt, wird daraus ersichtlich, dass das Oberverwaltungsgericht seine nachfolgenden Ausführungen zum Umgang des Beteiligten mit gerichtlichen Feststellungen in der Vergangenheit mit den Worten "unabhängig davon" eingeleitet hat. Sie machen kenntlich, dass aus Sicht des Oberverwaltungsgerichts der bisherige Verfahrensablauf schon für sich genommen einen hinreichenden Grund für eine Verpflichtung des Beteiligten zur Fortsetzung des Mitbestimmungsverfahrens darstellte.

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3. Auch die vom Beteiligten erhobene Divergenzrüge greift nicht durch. Der angefochtene Beschluss beruht nicht auf einer Abweichung zum Beschluss des Senats vom 15. März 1995 (BVerwG 6 P 28.93 - [...]; Parallelentscheidung vom gleichen Tage - BVerwG 6 P 31.93 - BVerwGE 98, 77 = Buchholz 251.7 § 66 NWPersVG Nr. 4). Im Einklang mit diesem Beschluss (BVerwG 6 P 28.93 a.a.O. Rn. 24) - sowie der mittlerweile fortentwickelten Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 11. Mai 2011 - BVerwG 6 P 4.10 - [...] Rn. 36) -hat das Oberverwaltungsgericht es für grundsätzlich zulässig erachtet, eine Dienststelle zur Fortsetzung eines Mitbestimmungsverfahrens gerichtlich zu verpflichten, statt lediglich eine dahingehende Feststellung zu treffen. Soweit sich der Beteiligte der Sache nach dagegen wendet, dass der angefochtene Beschluss - unausgesprochen - davon ausgeht, es sei zulässig, zusätzlich zur Auferlegung einer solchen Verpflichtung die Feststellung einer zugrunde liegenden Verletzung des Mitbestimmungsrechts einer Personalvertretung zu beantragen, legt er keine Abweichung im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG dar. Der Beschluss vom 15. März 1995 verhält sich zur Frage der Zulässigkeit einer solchen - im Übrigen unschädlichen - Antragskumulation nicht.

Neumann

Büge

Prof. Dr. Hecker

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