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Bundesverwaltungsgericht
Urt. v. 04.09.2009, Az.: BVerwG 2 WD 17.08
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 04.09.2009
Referenz: JurionRS 2009, 44953
Aktenzeichen: BVerwG 2 WD 17.08
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

TGD Süd - 08.05.2008 - AZ: S 4 VL 1/08

Fundstellen:

BVerwGE 134, 379 - 388

DÖV 2010, 282

NVwZ-RR 2010, 531

PersV 2010, 278

ZBR 2010, 176-177

BVerwG, 04.09.2009 - BVerwG 2 WD 17.08

Tenor:

  1.  

    Die Berufung des Soldaten gegen das Urteil der 4. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 8. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

  2.  

    Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Soldaten auferlegt.

Gründe

I

1

Der 47 Jahre alte Soldat trat aufgrund seiner Bewerbung für den freiwilligen Dienst am 1. Oktober 1980 in die Bundeswehr ein und wurde zunächst in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Mit Urkunde vom 20. Juni 1988, ausgehändigt am 1. Juli 1988, wurde ihm die Eigenschaft eines Berufssoldaten verliehen. Seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit Ablauf des 31. August 2016 enden.

2

Der Soldat wurde regelmäßig befördert, zuletzt mit Urkunde vom 15. Juli 2003, ausgehändigt am 10. Oktober 2003, zum Oberstabsfeldwebel. Nach mehreren Vorverwendungen bei anderen Truppenteilen erfolgte mit Wirkung vom 1. April 2003 seine Versetzung vom Transportbataillon ... in D. zur Stabskompanie des Heeres...kommandos in K. Mit Verfügung der Stammdienststelle des Heeres vom 28. November 2006 wurde der Soldat, nachdem er sich bereits im Jahre 2005 aus persönlichen Gründen wegen der Betreuungsbedürftigkeit seiner Eltern auf einen Dienstposten beim Sanitätskommando ... in D. beworben hatte, zunächst vom 13. bis 24. November 2006 zu einem Verwendungslehrgang für Sanitätsfeldwebel an die ...akademie der Bundeswehr in M. kommandiert, den er erfolgreich abschloss. Nach seinem Wechsel in die Laufbahn der Sanitätsfeldwebel wurde er vom 18. bis 29. Juni 2007 und mit weiterer Verfügung für die Zeit vom 2. bis 31. Juli 2007 zum Sanitätskommando ... nach D. kommandiert und schließlich mit Wirkung zum 1. August 2007 dorthin versetzt. Er wird seitdem dort in der ...-Abteilung eingesetzt.

3

Der Zentralregisterauszug vom 15. Juni 2009 weist keine Eintragungen auf. Ausweislich des Auszugs aus dem Disziplinarbuch des Sanitätskommandos D. vom 9. Juni 2009 erhielt der Soldat am 4. Juni 1981 eine förmliche Anerkennung durch den Kompaniechef der .../Panzerbataillon ... In Anerkennung seiner "dauerhaft herausragenden Gesamtleistungen" wurde gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 BBesG vom 1. Oktober 2002 an eine Leistungsstufe festgesetzt. Am 17. Oktober 2008 erhielt der Soldaten eine Leistungsprämie in Höhe 1 400 € als Einmalzahlung.

4

Laut Auskunft der Wehrbereichsverwaltung - Gebührniswesen - vom 22. Juli 2008 erhielt der Soldat für den Monat Juli 2008 Bruttobezüge nach der Besoldungsgruppe A 9, Dienstaltersstufe 10, in Höhe von 3 206,20 €. Tatsächlich ausbezahlt wurden ihm einschließlich Kindergeld 3 111,64 €.

5

Der Soldat ist verheiratet und hat zwei Kinder.

II

6

In dem durch Verfügung des Befehlshabers Heere...kommando vom 25. Juli 2007 eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren wurden dem Soldaten mit der ihm am 30. Januar 2008 ausgehändigten Anschuldigungsschrift vom 15. Januar 2008 folgende schuldhafte Verletzungen seiner Dienstpflichten zur Last gelegt:

"1. Der Soldat blieb am 23.02., 29.03. und 07.04.2005 seinem Dienst in der ...-Abteilung des Stabes Heeres...kommando in K., ..., fern, obwohl er hierfür weder die Genehmigung seines nächsten Disziplinarvorgesetzten, des Kompaniechefs Stabskompanie Heeres...kommando, hatte noch ansonsten berechtigt oder entschuldigt war, was ihm zumindest hätte bekannt sein können und müssen.

2. Der Soldat blieb am 26.05., 02.06. und 25.08.2006 seinem Dienst in der ...-Abteilung des Stabes Heeres...kommando in K., ..., fern, obwohl er hierfür weder die Genehmigung durch seinen nächsten Disziplinarvorgesetzten, den Kompaniechef Stabskompanie Heeres...kommando, hatte noch ansonsten berechtigt oder entschuldigt war, was ihm zumindest hätte bekannt sein können und müssen.

3. Der Soldat blieb am 22.09.2006 seinem Dienst in der ...-Abteilung des Stabes Heeres...kommando in K., ..., fern, obwohl er hierfür weder die Genehmigung seines nächsten Disziplinarvorgesetzten, des Kompaniechefs Stabskompanie Heeres...kommando, noch des Dezernatsleiters ‚Truppendienstliche Personalangelegenheiten‘ in der ...-Abteilung des Stabes Heeres...kommando hatte, noch ansonsten berechtigt oder entschuldigt war, was ihm jeweils zumindest hätte bekannt sein können und müssen.

4. Zuvor nahm er am 21.09.2006 um 06:28 Uhr oder 06:29 Uhr in dem im Gebäude ... der ...-Kaserne in K., ..., befindlichen Zeiterfassungsterminal die Buchung ‚Fehlzeit Urlaub‘ (beginnend mit dem 22.09.2006) vor, obwohl er - wie er wusste, zumindest aber hätte wissen können und müssen - weder Urlaub für den Folgetag beantragt noch genehmigt erhalten hatte."

Durch sein Verhalten habe der Soldat die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt,

  • der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen (Anschuldigungspunkte 1 bis 3),

  • in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen (Anschuldigungspunkt 4),

  • sowie durch sein Verhalten der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert (Anschuldigungspunkte 1 bis 4),

wobei er jeweils als Vorgesetzter in Haltung und Pflichterfüllung ein schlechtes Beispiel gegeben habe (Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Soldatengesetz i.V.m. §§ 7  1. Alternative, 13 Abs. 1, 17 Abs. 2 Satz 1 2. und 3. Variante SG unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SG ).

7

Mit Urteil vom 8. Mai 2008 hat die ... Kammer des Truppendienstgerichts ... den Dienstgrad des Soldaten in den eines Stabsfeldwebels herabgesetzt, wobei die Wiederbeförderungsfrist auf zwei Jahre verkürzt wurde. Sie hat dabei den Soldaten von den Anschuldigungspunkten 3 und 4 sowie von dem Vorwurf im Anschuldigungspunkt 2 freigestellt, am 26. Mai 2006 seinem Dienst unerlaubt ferngeblieben zu sein. Im Übrigen hat die Kammer den dem Soldaten im verfügenden Teil der Anschuldigungsschrift in den Anschuldigungspunkten 1 und 2 vorgeworfenen Sachverhalt als zutreffend festgestellt. Der Soldat habe durch sein Verhalten gegen seine dienstlichen Pflichten verstoßen, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen ( § 7  1. Alternative SG) und durch sein Verhalten der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert ( § 17 Abs. 2 Satz 1, 2. und 3. Alternative SG). Der Soldat habe damit ein Dienstvergehen im Sinne des § 23 Abs. 1 SG begangen, wobei er als Vorgesetzter unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SG gehandelt habe. Im Übrigen wird auf die Urteilsgründe Bezug genommen.

8

Gegen das dem Soldaten am 11. Juni 2008 zugestellte Urteil hat sein Verteidiger mit Berufungsschrift vom 4. Juli 2008, eingegangen beim Bundesverwaltungsgericht am 10. Juli 2008, unbeschränkte Berufung eingelegt.

