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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 03.08.2010, Az.: BVerwG 4 B 9.10
Anwendbarkeit der Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm) auf nicht als Freiluftgaststätten gem. nach Nr. 1 S. 2 Buchst. b TA-Lärm qualifizierten Gaststätten
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 03.08.2010
Referenz: JurionRS 2010, 21944
Aktenzeichen: BVerwG 4 B 9.10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Nordrhein-Westfalen - 13.11.2009 - AZ: 7 A 146/08

Rechtsgrundlage:

Nr. 1 S. 2 Buchst. b TA-Lärm

Fundstellen:

BauR 2010, 2070-2071

BBB 2010, 53

ZfBR 2010, 696

BVerwG, 03.08.2010 - BVerwG 4 B 9.10

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Zur Beantwortung der Frage, ob der Freiluftbereich einer Gaststätte im absoluten Nahbereich zu einer Wohnnutzung einer Freiluftgaststätte im Sinne der Nr. 1 S. 2 Buchst. b TA-Lärm gleichzustellen ist und daher nicht in den Anwendungsbereich der TA-Lärm fällt, bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens.

  2. 2.

    Die Entscheidung eines Gerichts, nach der jedenfalls der Freiluftbereich einer Gaststätte, der bis auf wenige Meter an den Ruhebereich der Wohngrundstücke eines angrenzenden reinen Wohngebiets heranreicht, einer Freiluftgaststätte i.S.d. Nr. 1 S. 2 Buchst. b TA-Lärm gleichzustellen ist, weil auch in diesem Fall lärmspezifische Besonderheiten bestehen, zu deren Beurteilung sich die standardisierte Regelfallbeurteilung auf der Grundlage der TA-Lärm als unzureichend erweist, ist nicht zu beanstanden.

In der Verwaltungsstreitsache
...
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. August 2010
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Dr. Bumke
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. November 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3 750 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Beigeladene stellt zur Anwendbarkeit der TA-Lärm die Frage, ob bei einer Gaststätte, welche keine Freiluftgaststätte im Sinne der Nr. 1 Satz 2 b) TA-Lärm ist, jedoch sowohl auf einen Innen- als auch Außenbetrieb ausgerichtet ist, bei der Frage der Umwelteinwirkungen durch Geräusche einzelne Betriebsteile unterschiedlich bewertet werden und zwar dahingehend, dass zwar einerseits und grundsätzlich von der Anwendbarkeit der TA-Lärm ausgegangen wird, jedoch andererseits - in Bereichen besonderer Art - die Immissionsrichtwerte der TA-Lärm als nicht mehr ausreichend angesehen werden können.

2

Die Frage bezieht sich auf den Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts, dass es jedenfalls dann, wenn der Freiluftbereich einer Gaststätte bis auf wenige Meter an den Ruhebereich der Wohngrundstücke eines angrenzenden reinen Wohngebiets heranreicht, nicht sachgerecht sei, auch diesen Bereich der Bewertung auf der Grundlage der TA-Lärm zuzuführen (UA S. 22). Insofern greift die von der Beschwerde aufgeworfene Frage zur Anwendbarkeit der TA-Lärm auf Gaststätten, welche keine Freiluftgaststätten im Sinne der Nr. 1 Satz 2 Buchst. b) TA-Lärm sind (Beschwerdebegründung S. 2) zu weit, denn das Oberverwaltungsgericht hat im Fall gemischter Gaststätten deren Freiluftbereich entscheidungstragend nicht generell vom Anwendungsbereich der TA-Lärm ausgenommen. Das erkennt auch die Beschwerde, wie sich aus der in der Frage enthaltenen Umschreibung "- in Bereichen besonderer Art -" ergibt. Sinngemäß stellt sie die Frage, ob der Freiluftbereich einer Gaststätte im absoluten Nahbereich zu einer Wohnnutzung (UA S. 20) einer Freiluftgaststätte im Sinne der Nr. 1 Satz 2 Buchst. b) TA-Lärm gleichzustellen ist und daher nicht in den Anwendungsbereich der TA-Lärm fällt.

