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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 21.07.2010, Az.: BVerwG 4 B 1.10
Zuordnung von Fehlern in der Sachverhaltswürdigung und Beweiswürdigung zum sachlichen Recht und Auswirkungen auf das Vorliegen eines Verfahrensmangels
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 21.07.2010
Referenz: JurionRS 2010, 21166
Aktenzeichen: BVerwG 4 B 1.10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Schleswig-Holstein - 24.09.2009 - AZ: OVG 1 LB 33/08

BVerwG, 21.07.2010 - BVerwG 4 B 1.10

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Juli 2010
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. September 2009 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Die geltend gemachten Zulassungsgründe rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.

2

1.

Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) misst die Beschwerde folgender Frage bei:

Erwachsen aus den spezifischen Aufgaben des Zwangsverwalters gemäß § 152 ZVG Beschränkungen seiner ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit? Führen die bundesrechtlich festgelegten Beschränkungen der rechtlichen Handlungsmöglichkeiten des Zwangsverwalters zu einer ordnungsrechtlich zu beachtenden beschränkten Möglichkeit seiner Inanspruchnahme? Kann er insbesondere statt des Eigentümers des von ihm zwangsverwalteten Grundstücks bzw. des Insolvenzverwalters über das Vermögen dieses Eigentümers zum (Teil-)Abriss eines auf dem Grundstück befindlichen Gebäudes verpflichtet werden?

3

Diese Frage ist nicht geeignet, das Revisionsverfahren zu eröffnen, weil ihr keine Entscheidungserheblichkeit zukommt. Die grundsätzliche ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit des Zwangsverwalters aufgrund seiner tatsächlichen Sachherrschaft, von der die Vorinstanz ausgeht (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 18. Februar 2010 - III ZR 295/09 - NVwZ 2010, 789 Rn. 47), stellt auch die Beschwerde nicht in Frage. Mit ihrer Grundsatzrüge, die sie auch mit einem angeblichen Widerspruch zu Rechtssätzen des Bundesgerichtshof begründet, thematisiert sie lediglich die Frage nach den Grenzen dieser Verantwortlichkeit, insbesondere ob sie auch Substanzeingriffe wie einen Teilabriss einschließt, der nach ihrer Ansicht die dem Zwangsverwalter durch § 152 Abs. 1 ZVG eingeräumten Befugnisse übersteigt. Diese Frage hat das Oberverwaltungsgericht allerdings nicht abschließend entschieden. Es hat die Zulässigkeit der Inanspruchnahme des Zwangsverwalters vielmehr tragend darauf gestützt, dass selbst das Fehlen einer solchen Befugnis zu Substanzeingriffen nicht zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Beseitigungsverfügung, sondern nur zu einem Vollzugshindernis führt, das durch den Erlass einer Duldungsverfügung gegenüber dem oder den insoweit Mitberechtigten ausgeräumt werden kann. Hiermit setzt sich die Beschwerde jedoch nicht auseinander.

4

2.

Als Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) macht die Beschwerde einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) geltend. Das Oberverwaltungsgericht sei bei der Beurteilung der Frage, ob der Beklagte die Adressatenauswahl auf hinreichende Ermessenserwägungen gestützt habe, von einem falschen bzw. unvollständigen Sachverhalt ausgegangen und habe wesentliches Vorbringen des Beklagten nicht berücksichtigt oder unzutreffend unterstellt. Auch diese Rüge greift nicht durch.

5

Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung, wie sie die Beschwerde geltend macht, sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel grundsätzlich nicht begründen (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 19. Oktober 1999 - BVerwG 9 B 407.99 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 11). Ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz setzt deswegen voraus, dass das Gericht Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätten aufdrängen müssen. Denn erst in diesem Fall fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts sowie für die Überprüfung seiner Entscheidung darauf, ob die Grenze einer objektiv willkürfreien Würdigung überschritten ist (Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 [BVerwG 05.07.1994 - 9 C 158/94] <208 f.> m.w.N.; Beschluss vom 18. Mai 1999 - BVerwG 7 B 11.99 - [...] Rn. 4). Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn Feststellungen des Gerichts aktenwidrig sind oder gegen Denkgesetze verstoßen. Solche Mängel macht die Beschwerde der Sache nach geltend. Sie liegen aber nicht vor.

6

Die Beschwerde meint, die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Beklagte habe den Kläger ermessensfehlerfrei als Adressat der Beseitigungsverfügung ausgewählt, beruhe auf aktenwidrigen Feststellungen, weil das Oberverwaltungsgericht in seinem Berufungszulassungsbeschluss vom 6. November 2008 dargelegt habe, dass der Beklagte im Hinblick auf die fortbestehende Haftung des Beigeladenen zu 3 als Eigentümer kein Ermessen ausgeübt und im Übrigen zu Unrecht von der Haftung des Zwangsverwalters ausgegangen sei. Das lässt aktenwidrige Feststellungen nicht erkennen (vgl. zu den Anforderungen etwa Beschluss vom 19. November 1997 - BVerwG 4 B 182.97 - Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1 m.w.N.). Bei den gegenübergestellten Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts handelt es sich zunächst um Rechtsauffassungen. Soweit ihnen ein Tatsachenkern zukommt, beruht er im Berufungszulassungsbeschluss jedenfalls auf vorläufigen Einschätzungen des Oberverwaltungsgerichts, deren Wahrheitsgehalt sich im Laufe des Berufungsverfahrens erst erweisen muss und an die das Gericht deswegen nicht gebunden sein kann.

7

Aktenwidrig ist die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Beklagte sei sich seines Ermessensspielraums hinsichtlich der Adressatenauswahl bewusst gewesen, entgegen der Auffassung der Beschwerde auch nicht deswegen, weil der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nach dem Inhalt des Protokolls (GA Bl. 94) ausgesagt hat, "dass seiner Auffassung nach allein der Kläger als Verfügungsadressat in Betracht komme. Ein Ermessen in Bezug auf eine Adressatenauswahl gebe es insoweit nicht." Einen "zweifelsfreien" Widerspruch, der so offensichtlich ist, dass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht bedarf, legt die Beschwerde damit nicht dar. Das Oberverwaltungsgericht hat vielmehr nachvollziehbar und ohne weiteres vertretbar dargelegt, dass aus der Aussage nicht auf einen Ermessensausfall geschlossen werde könne, weil der Beklagtenvertreter den Bescheid in der mündlichen Verhandlung nicht begründet, sondern verteidigt habe. Ein "zweifelsfreier" Rückschluss auf einen Ermessensausfall der Behörde zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung lässt sich daraus jedenfalls nicht ziehen. Insofern greift auch der Einwand der Beschwerde, die Annahme des Oberverwaltungsgerichts verstoße gegen Denkgesetze, nicht durch. Die Kritik des Klägers erweist sich vielmehr als bloßer Angriff gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung der Vorinstanz, der eine Zulassung der Revision nicht begründen kann.

8

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Prof. Dr. Rubel
Dr. Jannasch
Dr. Bumke

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