9

Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen:

Der Soldat verlange seine vollständige Freistellung von allen in den vier Anschuldigungspunkten erhobenen Vorwürfen. Der Befehlshaber Heeres...kommando sei wegen seiner, des Soldaten, Kommandierung und Versetzung zum Sanitätskommando ... nach D. zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens nicht mehr die zuständige Einleitungsbehörde gewesen, so dass es an einer wirksamen Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens fehle. Zudem sei die Besetzung der ... Kammer des Truppendienstgerichts ... mit zwei Angehörigen des Sanitätsdienstes als ehrenamtlichen Richtern im Hauptverhandlungstermin am 8. Mai 2008 fehlerhaft gewesen. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass der Soldat seit Diensteintritt bis zum 30. Juni 2007 der Teilstreitkraft Heer angehört habe. Er sei weder vorsätzlich noch fahrlässig unentschuldigt oder unberechtigt dem Dienst ferngeblieben. Das Truppendienstgericht ... habe zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass er nach erfolgter Befürwortung seines jeweils beantragten Erholungsurlaubs für den 23. Februar 2005, den 29. März 2005 sowie den 7. April 2005 (Punkt 1 der Anschuldigungsschrift) durch den stellvertretenden Dezernatsleiter, den Zeugen Oberstleutnant C., habe davon ausgehen dürfen, dass die auf dem üblichen Dienstweg zum Disziplinarvorgesetzten gelangten Urlaubsanträge genehmigt würden und daher ein die Genehmigung bestätigender "Rückläufer" nicht habe abgewartet werden müssen. Dies sei eine Praxis, wie sie in vielen Truppenteilen, insbesondere in größeren Einheiten, Stäben und Kommandobehörden, gepflegt werde.

Im Dienstalltag sei es auch in seiner Einheit so gut wie noch nie zu einer dienstlichen Bekanntgabe eines genehmigten Urlaubsantrages und einer entsprechenden Eintragung auf dem Urlaubsantrag gekommen. Es sei ihm zudem unerklärlich, weshalb seine Anträge offenbar nicht der Kompanieführung zur Genehmigung vorgelegt und durch den Urlaubssachbearbeiter der Stabskompanie nicht bearbeitet worden seien sollten. Er habe keine Veranlassung gehabt, sich auf Kosten des Dienstherrn Urlaub zu erschleichen. Eine derartige Annahme widerspreche sämtlichen dienstlichen Zeugnissen über seine Beflissenheit, Korrektheit und Gründlichkeit bei der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben. Zudem habe sein Gleitzeitkonto ständig Überstunden ausgewiesen. Dementsprechend habe er auch hinsichtlich der von den Anschuldigungspunkten 1 und 2 erfassten Fehltage, für die er in der 1. Instanz wegen ungenehmigten Fernbleibens vom Dienst verurteilt worden sei, jeweils korrekt entweder Erholungsurlaub, Dienstzeitausgleich oder Zeitkontenausgleich beantragt. Auch die Tatsache, dass er, der Soldat, es geschafft habe, den gegen ihn ursprünglich erhobenen Vorwurf, an 26 Tagen in 2005 und 2006 unerlaubt dem Dienst ferngeblieben zu sein, für jedenfalls 19 angebliche Fehltage auszuräumen, belege seine Sorgfalt und Glaubwürdigkeit. Für die verbliebenen Beweisschwierigkeiten trügen die zuständigen Vorgesetzten eine Mitverantwortung, da ihm Vorhaltungen wegen angeblicher Fehltage erst mit großer zeitlicher Verzögerung gemacht worden seien. Dass es nicht mehr möglich sei, in allen Fällen Genehmigungsvermerke von Disziplinarvorgesetzten vorzulegen, begründe kein Verschulden des Soldaten. Im Zweifel gelte auch im Disziplinarrecht der Grundsatz "in dubio pro reo".

10

Soweit der Senat gleichwohl ein Dienstvergehen feststellen sollte, müsse die Abwägung hinsichtlich der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu einer wesentlich abgemilderten Disziplinarmaßnahme führen. Im vorliegenden Fall sei jedenfalls keine reinigende Maßnahme als verwirkt anzusehen. Der vom Senat in seiner ständigen Rechtsprechung anerkannte Tatmilderungsgrund einer persönlichkeitsfremden Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten sei gegeben. Ferner spreche für ihn, den Soldaten, dass er dienstlich gut beurteilt, disziplinar- und strafrechtlich nicht vorbelastet sei sowie mehrere Auszeichnungen und Geldprämien erhalten habe. Bei seinen Beweggründen sei zu berücksichtigen, dass er mit der jeweiligen Einreichung des vom Dezernatsleiter befürworteten Urlaubsantrages habe davon ausgehen dürfen, die Urlaubsgenehmigung sei bzw. werde erteilt. Zudem würde ihn eine Herabsetzung im Dienstgrad unverhältnismäßig hart treffen. Abgesehen vom finanziellen Verlust sei dann eine Weiterverwendung auf seinem jetzigen Dienstposten im Sanitätskommando ... in D. nach Aussage der Stammdienststelle der Bundeswehr mit einem niedrigeren Dienstgrad nicht mehr möglich. Eine Versetzung an einen entfernten Standort im herabgesetzten Dienstgrad stelle eine persönliche Härte für ihn dar, da er in D. seine schwerbehinderten Eltern pflegen müsse.

III

11

1. Die Berufung des Soldaten ist zulässig. Sie ist statthaft, ihre Förmlichkeiten sind gewahrt ( § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 WDO ). Da sie unbeschränkt eingelegt worden ist, hat der Senat im Rahmen der Anschuldigung eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und auf dieser Grundlage über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden, wobei er an das Verschlechterungsverbot ( § 331 Abs. 1 StPO i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO ) gebunden ist.

12

Entgegen der Auffassung der Verteidigung liegt kein schwerer Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens im Sinne des § 121 Abs. 2 WDO vor, der für den Senat hätte Veranlassung geben können, die angefochtene Entscheidung der Truppendienstkammer aufzuheben und das Verfahren an eine andere Kammer des Truppendienstgerichts oder an ein anderes Truppendienstgericht zurückzuverweisen (vgl. dazu u.a. Beschlüsse vom 11. Mai 2006 - BVerwG 2 WD 25.05 - Buchholz 11 Art. 101 GG Nr. 22 = juris Rn. 15 und vom 19. August 2009 - BVerwG 2 WD 31.08 - juris Rn. 13 m.w.N.).

13

Die von der Verteidigung mit der Berufung erhobene Rüge einer fehlerhaften Besetzung der ... Kammer des Truppendienstgerichts ... in der Hauptverhandlung am 8. Mai 2008 ist nach den vom Senat getroffenen Feststellungen (zu den Folgen einer unrichtigen Besetzung der erstinstanzlichen Richterbank vgl. u.a. Urteil vom 9. Februar 1983 - BVerwG 2 WD 19.82 - BVerwGE 76, 63 [BVerwG 09.02.1983 - 2 WD 19/82] <64> m.w.N.; Beschluss vom 11. Mai 2006 - BVerwG 2 WD 25.05 - a.a.O.) unbegründet.

14

Die in einem gerichtlichen Disziplinarverfahren in der zuständigen Kammer des Truppendienstgerichts mitwirkenden ehrenamtlichen Richter sollen nach § 75 Abs. 3 Satz 1 WDO der Teilstreitkraft des (angeschuldigten) Soldaten angehören. Das Gesetz stellt für diese Zugehörigkeit dabei nicht auf den Tatzeitpunkt, sondern auf den Zeitpunkt der Hauptverhandlung ab (vgl. Urteil vom 9. Februar 1983 - BVerwG 2 WD 19.82 - a.a.O. S. 63). Trotz der im Gesetzeswortlaut verwendeten Formulierung ("sollen") handelt es sich bei dieser Regelung nicht um eine bloße Ordnungsvorschrift. "Soll"-Vorschriften sind im öffentlichen Recht für die mit ihrer Durchführung betrauten öffentlichen Stellen rechtlich zwingend und verpflichten sie, grundsätzlich so zu verfahren, wie es im Gesetz bestimmt ist. Im Regelfall bedeutet das "Soll" ein "Muss". Im vorliegenden Regelungszusammenhang und nach dem Zweck der Vorschrift kommt eine Ausnahme von der in § 75 Abs. 3 Satz 1 WDO normierten gesetzlichen Vorgabe nicht in Betracht (vgl. Beschluss vom 11. Mai 2006 - BVerwG 2 WD 25.05 - a.a.O. Rn. 7 <zu § 75 Abs. 3 S. 3 WDO >; Dau, WDO, 5. Aufl. 2009, § 75 Rn. 10 m.w.N.).

15

Da der Soldat (zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor der Truppendienstkammer) Angehöriger der Teilstreitkraft Heer war, musste dies damit auch für die ehrenamtlichen Richter(innen) gelten. Das war hier der Fall.

