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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 13.12.2010, Az.: BVerwG 4 B 35.10
Beschwerde wegen eines Verfahrensfehlers wegen der Anerkennung einer Klageänderung als sachdienlich durch die Vorinstanz
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 13.12.2010
Referenz: JurionRS 2010, 30963
Aktenzeichen: BVerwG 4 B 35.10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VG Saarlouis - 11.07.2007 - AZ: 5 K 71/06

OVG Saarland - 17.06.2010 - AZ: 2 A 425/08

BVerwG, 13.12.2010 - BVerwG 4 B 35.10

In der Verwaltungsstreitsache
...
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Dezember 2010
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 17. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladenen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7 500 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

2

1.

Mit der Grundsatzrüge, mit der die Beigeladenen - wie sie zusammenfassend formulieren (Beschwerdebegründung S. 13) - geklärt sehen wollen, ob unter dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium eine nicht sachdienliche Klageänderung vorliege, wenden sich die Beigeladenen gegen die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, das die im Verlaufe des Rechtsmittelverfahrens vorgenommene Umstellung des Klageantrags auf die Verpflichtung des Beklagten zum Erlass einer Beseitigungsanordnung für den grenzständigen Wohnhausanbau auf dem Grundstück der Beigeladenen ungeachtet der Frage, ob eine Klageänderung vorliege (UA S. 10), in jedem Falle als sachdienlich und daher zulässig gemäß § 91 VwGO angesehen hat (UA S. 11).

3

Die Rüge genügt nicht den Darlegungsanforderungen gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Frage bezieht sich - wie bereits die "Langfassung" der Frage zeigt (Beschwerdebegründung S. 9) - auf die Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens und lässt keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf erkennen. Mit der Beschwerde wird nicht dargetan, aus welchem Grund die aufgeworfene Frage für klärungsbedürftig gehalten wird und warum ihre Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist. Vielmehr wird nach Art einer Berufungsbegründung nur gerügt, die Kläger hätten lediglich eine Nutzungsuntersagung des Flachdachs als Terrasse/Balkon und nicht die Beseitigung des Wohnhausanbaus begehrt. Der Hinweis, der Grundsatz "venire contra factum proprium" sei Bundesrecht und damit revisibel, genügt nicht zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit und geht im Übrigen an den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts vorbei, das - im Rahmen der Zulässigkeit - ausgeführt hat, die Sachdienlichkeit der Klageänderung sei auch nicht bereits wegen einer erkennbar zutage liegenden Unzulässigkeit des Verpflichtungsbegehrens in der nun von den Klägern formulierten Fassung zu verneinen und - im Rahmen der Begründetheit - ausdrücklich einen Verstoß gegen das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens verneint hat. Abgesehen davon setzen sich die Beigeladenen auch nicht mit der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts auseinander, das in Auslegung landesrechtlicher Vorschriften der Auffassung ist, dass die einschlägigen Bestimmungen der Landesbauordnung nicht zum Erlass von Baugeboten in Form einer Verpflichtung zur baulichen Änderung bestehender Anlagen ermächtigten und daher hier keinen Raum für die im erstinstanzlichen Klageantrag von den Klägern geforderte Rückbaumaßnahme hinsichtlich der von den Beigeladenen in die Giebelwand ihres Wohnhauses eingebauten Zugangstür zur Terrasse auf dem Dach des Anbaus ließen.

4

2.

Soweit die Beigeladenen als Verfahrensfehler eine Verletzung der §§ 88, 86 Abs. 3 VwGO rügen und vortragen, das Oberverwaltungsgericht sei in unzulässiger Weise über den Klageantrag hinausgegangen, verkennen sie, dass das Gericht lediglich angemerkt hat, dass bereits fraglich sei, ob in der vorgenommenen Neufassung des Klageantrags eine Änderung des Streitgegenstandes zu erblicken sei und maßgeblich darauf abgestellt hat, dass ("selbst wenn") die Umstellung des Antrags eine zulässige Klageänderung darstelle.

5

Aber auch dann, wenn der Vortrag der Beigeladenen zu § 91 VwGO im Rahmen ihrer Grundsatzrüge sinngemäß auch als Verfahrensrüge zu verstehen wäre, bliebe die Beschwerde erfolglos. Ein Verfahrensfehler haftet dem angefochtenen Urteil nicht deshalb an, weil die Vorinstanz die Klageänderung als sachdienlich angesehen hat. Die Entscheidung, ob eine Klageänderung sachdienlich ist, liegt im Ermessen der darüber entscheidenden Instanz. Das Revisionsgericht darf nur prüfen, ob das Tatsachengericht den Rechtsbegriff der Sachdienlichkeit verkannt und damit die Grenze seines Ermessens überschritten hat (Urteil vom 18. August 2005 - BVerwG 4 C 13.04 - BVerwGE 124, 132 <136>; Beschlüsse vom 25. Juni 2009 - BVerwG 9 B 20.09 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 37 Rn. 6 und vom 20. April 2000 - BVerwG 4 B 25.00 - [...] Rn. 17). Eine Klageänderung ist in der Regel als sachdienlich anzusehen, wenn sie der endgültigen Beilegung des sachlichen Streits zwischen den Beteiligten im laufenden Verfahren dient und der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt (Urteile vom 27. Februar 1970 - BVerwG 4 C 28.67 - Buchholz 310 § 91 VwGO Nr. 6 S. 5, vom 22. Februar 1980 - BVerwG 4 C 61.77 - Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 161 S. 116 und vom 18. August 2005 a.a.O.). Von diesen Grundsätzen ist das Oberverwaltungsgericht ausgegangen. Es hat darauf abgestellt, dass eine Änderung der Klage sachdienlich sei, weil die Änderung des Antrags durch die Kläger einer abschließenden Klärung der Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten hinsichtlich des Bauwerks und der rechtlichen Beziehungen der Kläger zum Beklagten mit Blick auf das von ihnen seit Jahren verlangte Tätigwerden diene. Das Verlangen auf Anordnung der Beseitigung des Anbaus sei bereits Gegenstand des Verwaltungsantrags der Kläger gewesen. Die Sachdienlichkeit sei auch nicht bereits wegen einer erkennbar zutage liegenden Unzulässigkeit des Verpflichtungsbegehrens in der nun von den Klägern formulierten Fassung zu verneinen. In dieser Begründung ist eine Verletzung des § 91 VwGO nicht zu erkennen.

6

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Dr. Bumke

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