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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 21.12.2011, Az.: BVerwG 8 B 63.11
Voraussetzungen für die Darlegung der Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör durch das Gericht bzgl. Wiederaufbaus einer Hofstelle
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 21.12.2011
Referenz: JurionRS 2011, 32045
Aktenzeichen: BVerwG 8 B 63.11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VG Potsdam - 07.04.2011 - AZ: 1 K 2267/10

BVerwG, 21.12.2011 - BVerwG 8 B 63.11

Redaktioneller Leitsatz:

1.

Für einen Anspruch auf Urteilsergänzung nach § 120 VwGO genügt es nicht, dass einzelne mögliche Anspruchsgrundlagen für geltend gemachte Rechte nicht ausdrücklich behandelt wurden.

2.

Eine nach § 88 VwGO fehlerhafte Auslegung des Klageantrags liegt nur vor, wenn das Gericht das Klageziel unzutreffend bestimmt, und nicht schon, wenn es in der materiell-rechtlichen Beurteilung möglicher Anspruchsgrundlagen für die geltend gemachten Rechte von der Auffassung des Klägers abweicht.

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts

am 21. Dezember 2011

durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht

Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert und

die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser und Dr. Held-Daab

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 7. April 2011 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Kläger macht geltend, zum Wiederaufbau einer ehemaligen Hofstelle in G. berechtigt zu sein. Im November 1992 wurde die Rückübertragung des betreffenden Grundstücks abgelehnt, da keine schädigende Maßnahme nach § 1 VermG vorliege. Die dagegen erhobene Klage wurde rechtskräftig abgewiesen. Eine 2003 erhobene Klage wegen Enteignung des Grundstücks, wegen Ersatzansprüchen und wegen des Rechts zum Wiederaufbau nahm der Kläger im Anschluss an die von ihm beantragte Verweisung des Rechtsstreits an die Kammer für Baulandsachen zurück. Baurechtliche Verfahren, die die Genehmigung der Wiederbebauung zum Ziel hatten, blieben erfolglos. 2006 stellte der Kläger einen neuen, auf vermögens- und zivilrechtliche Vorschriften i.V.m. dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz gestützten Antrag, der mit Bescheid vom 25. Januar 2007 abgelehnt wurde. Der Widerspruchsbescheid führte ergänzend aus, es bestehe kein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens. Das Verwaltungsgericht hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

2

Die ausschließlich auf Verfahrensrügen gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Der Beschwerdebegründung sind keine Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu entnehmen, auf denen das angegriffene Urteil beruhen kann.

3

Entgegen der Auffassung des Klägers liegt kein Verstoß gegen § 117 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 VwGO vor. Diese Vorschrift verpflichtet das Gericht nur, das Urteil alsbald abzusetzen und zu begründen. Zur Begründung genügt es, die aus der Sicht des Gerichts maßgeblichen, seine Entscheidung tragenden Erwägungen niederzulegen. Das ist hier geschehen. Aus den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils geht hervor, dass die Vorinstanz die Klage in Bezug auf Ansprüche wegen des Abrisses, der Gefahrenabwehr und der Wiederbebauung abgewiesen hat, weil schon das 1994 ergangene Urteil solche Ansprüche rechtskräftig verneine und der Kläger weder ein Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens noch eine Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen gerichtlichen Verfahrens verlangen könne. Danach musste das Verwaltungsgericht mögliche Anspruchsgrundlagen für das rechtskräftig verneinte Recht auf einen Wiederaufbau, etwa den vom Kläger für einschlägig gehaltenen § 903 BGB, nicht mehr erörtern.

4

Insoweit besteht auch kein Anspruch auf Urteilsergänzung nach § 120 VwGO. Sie kommt nur in Betracht, wenn über einen Teil des Streitgegenstandes nicht entschieden wurde. Dagegen genügt nicht, dass einzelne mögliche Anspruchsgrundlagen für geltend gemachte Rechte nicht ausdrücklich behandelt wurden. Die Beschwerdebegründung lässt nicht erkennen, welche prozessualen Ansprüche trotz der weiten Formulierung des Klageantrags im Tatbestand außer Acht gelassen worden wären. Der Antrag bezieht insbesondere ausdrücklich die im Widerspruchsbescheid auf Seiten 5 und 6 genannten Ziffern 1 bis 3 ein. Die dort aufgeführten Ansprüche werden damit von der angegriffenen Entscheidung erfasst. Ob das Verwaltungsgericht die Klage auch, soweit über einzelne Ansprüche noch nicht rechtskräftig entschieden war, zu Recht abgewiesen hat, ist keine Frage der Vollständigkeit der Entscheidung, sondern eine Frage ihrer materiellen Richtigkeit. Diese kann nicht Gegenstand der Verfahrensrüge sein.

5

Der Einwand fehlerhafter Besetzung des Verwaltungsgerichts (§ 138 Nr. 1 VwGO) trifft nicht zu. Das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 21. April 2011 ging erst nach Wirksamwerden des am 7. April 2011 verkündeten Urteils bei Gericht ein. Zuvor hatte der Kläger die Besetzung des Gerichts nicht gerügt.

6

Soweit die Beschwerdebegründung eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) und des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 VwGO) geltend macht, legt sie nicht substantiiert gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dar, welche Elemente des Klägervortrags nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich gewesen, aber gleichwohl nicht berücksichtigt worden wären. Unabhängig davon ergibt sich aus dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils, dass das Gericht die über das Wiederaufbaurecht hinausgehenden angeblichen Ansprüche des Klägers geprüft und teils wegen der Rechtskraft der früheren Entscheidung, teils wegen Fehlens von Tatbestandsmerkmalen der Anspruchsnorm sowie im Übrigen mangels Passivlegitimation des Beklagten für unbegründet gehalten hat. Das Vorbringen in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen des Klägers vom 15. und 19. April 2011 war bei der Entscheidungsfindung der Vorinstanz nicht zu berücksichtigen, weil diese Schriftsätze erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung und Verkündung des Urteils abgefasst und dem Gericht übermittelt wurden.

7

Mit der Rüge, das Gericht habe die rechtliche Qualität der Klageanträge unbeachtet gelassen und die Bedeutung und Wichtung des Antrags vom 27. Juni 1990 verkannt, ist auch keine nach § 88 VwGO fehlerhafte Auslegung des Klageantrags dargetan. Sie liegt nur vor, wenn das Gericht das Klageziel unzutreffend bestimmt, und nicht schon, wenn es in der materiell-rechtlichen Beurteilung möglicher Anspruchsgrundlagen für die geltend gemachten Rechte von der Auffassung des Klägers abweicht. Ausweislich des Tatbestands des angegriffenen Urteils hat die Vorinstanz zur Kenntnis genommen, welcher Rechte der Kläger sich berühmt. Sie ist aber seiner Argumentation zur vermögens- und zivilrechtlichen Anspruchsbegründung und seiner Annahme, es liege eine staatliche, wenn auch zivilrechtlich betriebene Verwaltung vor, nicht gefolgt. Die Kritik des Klägers daran erschöpft sich in sachlich-rechtlichen Einwänden, die nicht mit der Verfahrensrüge geltend zu machen sind. Gleiches gilt für die Ausführungen zur Unwirksamkeit einer Heranziehung zu Abdeckkosten, sodass offen bleiben kann, ob zur Einbeziehung des entsprechenden Verwaltungsakts in das Klageverfahren genügte, die Kostentragungspflicht des Landkreises und das Fehlen einer Verwaltungsaktsbefugnis zu behaupten.

8

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47, 52 Abs. 2 GKG.

Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert

Dr. Hauser

Dr. Held-Daab

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