16

An der Sitzung der Truppendienstkammer am 8. Mai 2008 haben zwei ehrenamtliche Richterinnen der Teilstreitkraft Heer mitgewirkt und zwar Frau Oberstabsarzt Dr. H. als Stabsoffizier und Frau Hauptfeldwebel Sch., sodass den Anforderungen des § 75 Abs. 3 Satz 1 WDO damit genügt war.

17

Der Umstand, dass beide ehrenamtliche Richterinnen Angehörige des militärischen Organisationsbereiches "Zentraler Sanitätsdienst" waren, ändert nichts an ihrer Zugehörigkeit zur Teilstreitkraft "Heer". Denn beide ehrenamtliche Richterinnen waren nach den vom Senat getroffenen Feststellungen zu diesem Zeitpunkt Heeresuniformträgerinnen. Das hat auch die Verteidigung in der Berufungshauptverhandlung nicht in Zweifel gezogen.

18

Der im Zuge der Bundeswehrreform im Jahre 2000 geschaffene Zentrale Sanitätsdienst der Bundeswehr ist keine eigenständige Teilstreitkraft im Sinne des § 75 Abs. 3 WDO, sondern nimmt als militärischer Organisationsbereich Querschnittsaufgaben für Heer, Luftwaffe, Marine und Streitkräftebasis wahr. Die Soldaten des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr tragen weiterhin die Uniformen der Teilstreitkräfte, aus denen ihre Einheiten ausgegliedert und in den Zentralen Sanitätsdienst überführt wurden. Dementsprechend wurde im Hinblick auf die auf die Zugehörigkeit zu Teilstreitkräften abstellenden Dienstvorschriften (z. B. für die Trageweise luftwaffenspezifischer Uniformteile) durch entsprechende Anordnung des Bundesministers der Verteidigung der Begriff des "Uniformträgers Heer/Luftwaffe/Marine" geschaffen (vgl. dazu ZDv 1/50 Nr. 103 und Anlage 3). Die Zugehörigkeit zu der Teilstreitkraft im Sinne des § 75 Abs. 3 Satz 1 WDO richtet sich bei Angehörigen der beiden militärischen Organisationsbereiche der Streitkräfte "Streitkräftebasis" und "Zentraler Sanitätsdienst" danach, welchem Uniformträgerbereich sie zuzuordnen sind.

19

2. Die Berufung des Soldaten ist nicht begründet. Die Truppendienstkammer hat den Dienstgrad des Soldaten zu Recht in denjenigen eines Stabsfeldwebels herabgesetzt und die Frist für eine Wiederbeförderung auf zwei Jahre verkürzt.

20

a) Gegen die Rechtmäßigkeit der Einleitungsverfügung bestehen keine durch-gR.enden Bedenken. Das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen den Soldaten ist entgegen der Auffassung der Verteidigung wirksam eingeleitet worden.

21

Der Befehlshaber Heeres...kommando war für den Erlass der Einleitungsverfügung ( § 93 Abs. 1 Satz 1 WDO ) zuständig. Denn über die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens entscheidet gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 WDO die Einleitungsbehörde, der der Soldat im Zeitpunkt der Einleitung untersteht. Die die Zuständigkeit der Einleitungsbehörde begründende Unterstellung wird grundsätzlich nur durch die Versetzung begründet, nicht durch eine Kommandierung. Eine Kommandierung berührt eine nach § 94 Abs. 3 Satz 1 WDO begründete Zuständigkeit der Einleitungsbehörde nicht, was in § 94 Abs. 3 Satz 2 WDO ausdrücklich klargestellt ist. Für die weitere Durchführung des Verfahrens ist es auch ohne Bedeutung, wenn der Soldat nach Zustellung der Einleitungsverfügung versetzt wird (vgl. Dau, a.a.O. § 94 Rn. 17 m.w.N.).

22

Als die Einleitungsverfügung vom 25. Juli 2007 dem Soldaten mittels Postzustellungsurkunde am 27. Juli 2007 nach —§ 182 Abs. 1 i.V.m. § 180 ZPO durch Einlegen in den zur Wohnung des Soldaten gehörenden Briefkasten zugestellt wurde - Einwände gegen die Zustellung hat der anwaltlich vertretene Soldat nicht erhoben -, gehörte er (noch) zum Zuständigkeitsbereich des Heeres...kommandos, zu dessen Stabskompanie er mit Wirkung vom 1. April 2003 versetzt worden war. Der Soldat wurde zwar nach seinem Wechsel in die Laufbahn der Sanitätsfeldwebel vom 18. bis 29. Juni 2007 und vom 2. bis 31. Juli 2007 zum Sanitätskommando ... nach D. kommandiert und schließlich auch mit Wirkung vom 1. August 2007 dorthin versetzt. Das änderte aber nichts an der Zuständigkeit des Befehlshabers als Einleitungsbehörde für das Heeres-...kommando zum hier allein maßgeblichen Zeitpunkt des 27. Juli 2007.

23

b) Auch gegen die vor Ergehen der Einleitungsverfügung nach Maßgabe des § 27 Abs. 2 SBG - sofern der betroffene Soldat nicht widerspricht - erforderliche Anhörung der zuständigen Vertrauensperson zur Person des Soldaten und zum Sachverhalt bestehen keine durchgR.enden rechtlichen Bedenken.

24

Anzuhören ist die Vertrauensperson, die dafür im Zeitpunkt der Entscheidung über die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens zuständig ist, und zwar unabhängig davon, wer Vertrauensperson war, als das Dienstvergehen begangen wurde. Eine ausdrückliche Regelung, die festlegt, ob sich die Zuständigkeit der Vertrauensperson nach der Stammeinheit im Bereich der (bisher) zuständigen Einleitungsbehörde oder bereits nach der Einheit richtet, zu der der Soldat im Zeitpunkt des Ergehens der Einleitungsverfügung kommandiert ist, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. § 3 Abs. 1 Satz 2 SBG regelt nur die Wahlberechtigung, die bereits dann begründet wird, wenn der Zeitraum der Kommandierung "voraussichtlich länger als drei Monate dauert".

25

Im vorliegenden Fall hat der Senat offen lassen können, ob für die Anhörung die Vertrauensperson der Unteroffiziere für den Bereich des Heeres...kommandos in K. oder wegen der zum Zeitpunkt der Anhörung bereits zuvor aufgrund der Verfügung vom 5. April 2007 mit Wirkung ab 2. Juli 2007 erfolgten Wegkommandierung und ab 1. August 2007 vorgesehenen Versetzung des Soldaten diejenige für den Bereich des Sanitätskommandos ... in D. zuständig war.

26

Sofern für den Soldaten bis zu seiner mit Wirkung ab 1. August 2007 erfolgten Versetzung nach D. weiterhin die Vertrauensperson der Unteroffiziere beim Heeres...kommando in K., nämlich Oberstabsfeldwebel K., zuständig war, ist diese Anhörung am 27. Juni 2007 erfolgt. Eine schriftliche Stellungnahme der Vertrauensperson liegt vor.

27

Sofern nicht mehr die Vertrauensperson der Unteroffiziere beim Heeres...kommando, sondern wegen der ab 2. Juli 2007 erfolgten Wegkommandierung und der sich daran anschließenden Versetzung bereits die Vertrauensperson für den Bereich des Sanitätskommandos ... zuständig gewesen sein sollte, läge vorliegend dennoch kein Anhörungsfehler vor. Denn der Soldat hatte einer Anhörung dieser Vertrauensperson widersprochen. Er hatte am 19. Juni 2007 gegenüber der zuständigen Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Heeres...kommandos ausdrücklich erklärt, er bitte "um Anhörung der VP-Uffz Stabskompanie H...Kdo!". Diese in die Form einer Bitte gekleidete Erklärung konnte ungeachtet der gewählten Formulierung der Sache nach - maßgebend ist der objektive Empfängerhorizont - nur dahin verstanden und ausgelegt werden, dass er eine Anhörung der für den Bereich des Sanitätskommandos ... zuständigen Vertrauensperson gerade nicht wünschte, also mit einer solchen nicht einverstanden war. Maßgebend dafür war für ihn offenkundig der Umstand, dass diese Vertrauensperson (noch) über keine näheren Kenntnisse zu seiner Person und der Hintergründe der gegen ihn erhobenen Vorwürfe, die im Heeres...kommando in K., nicht aber im Sanitätskommando ... in D. entstandene Vorgänge betrafen, verfügen konnte. Das kommt in dem entsprechenden, aufgrund seiner Erklärung gefertigten Vermerk der Wehrdisziplinaranwaltschaft vom selben Tag unmissverständlich zum Ausdruck, in dem es heißt: "Der Soldat will keine Anhörung der Vertrauensperson in D., da ihn diese gar nicht kennt." Dieser Auslegung seiner Erklärung ist der anwaltlich vertretene Soldat auch im weiteren Verlauf des Verfahrens, in dem er wiederholt Einsicht in die Verfahrensakten nahm bzw. nehmen ließ, nicht entgegen getreten. Eine Anhörung dieser Vertrauensperson beim Sanitätskommando ... in D. nach § 27 Abs. 2 SBG schied angesichts dessen in jedem Falle aus.