3

Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Die Nichtanwendbarkeit der TA-Lärm auf Freiluftgaststätten gemäß Nr. 1 Satz 2 Buchst. b) TA-Lärm wird unter anderem damit begründet, dass die durch den Betrieb dieser Anlagen verursachten Geräuscheinwirkungen, die durch das Verhalten der Gäste bestimmt werden, anhand der TA-Lärm nicht zutreffend bewertet werden können (Feldhaus/Tegeder, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Bd. 4, Stand Juni 2008, B 3.6 Rn. 16; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. 2, Stand März 2010, 3.1, Rn. 12; Pfaff, TA-Lärm, Stand 2000, III-3.2, S. 6). Dass die Ausnahmeregelung für Freiluftgaststätten auch darauf zielt, unter dem Gesichtspunkt der sozialen Bedeutung und örtlichen/regionalen Herkömmlichkeit solcher Anlagen die Zumutbarkeitsschwelle ggf. anheben zu können (BRDrucks 254/98, S. 47), ändert nichts an dem Umstand, dass die TA-Lärm wegen der besonderen Lärmsituation, die mit dem Betrieb einer Freiluftgaststätte verbunden ist, als Beurteilungsgrundlage nicht geeignet erscheint und es daher einer Beurteilung der Lärmauswirkungen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls bedarf. Dieser Befund sieht sich durch die Systematik der TA-Lärm bestätigt. Denn die TA-Lärm hat die lärmtechnischen Besonderheiten menschlichen Lärms in Freiluftgaststätten zum Anlass einer ausdrücklichen Ausnahme vom Anwendungsbereich genommen und sich gerade nicht darauf beschränkt, eine sog. "Ergänzende Prüfung im Sonderfall" nach Nr. 3.2.2 TA-Lärm anzuordnen.

4

Die Auslegung des Oberverwaltungsgerichts, dass jedenfalls der Freiluftbereich einer Gaststätte, der bis auf wenige Meter an den Ruhebereich der Wohngrundstücke eines angrenzenden reinen Wohngebiets heranreicht, einer Freiluftgaststätte i.S.d. Nr. 1 Satz 2 Buchst. b) TA-Lärm gleichzustellen ist, weil auch in diesem Fall lärmspezifische Besonderheiten bestehen, zu deren Beurteilung sich die standardisierte Regelfallbeurteilung auf der Grundlage der TA-Lärm als unzureichend erweist, orientiert sich erkennbar an Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung und ist nicht zu beanstanden. Denn auch in diesem Fall wird in ähnlicher Weise wie im Fall einer Freiluftgaststätte i.S.d. Nr. 1 Satz 2 Buchst. b) TA-Lärm, verschärft durch die räumliche Nähe eine Lärmsituation befördert, die sich durch besondere Geräuschcharakteristiken auszeichnet. Auch hier geht es um die Eigenart und Wahrnehmbarkeit des durch Menschen verursachten Lärms, dessen Zumutbarkeit ganz maßgeblich von den konkreten örtlichen Gegebenheiten abhängt.

5

Soweit die Beschwerde meint, es müsse dann aber zumindest geklärt werden, ab welcher Entfernung des Freiluftbereichs einer Gaststätte zum Wohnen die Anwendung der TA-Lärm ausschließe und darauf hinweist, das Oberverwaltungsgericht habe im Tatbestand "30 m" angegeben (Beschwerdebegründung S. 4), wird keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt. Die Beschwerde wendet sich vielmehr nur gegen die auf einer Würdigung der örtlichen Gegebenheiten beruhende Feststellung, dass die Entfernung zwischen Freiluftbereich und Ruhebereich der Wohngrundstücke "wenige Meter" betrage. An diese Sachverhaltswürdigung, mit der das Oberverwaltungsgericht erkennbar an den zuvor verwendeten Begriff "absoluter Nahbereich" anknüpft (UA S. 20), wäre der Senat bei einer revisionsgerichtlichen Überprüfung gebunden. Verfahrensrügen hat die Beigeladene nicht geltend gemacht. Im Übrigen lässt sich der räumliche Umgriff eines "absoluten Nahbereichs" nicht mathematisch-exakt in Meter-Angaben ausdrücken.

6

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Prof. Dr. Rubel
Dr. Philipp
Dr. Bumke

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