28

Die erfolgte Anhörung der Vertrauensperson Unteroffiziere beim Heeres...kommando vom 27. Juni 2007 war auch nicht aus anderen Gründen rechtsunwirksam.

29

Gemäß § 20 Satz 1 und 2 SBG wurde diese Vertrauensperson rechtzeitig und umfassend über den Anhörungsgegenstand unterrichtet und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Befehlshaber Heeres...kommando forderte die Vertrauensperson der Unteroffiziere Stab/Stabskompanie Heeres...kommando am 19. Juni 2007 - unter Übersendung des Entwurfs der Einleitungsverfügung und der Akten - schriftlich auf, zur Person des Soldaten und zum Sachverhalt Stellung zu nehmen. Der Rechtmäßigkeit dieser Verfahrensweise steht insbesondere nicht entgegen, dass diese Aufforderung bereits vier Wochen vor der Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens erfolgte und dass damit von der in Nr. 236 Abs. 3 der ZDv 10/2 enthaltenen Regelfrist von zwei Wochen abgewichen wurde. Mit dieser Fristangabe ("zeitnah, im Regelfall innerhalb von zwei Wochen") soll lediglich sichergestellt werden, dass die Vertrauensperson vor Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens über alle für die Einleitung wesentlichen Umstände rechtzeitig in Kenntnis gesetzt und somit in die Lage versetzt wird, eine fundierte Stellungnahme abgeben zu können. Diesem Zweck wird jedenfalls auch dann entsprochen, wenn bei einer mehr als zwei Wochen zuvor erfolgten Anhörung der Vertrauensperson danach bis zum Ergehen der Einleitungsverfügung keine für die Einleitung entscheidenden tatsächlichen Veränderungen der Umstände eintreten, die für die Stellungnahme der Vertrauensperson von Bedeutung sein könnten. Gegebenenfalls müssten diese der Vertrauensperson nachträglich noch mitgeteilt werden, um ihr die Möglichkeit zu verschaffen, ihre Stellungnahme zu aktualisieren und zu ergänzen. Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich und auch vom - anwaltlich vertretenen - Soldaten nicht vorgebracht worden. Der der Vertrauensperson ausgehändigte Entwurf der Einleitungsverfügung ist mit deren später ergangenen Endfassung inhaltlich identisch und enthält keine neuen Umstände, so dass sich daraus keine Anhaltspunkte für eine zwischenzeitlich veränderte Rechts- und Sachlage ergeben, die eine erneute Anhörung notwendig gemacht hätten.

30

Allerdings ist die Stellungnahme der Vertrauensperson vom 27. Juni 2007 nicht gemäß § 20 Satz 3 SBG von der anhörenden Stelle mit der Vertrauensperson erörtert worden. Denn "erörtern" bedeutet einen wechselseitigen Informations- und Meinungsaustausch, der grundsätzlich mündlich in einem Gespräch zwischen der Vertrauensperson und der anhörenden Stelle zu erfolgen hat (vgl. Beschluss vom 17. Februar 2009 - BVerwG 1 WB 37.08 - NVwZ-RR 2009, 642 = PersV 2009, 296; Gronimus, Die Beteiligungsrechte der Vertrauenspersonen in der Bundeswehr, 6. Aufl. 2009, § 20 SBG Rn. 22). Davon geht auch Nr. 229 Abs. 1 ZDv 10/2 aus, wonach Anhörung und Erörterung "in der Regel im Rahmen eines Gespräches erfolgen". Davon kann nur unter besonderen Umständen oder mit Zustimmung der Vertrauensperson abgewichen werden (vgl. Beschluss vom 17. Februar 2009 - BVerwG 1 WB 37.08 - a.a.O.). Ungeachtet dessen ist die Einleitungsverfügung jedoch nicht rechtsunwirksam (vgl. auch Beschlüsse vom 8. Januar 1992 - BVerwG 2 WDB 17.91 - BVerwGE 93, 222 [BVerwG 08.01.1992 - BVerwG 2 WDB 17.91] = NZWehrr 1992, 74 und vom 22. März 1989 - BVerwG 1 DB 30.88 - BVerwGE 86, 140 [BVerwG 22.03.1989 - BVerwG 1 DB 30.88]). Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Anhörungsmangel im Wege einer nachfolgenden Anhörung der Vertrauensperson (spätestens) durch das Truppendienstgericht geheilt werden (vgl. u.a. Urteile vom 26. April 2001 - BVerwG 2 WD 47.00 - und vom 19. Februar 2004 - BVerwG 2 WD 14.03 -<insoweit nicht veröffentlicht in BVerwGE 120, 166 = Buchholz 235.01 § 38 WDO  2002 Nr. 16 = NZWehrr 2004, 209> m.w.N. sowie Beschluss vom 8. Januar 1992 - BVerwG 2 WDB 17.91 - a.a.O.). Das ist vorliegend der Sache nach geschehen. Der Zeuge K., der seinerzeit Vertrauensperson der Unteroffiziere beim Heeres...kommando war und hierauf auch in der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht hingewiesen hat, ist von diesem zu den Vorgängen vernommen worden, die auch Gegenstand der Anhörung nach § 27 Abs. 2 SBG waren. Die ausführliche schriftliche Stellungnahme der Vertrauensperson vom 27. Juni 2007 lag zudem sowohl der Einleitungsbehörde als auch dem Truppendienstgericht vor. Es ist nicht ersichtlich, dass es aufgrund des unterbliebenen und auch von der Vertrauensperson nicht ausdrücklich verlangten Erörterungsgesprächs zu tatsächlichen oder rechtlichen Fehleinschätzungen durch die Einleitungsbehörde gekommen ist oder hätte kommen können. Gegenteiliges haben weder der Soldat und sein Verteidiger noch die Vertrauensperson in der Berufungshauptverhandlung geltend gemacht.

31

c) Entgegen der Auffassung der Verteidigung war auch die nach § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO vor der Einleitung erforderliche Anhörung des Soldaten nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil dem Soldaten bereits vor Anhörung der Vertrauensperson ein Entwurf der Einleitungsverfügung ausgehändigt wurde. Denn damit hatte die Einleitungsbehörde weder zum Ausdruck gebracht, dass sie in jedem Falle - ungeachtet der im Rahmen der Anhörung unter Umständen erfolgenden Einlassung des Soldaten - an der beabsichtigten Einleitungsentscheidung festzuhalten gedachte, noch gab sie damit kund, dass sie eine Stellungnahme des Soldaten bereits im vorhinein aus anderen Gründen für unbeachtlich hielt. Die Bekanntgabe des Entwurfs der beabsichtigen Einleitungsverfügung diente ersichtlich allein dazu, den aktuellen Sachstand zu dokumentieren, den Anhörungsgegenstand zu definieren und dem Anzuhörenden zur Kenntnis zu bringen. Es war dann Sache des Anzuhörenden, die eingeräumte Möglichkeit einer Stellungnahme in der ihm geboten erscheinenden Weise zu nutzen. Auf der Grundlage der Stellungnahme des Soldaten und ggf. der Vertrauensperson hatte anschließend die Einleitungsbehörde zu entscheiden, in welcher Weise sie diese - von ihr zur Kenntnis zu nehmende(n) und in ihre Erwägungen einzubeziehende(n) - Äußerung(en) bei der Einleitungsentscheidung berücksichtigte.

32

d) Der Senat hat aufgrund der Einlassungen des Soldaten, soweit ihnen gefolgt werden konnte, der gemäß § 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 StPO zum Gegenstand der Berufungshauptverhandlung gemachten Urkunden und Schriftstücke sowie der Bekundungen der in der Berufungshauptverhandlung vernommenen Zeugen Major ... S., Major ... Sch., Oberstleutnant ... H., Oberstleutnant ... C., Oberstleutnant ... N., Hauptfeldwebel ... Ne., Hauptgefreiter d. R. ... Ho., Oberstabsfeldwebel a. D. ... K., Hauptmann ... D. und Hauptmann ... R. zu den einzelnen Anschuldigungspunkten die folgenden tatsächlichen Feststellungen getroffen und diese disziplinarrechtlich wie nachfolgend dargelegt gewürdigt.

33

Der Senat hat die nach § 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 261 StPO erforderliche hinreichende Gewissheit gewonnen, dass der Soldat das ihm in den Anschuldigungspunkten 3 und 4 zur Last gelegte Fehlverhalten vorsätzlich begangen hat. Der Soldat war jedoch von den in den Anschuldigungspunkten 1 und 2 gegen ihn erhobenen Vorwürfen freizustellen.

34

Nach der im Wehrdisziplinarrecht gem. § 91 Abs. 1 WDO entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 261 StPO setzt die freie, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpfte Überzeugung des Tatrichters in subjektiver Hinsicht die für die Überführung des Angeschuldigten erforderliche volle persönliche Gewissheit des Tatrichters voraus. Dies schließt die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Geschehensablaufs nicht aus; denn im Bereich der vom Tatrichter zu würdigenden tatsächlichen Umstände ist der menschlichen Erkenntnis ein absolut sicheres Wissen über den Tathergang, demgegenüber andere Möglichkeiten seines Ablaufs unter allen Umständen ausscheiden müssten, verschlossen. Nach der gesetzlichen Regelung ist es allein Aufgabe des Tatrichters, ohne Bindung an feste gesetzliche Beweisregeln und nur nach seinem Gewissen verantwortlich zu prüfen und zu entscheiden, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht. Die für die Überführung eines Angeschuldigten erforderliche (volle) persönliche Gewissheit des Tatrichters erfordert ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige und nicht bloß auf denktheoretische Möglichkeiten gestützte Zweifel nicht mehr aufkommen lässt (vgl. Beschluss vom 13. Januar 2009 - BVerwG 2 WD 5.08 -NVwZ-RR 2009, 522 = juris Rn. 16 m.w.N.; BGH, Urteil vom 8. Januar 1988 - 2 StR 551/87 - NStZ 1988, 236 <237>; Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl. 2009, § 261 Rn. 2 m.w.N.).

35

Zur Überführung eines Angeschuldigten ist dabei keine "mathematische" Gewissheit erforderlich. Die erforderliche subjektive Überzeugung des Tatsachengerichts/Tatrichters muss aber auf einer objektiv tragfähigen Tatsachenbasis beruhen. Der Beweis muss mit lückenlosen, nachvollziehbaren logischen Argumenten geführt sein. Allein damit wird die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK -) widerlegt (vgl. Urteile vom 12. Februar 2003 - BVerwG 2 WD 8.02 - BVerwGE 117, 371 [BVerwG 12.02.2003 - 2 WD 8.02] = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 48 = NZWehrr 2003, 214 und vom 3. Juli 2003 - BVerwG 1 WD 3.03 - Buchholz 235.01 § 91 WDO  2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 166 sowie Beschluss vom 13. Januar 2009 a.a.O.). Die Beweiswürdigung muss zudem erschöpfend sein. § 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 261 StPO verpflichtet dazu, alle in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise zu würdigen und dem Urteil zugrunde zu legen, sofern nicht im Einzelfall ein Beweisverwertungsverbot entgegensteht. Das Tatsachengericht ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zugunsten oder zuungunsten des Angeschuldigten zu beeinflussen.

36

Einer bestreitenden Einlassung des Angeschuldigten sowie seinem Prozessverhalten kommen dabei besondere Bedeutung zu. Solange die entlastende Einlassung des Angeschuldigten empirisch gesehen wahr sein und diese nicht mit zwingenden Gründen überzeugend widerlegt werden kann, fehlt es an der für eine Verurteilung erforderlichen tragfähigen objektiven Tatsachengrundlage, aus der allein die zur hinreichenden Überzeugung erforderliche persönliche Gewissheit des Tatrichters folgen darf. Steht Aussage gegen Aussage und hängt die Entscheidung allein davon ab, welchen Angaben das Gericht folgt, sind besonders strenge Anforderungen an die Beweiswürdigung zu stellen (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O. § 261 Rn. 11a m.w.N.). In einem solchen Fall müssen, damit es nicht zu einer Verurteilung aufgrund einer subjektiven Fehlbeurteilung der Zeugenaussagen kommt, alle Umstände, denen eine indizielle Bedeutung für die Schuld oder Unschuld des Angeschuldigten zukommen kann, in die Beweiswürdigung eingestellt und in den Urteilsgründen niedergelegt werden (vgl. dazu u.a. BGH, Urteil vom 3. Februar 1993 - 2 StR 531/92 - StV 1994, 526 m.w.N. und Beschluss vom 6. März 2002 - 5 StR 501/01 - NStZ-RR 2002, 174 f. m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 a.a.O. und Beschluss vom 13. Januar 2009 a.a.O. Rn. 18). Um die Beweiswürdigung nachvollziehbar zu machen, muss dabei dargelegt werden, in welchem Umfang und aus welchem Grund nach der Überzeugung des Gerichts die Aussage des Zeugen und nicht die Einlassung der Angeschuldigten glaubhaft ist und warum das Gericht die Glaubwürdigkeit des Zeugen bejaht, diejenige des Angeschuldigten aber verneint. Hat der Angeschuldigte mit Tatsachen belegte, nicht eindeutig unerhebliche Bedenken gegen einen Beweis oder den Wert eines Beweismittels vorgebracht, so muss sich das Gericht auch damit auseinandersetzen. Selbst wenn einzelne Indizien jeweils für sich genommen noch keine vernünftigen Zweifel an der Richtigkeit einer den Angeschuldigten belastenden Aussage aufkommen lassen, so kann jedoch eine Häufung solcher Indizien bei einer Gesamtbetrachtung zu solchen Zweifeln führen (vgl. Urteil vom 3. Juli 2003 a.a.O. m.w.N.). Letzteres ist vorliegend hinsichtlich der Anschuldigungspunkte 1 und 2 der Fall (dazu nachfolgend aa)). Solche Zweifel bestehen dagegen zu den Anschuldigungspunkten 3 und 4 nicht (dazu nachfolgend bb)).

37

aa) Anschuldigungspunkte 1 und 2

Hinsichtlich des dem Soldaten in den Anschuldigungspunkten 1 und 2 zur Last gelegten Fehlverhaltens sprechen zwar viele Umstände dafür, dass es sich bei seinen die Tatvorwürfe bestreitenden Einlassungen um Schutzbehauptungen handelt. In wesentlichen Teilaspekten verbleiben jedoch aufgrund der nachfolgend dargelegten Umstände nach Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Beweismittel Restzweifel, die der Senat im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung nicht hat überwinden können und die sich deshalb nach dem Zweifelssatz ("in dubio pro reo") im Ergebnis zugunsten des Soldaten auswirken.

38

Im disziplinargerichtlichen Verfahren ist es - ebenso wie im Strafverfahren - im Hinblick auf die verfassungsrechtlich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1990 - 2 BvR 254/88, 2 BvR 1343/88 - BVerfGE 82, 106 <114 f.> = NJW 1990, 2741 [BVerfG 29.05.1990 - 2 BvR 254/88] m.w.N.) und durch Art. 6 Abs. 2 EMRK gewährleistete Unschuldsvermutung nicht Sache des Angeschuldigten, den Nachweis für seine Unschuld zu erbringen. Die Unschuldsvermutung findet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch im gerichtlichen Disziplinarverfahren Anwendung (vgl. für das Beamtendisziplinarrecht Urteil vom 24. November 1999 - BVerwG 1 D 68.98 - BVerwGE 111, 43 [BVerwG 24.11.1999 - 1 D 68.98] <44 f.>; für das Wehrdisziplinarrecht vgl. u.a. Urteil vom 3. Juli 2003 a.a.O. und Beschluss vom 13. Januar 2009 a.a.O. Rn. 17 m.w.N.). Denn sie schützt den Angeschuldigten vor Nachteilen, die Schuldspruch oder Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches und prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung und Strafbemessung vorausgegangen ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. März 1987 - 2 BvR 589/79 u.a. - BVerfGE 74, 358 <371> und vom 29. Mai 1990 a.a.O.). Für den Fall eines Schuldspruchs muss dem Angeschuldigten mit der erforderlichen hinreichenden Gewissheit nachgewiesen werden, dass er das ihm vorgeworfene Fehlverhalten tatsächlich an den Tag gelegt bzw. begangen hat.

39

Da dem Soldaten im vorliegenden Verfahren (unter anderem) vorgeworfen wird, an den in den Anschuldigungspunkten 1 und 2 datumsmäßig bezeichneten Tagen dem Dienst ferngeblieben zu sein und dass ihm für diese Fehltage weder Urlaub noch Dienstzeitausgleich gewährt worden war, ist für das Vorliegen einer entsprechenden schuldhaften Pflichtverletzung erforderlich, dass ihm dies nachgewiesen wird.

40

Daran fehlt es hier.

41

Der Soldat hat mit Schreiben seines damaligen Verteidigers vom 13. März 2007 sowie auch in der Berufungshauptverhandlung zwar eingeräumt, dass er - Anschuldigungspunkt 1 - am 23. Februar, 29. März und 7. April 2005 sowie ferner - Anschuldigungspunkt 2 - am 26. Mai, 2. Juni und 25. August 2006 nicht im Dienst war. Der Senat hat keine Veranlassung, an der inhaltlichen Richtigkeit dieser Einlassung des Soldaten zu zweifeln, zumal sich diese Fehltage mit den Angaben in den vorliegenden Computerausdrucken aus dem elektronischen Zeiterfassungssystem ("journal.txt") decken. Ob dem Soldaten für den 23. Februar, 29. März und 7. April 2005 jedoch - wie er vorträgt - Urlaub sowie für den 26. Mai, 2. Juni und 25. August 2006 Urlaub, Dienstzeitausgleich oder "Gleitzeitabbau" genehmigt worden war(en) oder - wie ihm vorgeworfen wird -nicht gewährt worden ist (sind), hat der Senat nicht mehr mit der erforderlichen Gewissheit feststellen können.

42

Dass seinen von ihm angeführten Anträgen auf Urlaub für die von Anschuldigungspunkt 1 erfassten Fehltage sowie auf Urlaub, Dienstzeitausgleich oder "Gleitzeitabbau" für die von Anschuldigungspunkt 2 erfassten Fehltage durch die dafür allein zuständigen Vorgesetzten tatsächlich auch entsprochen wurde, hat der Soldat allerdings nicht substanziiert dargetan. Für die drei Tage des 23. Februar, 29. März, 7. April 2005 hat der Soldat zwar später von dem Zeugen Oberstleutnant C., der seinerzeit stellvertretender Dezernatsleiter war, befürwortend abgezeichnete Urlaubsanträge in Kopie vorgelegt. Die Echtheit der Unterschriften hat der Zeuge C. in der Berufungshauptverhandlung auch glaubhaft bestätigt. Der Senat hat aber nicht feststellen können, dass diese Urlaubsanträge nach der Unterzeichnung durch den stellvertretenden Dezernatsleiter an den für die Urlaubsgenehmigung allein zuständigen Chef der Stabskompanie und Disziplinarvorgesetzten des Soldaten, den Zeugen Major S., zur Unterschrift weitergeleitet wurden. Da der Soldat, wie er in der Berufungshauptverhandlung auf Befragen eingeräumt hat, von diesen drei vom Zeugen C. bereits befürworteten, jedoch von dem Disziplinarvorgesetzten noch nicht genehmigten Urlaubsanträgen zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt eigenhändig Kopien anfertigte, die später von ihm zu den Ermittlungsakten gereicht worden sind, müssen diese ihm offenbar nach Leistung der Unterschrift des stellvertretenden Dezernatsleiters wieder ausgehändigt, jedoch nicht per Dienstpost an den Kompaniefeldwebel bzw. den Disziplinarvorgesetzten/Kompaniechef geschickt worden sein. Auch dies hat der Soldat auf Befragen in der Berufungshauptverhandlung eingeräumt. Der Soldat hätte damit bei entsprechender unredlicher Absicht durchaus die Möglichkeit gehabt, sich mit der erhaltenen Unterschrift des (stellvertretenden) Dezernatsleiters, der seine Anwesenheit im oder Abwesenheit vom Dienst jeden Morgen zu kontrollieren hatte, "zufrieden" zu geben und die drei Antragsformulare zurückzuhalten. Bei unredlicher Absicht hätte dies für ihn den Vorteil gehabt, dass sein Urlaubskonto nicht belastet wurde und dass der Dezernatsleiter als sein unmittelbarer Vorgesetzter gleichwohl davon ausgegangen wäre, er, der Soldat, fehle berechtigterweise wegen Urlaubs. Jedenfalls belegen die vom stellvertretenden Dezernatsleiter befürwortend unterschriebenen drei Urlaubsanträge nicht, dass diese tatsächlich dem Disziplinarvorgesetzten zur Unterschriftsleistung vorlagen und dass dem Soldaten für die drei in Rede stehenden Fehltage durch den Disziplinarvorgesetzten Urlaub tatsächlich gewährt wurde.

43

Auf Befragen hat der Soldat in der Berufungshauptverhandlung auch eingeräumt, er habe bezüglich der in Rede stehenden Fehltage jeweils vor Urlaubsantritt nicht sicher gewusst, ob ihm zuvor tatsächlich Urlaub, Dienstzeitausgleich oder "Gleitzeitabbau" genehmigt worden sei. Er sei seinerzeit lediglich davon ausgegangen, dass für die von Anschuldigungspunkt 1 erfassten Fehltage seine Urlaubsanträge aufgrund der erfolgten "Vor-Genehmigung" durch den stellvertretenden Dezernatsleiter, den Zeugen C., dann auch von dem Disziplinarvorgesetzten, dem Zeugen S., genehmigt worden seien. Entsprechendes gelte für die von Anschuldigungspunkt 2 erfassten Fehltage. Er sei auch insoweit (lediglich) davon ausgegangen, dass die erforderlichen Genehmigungen für Urlaub oder Dienstzeitausgleich durch den Disziplinarvorgesetzten - damals der Zeuge Sch. - bzw. für "Gleitzeitabbau" durch den Dezernatsleiter oder dessen Stellvertreter - damals die Zeugen H. bzw. C. -, erteilt worden seien. Das habe er damals deshalb angenommen, weil er - der Soldat - nichts Gegenteiliges gehört, insbesondere keine Benachrichtigung wegen einer Ablehnung der Urlaubsanträge bzw. Anträge auf Dienstzeitausgleich erhalten habe. Davon gehe er auch heute noch aus, weil diese Praxis damals in der Stabskompanie und im Heeres...kommando üblich gewesen sei.

44

Auch wenn sich der damalige Disziplinarvorgesetzte des Soldaten, der Zeuge Major S. in der Berufungshauptverhandlung gegen die Behauptung verwahrt hat, es sei "gängige Praxis" in der Stabskompanie gewesen, in Urlaub zu gehen, ohne zuvor durch den sog. "Rückläufer" eine Information über die Genehmigung oder Nichtgenehmigung des beantragten Urlaubs erhalten zu haben, ist eine solche damalige "Genehmigungspraxis" nach den vom Senat getroffenen Feststellungen für Ausnahmefälle, jedenfalls bei Stabs- und Oberstabsfeldwebeln, nicht zweifelsfrei auszuschließen. Immerhin hat der Zeuge K., die damalige Vertrauensperson der Unteroffiziere im Heeres...kommando in K., in der Berufungshauptverhandlung unwidersprochen bekundet, im Dezernat "Innere Führung" in der ...-Abteilung des Heeres...kommandos habe jedenfalls ein ihm bekannter Soldat, nämlich Stabsfeldwebel K., den Urlaubsantritt wie der Soldat gehandhabt. Wenn der unmittelbare Vorgesetzte, der Dezernatsleiter oder dessen Stellvertreter, den Urlaubsantrag befürwortet gehabt hätten, habe dieser Soldat seinen Urlaub angetreten, und zwar unabhängig davon, ob zu diesem Zeitpunkt der schriftliche Urlaubsantrag mit dem Genehmigungsvermerk oder ein über die Urlaubsgenehmigung informierender "Rückläufer" bei ihm eingetroffen waren oder nicht. Dies sei lange Zeit nicht beanstandet worden. Auch bei anderen Soldaten, deren Namen ihm nicht erinnerlich seien, sei dies vorgekommen.

Ferner sei es auch in seiner, des Zeugen, Controlling-Abteilung im Heeres...kommando durchaus üblich gewesen, dass Offiziere und Stabsfeldwebel in Urlaub gegangen seien, auch wenn sie zuvor keinen "Rückläufer" mit der Urlaubsgenehmigung erhalten hätten. Immer dann, wenn der unmittelbare Vorgesetzte (Dezernatsleiter) Urlaub durch seine Unterschrift befürwortet gehabt habe, hätten die Angehörigen des bezeichneten Personenkreises ohne vorherige telefonische oder persönliche Rückfrage ihren Urlaub angetreten, weil sie davon ausgegangen seien, die anschließende Genehmigung durch den Disziplinarvorgesetzten sei nur noch reine Formsache und müsse nicht mehr abgewartet werden. Diesen Bekundungen des Zeugen hat der Senat nicht näher nachgehen müssen. Denn auch bei Zugrundelegung des Vorbringens des Soldaten und der Bekundungen des Zeugen K. vermag dies die tatsächliche Erteilung der Genehmigung des von Urlaub bzw. Dienstzeitausgleich für die von den Anschuldigungspunkten 1 und 2 erfassten Fehltage des Soldaten durch den dafür allein zuständigen Disziplinarvorgesetzten nicht zu belegen. Ebenso wenig könnte bei Klärung dieser Behauptungen dem Soldaten nachgewiesen werden, dass er ohne zuvor tatsächlich erfolgte Genehmigung von Urlaub bzw. Dienstzeitausgleich bzw. "Gleitzeitabbau" dem Dienst an den in Rede stehenden Tagen fernblieb. Denn hinsichtlich der Berechtigung der dem Soldaten in den beiden Anschuldigungspunkten gemachten Vorwürfen kommt es allein darauf an, ob tatsächlich Urlaub, Dienstausgleich bzw. "Gleitzeitabbau" durch die dafür zuständigen Vorgesetzten genehmigt wurde oder nicht.

45

Der Senat hat auch in Ansehung der Bekundungen der von ihm vernommenen Zeugen S., Sch., H., C., N., Ho., Ne., K., D. und R. sowie der zum Gegenstand der Berufungshauptverhandlung gemachten Belege und Urkunden jedenfalls nicht mit der erforderlichen hinreichenden Gewissheit ausschließen können, dass die vom Soldaten behaupteten bzw. unterstellten Genehmigungen von Urlaub, Dienstzeitausgleich bzw. "Gleitzeitabbau" für die in Rede stehenden, von den Anschuldigungspunkten 1 und 2 erfassten Fehltage tatsächlich erteilt worden sind.

46

Soweit sich in den in den Akten befindlichen und in die Berufungshauptverhandlung eingeführten Computerausdrucken des im Heeres...kommando damals vorhandenen Zeiterfassungssystems ("journal.txt") auf den Journalblättern des Soldaten für die von den Anschuldigungspunkten 1 und 2 erfassten Fehltage jeweils die Eintragung "GT Urlaub" findet, ergibt sich daraus nicht, dass damit dem Soldaten für diese Tage tatsächlich Urlaub gewährt worden war. Denn diese Eintragungen erfolgten nicht auf Veranlassung der für die Urlaubsgewährung zuständigen Stelle und wurden von dieser auch nicht kontrolliert. Dies haben die dazu in der Berufungshauptverhandlung vernommenen Zeugen S., Sch., N., Ne. und Ho. wechselseitig glaubhaft bestätigt. Der Zeuge Sch. hat aufgrund seiner eigenen Kenntnis des Zeiterfassungsystems nachvollziehbar bekundet, der jeweilige Benutzer habe damals durch Betätigen der entsprechenden Taste "Urlaub" im Zeiterfassungsterminal einen solchen Eintrag im Zeiterfassungssystem bewirken können, sofern vorher oder gleichzeitig die persönliche Erkennungskarte zur Identifizierung des Benutzers vor den Sensor des Terminals gehalten wurde. Von einer solchen "Urlaubs"-Eintragung im digitalen Zeiterfassungssystem hätten auf elektronischem oder sonstigem Wege weder der Kompaniefeldwebel noch die Bearbeiter/Verwalter der Urlaubsakten Kenntnis erhalten. Auch der Zeuge S., der Zeuge N. sowie der Zeuge Ho., der seit Juli 2006 als Urlaubssachbearbeiter der Stabskompanie eingesetzt war, und der Zeuge Ne., der Personalfeldwebel des Dezernats truppendienstliche Personalangelegenheiten in der ...-Abteilung des Heeres...kommandos seit Mai 2006, haben dies glaubhaft bekundet und im Einzelnen näher erläutert.

Das Zeiterfassungssystem war damals, wie es der Zeuge Ne. ausgedrückt hat, ein "autarkes System und völlig von der Führung der Urlaubsakten getrennt". Bei dieser verfahrensmäßigen Ausgestaltung des Zeiterfassungssystems konnte damit - bis zu der später erfolgten Änderung der Software - jeder Benutzer, dem dies bekannt war, selbst bewirken, dass für bestimmte Tage "Urlaub" für ihn im Zeiterfassungssystem verbucht wurde. Seinerzeit führte eine solche Eingabe ("Urlaub") an einem der Zeiterfassungsterminals dazu, dass für den betreffenden Tag eine vorherige Buchung über gewährten Gleitzeitausgleich überschrieben bzw. gelöscht wurde. Zumindest wurde nach der Bekundung des Zeugen Ne. bewirkt, dass an dem betreffenden Tag, für den die Buchung "Urlaub" vorgenommen wurde, keine Fehlzeit für den betreffenden Soldaten verbucht wurde. Theoretisch hätte damit ein Soldat, wie der Zeuge N., der Leiter des Dezernats für truppendienstliche Personalangelegenheiten in der ...-Abteilung des Heeres...kommandos seit dem 23. Juni 2006 ist, in der Berufungshauptverhandlung auf Nachfrage ausdrücklich bestätigt hat, bei entsprechender unredlicher Absicht durch die Eingabe "Urlaub" eine bereits erfolgte Belastung seines Gleitzeitkontos rückgängig bzw. vermeiden können, ohne dass der die Urlaubsakten bzw. den Nachweis führenden Stelle die "Umdeklarierung" in "Urlaub" bekannt geworden wäre. Eine Eingabe oder Einbuchung im elektronischen Zeiterfassungssystem des tatsächlich durch den zuständigen Disziplinarvorgesetzten genehmigten Urlaubs durch die die Urlaubsakten führende Stelle erfolgte nicht. Die Gewährung von Urlaub wurde - außer auf dem jeweiligen schriftlichen Urlaubsantrag bzw. dem "Rückläufer" - durch die Urlaubsaktensachbearbeiter allein auf der Urlaubskarteikarte vermerkt. Dies haben sowohl die Zeugen S. und Sch. als auch der Zeuge Ho. aus eigener Kenntnis der Verfahrenspraxis glaubhaft bekundet. Der Senat hat keine Veranlassung, dies in Zweifel zu ziehen, zumal auch die Verfahrensbeteiligten dem nicht entgegen getreten sind.

47

Der Zeuge Major S., der nach seinen glaubhaften Angaben von Juni 2003 bis April 2006 als Chef der Stabskompanie im Heeres...kommando Disziplinarvorgesetzter des Soldaten war und dem jeweils durch den Kompaniefeldwebel eine Vielzahl von Urlaubsanträgen zur Unterschrift vorgelegt wurden, hat sich in der Berufungshauptverhandlung weder an eine Genehmigung noch an eine Nicht-Genehmigung der in Rede stehenden Urlaubsanträge des Soldaten für den 23. Februar, 29. März, 7. April 2005 (Anschuldigungspunkt 1) zu erinnern vermocht.

48

Gleiches gilt für seinen Nachfolger als Chef der Stabskompanie und Disziplinarvorgesetzten, den Zeugen Major Sch., der in der Berufungshauptverhandlung - ebenso wie zuvor in seinem Auskunftsschreiben an den Senat vom 8. Juli 2009 - ausgeführt hat, er habe keine Erinnerung an eine erfolgte oder unterbliebene Genehmigung von Anträgen des Soldaten auf Urlaub oder Dienstzeitausgleich für den 26. Mai, 2. Juni und 25. August 2006 (Anschuldigungspunkt 2). Er hat zugleich - ebenso wie der Zeuge S. - auch nicht mit Bestimmtheit ausschließen können, für die jeweils in Rede stehenden Tage dem Soldaten durch eine ihm nicht mehr erinnerliche Unterschrift doch Urlaub oder Dienstzeitausgleich gewährt zu haben. Das entspricht seinen früheren Bekundungen und ist angesichts der Vielzahl der von ihm seinerzeit zu leistenden Unterschriften unter Urlaubsanträge sowie wegen des mittlerweile eingetretenen Zeitablaufs von mehreren Jahren auch nachvollziehbar.

49

Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugen S. und/oder Sch. bei ihren Bekundungen die Unwahrheit gesagt haben könnten, sind für den Senat nicht ersichtlich geworden. Beide Zeugen waren bei ihrem Aussageverhalten erkennbar um die strikte Erfüllung ihrer Wahrheitspflicht bemüht. Ihre Aussagen waren anschaulich, in sich stimmig und nachvollziehbar. Sie erfolgten ohne Umschweife und ließen Unsicherheiten oder Aussagevermeidungstaktiken, die Zweifel am Wahrheitsgehalt ihrer Bekundungen hätten aufkommen lassen können, nicht erkennen. Ersichtlich war beiden Zeugen nicht daran gelegen, den Inhalt ihrer Aussagen danach auszurichten, ob dies dem Soldaten eher schadete oder nützte. Sie waren sowohl frei von Belastungseifer als auch von jedem Bemühen, von ihnen wahrgenommene und erinnerte Ereignisse oder Vorgänge zugunsten des Soldaten zu schönen. Soweit sie Erinnerungslücken an die teilweise mehr als vier Jahre zurückliegenden Ereignisse gehabt haben, haben sie diese offen eingeräumt und nicht zu verbergen gesucht. Es ist für den Senat auch nicht erkennbar geworden, dass sie dem Senat Relevantes verschwiegen hätten. Zweifel an ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit sind nicht ersichtlich. Auch die Verfahrensbeteiligten haben solche nicht geltend gemacht.

50

Sonstige Zeugen, die aus eigener Kenntnis die Genehmigung oder Nicht-Genehmigung von Urlaub oder Dienstzeitausgleich für die von Anschuldigungspunkt 1 erfassten oder von Urlaub bzw. Dienstzeitausgleich für die von Anschuldigungspunkt 2 erfassten Fehltage bekunden könnten, sind nicht vorhanden. Hinsichtlich der vom Soldaten als denkbar angeführten Genehmigung von "Gleitzeitabbau" gilt im Ergebnis nichts anderes. Die in der Berufungshauptverhandlung vernommenen Zeugen Oberstleutnant H., Oberstleutnant C. und Oberstleutnant N. haben aus eigener Kenntnis nicht bekunden können, ob dem Soldaten für die in Rede stehenden Fehltage in den Jahren 2005 und 2006 Urlaub, Dienstzeitausgleich oder "Gleitzeitabbau" genehmigt oder verweigert wurde. Zur Richtigkeit und Vollständigkeit der Urlaubsakten haben sie lediglich mittelbare Einschätzungen äußern, jedoch aufgrund eigener Wahrnehmungen keine präzisen Angaben machen können. Sie haben insoweit übereinstimmend auf die Zuständigkeit des Kompaniechefs für die Genehmigung von Urlaub und im Übrigen auf die Zuständigkeiten der Urlaubssachbearbeiter sowie des Kompaniefeldwebels verwiesen. Die Zeugen H., C. und N., die als Dezernatsleiter (Zeugen H. und N.) bzw. als stellvertretender Dezernatsleiter (Zeuge C.) für die Genehmigung von "Gleitzeitabbau" zuständig gewesen waren, haben sich auch nicht daran erinnern können, eine solche Genehmigung für die von Anschuldigungspunkt 2 erfassten Fehltage erteilt zu haben. Sie haben eine solche Genehmigung jedoch auch nicht mit hinreichender Gewissheit ausschließen können.

51

Der Kompaniefeldwebel Oberstabsfeldwebel R., dessen Ladung als Zeuge für die Berufungshauptverhandlung wegen seines Gesundheitszustandes mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten aufgehoben werden musste und dessen Erscheinen vor Gericht deshalb auf nicht absehbare Zeit nicht möglich erscheint, hat bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung vor der Truppendienstkammer zu dieser Frage aus eigener Kenntnis keine Angaben machen können. Er hat insoweit lediglich auf seine Urlaubssachbearbeiter verwiesen, die die entsprechenden Eintragungen in den Urlaubsakten vorgenommen hätten.

52

Der Zeuge Hauptgefreiter d.R. Ho., der von Juli 2006 bis zum Sommer 2007 in der Urlaubsakten-Sachbearbeitung der Stabskompanie im Heeres...kommando eingesetzt war, hat sich in der Berufungshauptverhandlung ebenfalls nicht daran erinnern können, ob dem Soldaten für die von den Anschuldigungspunkten 1 und 2 erfassten Fehltage Urlaub gewährt worden war. Angesichts des zwischenzeitlichen Zeitablaufs sind diese Erinnerungsschwierigkeiten nachvollziehbar und erklärlich. Nachdem dem Zeugen die in den Gerichtsakten befindlichen Kopien der für den Soldaten geführten Urlaubskarteikarten vorgelegt worden sind, hat er allerdings bestätigen können, dass entsprechende Eintragungen über gewährten oder abgelehnten Urlaub für die in Rede stehenden Fehltage daraus nicht ersichtlich sind. Aus diesem Faktum sei, so seine Bekundungen in der Berufungshauptverhandlung, an sich zu schließen, dass für die betreffenden Tage dem Soldaten kein Urlaub gewährt worden sei, auch wenn in den Computerausdrucken aus dem elektronischen Zeiterfassungssystem für diese Tage jeweils der Vermerk "GT Urlaub" enthalten sei. Hinreichend sicher war er dabei jedoch nicht, zumal er - nachvollziehbarerweise - nicht mehr anzugeben vermochte, wer für die in Rede stehenden Tage der jeweilige Urlaubssachbearbeiter war, der die Eintragungen in die Urlaubskarteikarte vorzunehmen gehabt hätte. Der Zeuge Ho. hat sich auch - ebenso wie die dazu befragten Zeugen S. und Sch. - an keine Namen der damals mit der Urlaubsakten-Sachbearbeitung befassten Soldaten erinnern können, die gegebenenfalls noch hätten befragt werden können. Er hat lediglich angeben können, dass es sich neben einem Stabsunteroffizier um "Mannschaftsdienstgrade" gehandelt habe.

53

Dies deckt sich mit dem Vorbringen des Bundeswehrdisziplinaranwalts in seinem Schriftsatz vom 14. August 2009 auf die gerichtliche Verfügung vom 31. Juli 2009, mit der er um die nähere Bezeichnung von Beweismitteln zur Vollständigkeit der Urlaubsakten, insbesondere der Urlaubskarteikarten gebeten worden war. Auch in der Berufungshauptverhandlung hat der Vertreter der Bundeswehrdisziplinaranwaltschaft keine weiteren Zeugen benennen können, die aus eigener Kenntnis gegebenenfalls zu der in Rede stehenden Frage aussagen können.

54

Die in den Gerichtsakten befindlichen Kopien der auf den Namen des Soldaten ausgestellten Urlaubskarteikarten (BA I Bl. 93 - 95) sind nach der Überzeugung des Senats nicht geeignet, den Nachweis darüber zu führen, dass dem Soldaten an den von den Anschuldigungspunkten 1 und 2 erfassten Fehltagen kein Urlaub gewährt wurde. Denn es ist nicht mit hinreichender Sicherheit gewährleistet, dass es sich dabei wirklich um Kopien der Originale der für den Soldaten geführten Urlaubskarteikarten handelt.

55

Aus den vorliegenden Kopien ist ersichtlich, dass Eintragungen über die erfolgte Gewährung von Urlaub für den Soldaten nicht immer zeitnah erfolgten. So wurden unter anderem die Bewilligungen von Urlaub für die Zeit vom 15. bis 24. Mai 2006 sowie vom 29. Mai bis 1. Juni 2006 jeweils erst am 5. Oktober 2006, also mehrere Monate nach der Genehmigung und nach der Inanspruchnahme des Urlaubs vorgenommen. Am 5. Oktober 2006 erfolgten insgesamt zumindest dreizehn solcher nachträglicher und damit verspäteter Eintragungen. Ob in der Original-Urlaubskarteikarte die in den "Ausführungsbestimmungen zur Soldatinnen- und Soldatenurlaubsverordnung (AusfBest SUV)" in Nr. 10 Abs. 1 Abschnitt F 511 der ZDv 14/5 enthaltene Regelung, wonach "jeder Urlaub ... nach seinem Ende auf einer besonderen Zeile der Urlaubskarteikarte in die entsprechenden Spalten unter Streichung der übrigen Spalten dieser Zeile einzutragen" ist, eingehalten wurde, hat der Senat nicht mehr feststellen können. Wie der Bundeswehrdisziplinaranwalt auf die gerichtliche Verfügung vom 31. Juli 2009, mit der um die Vorlage aller "für die Jahre 2005 und 2006 ... noch vorhandenen Urlaubsanträge des Soldaten sowie die für den Soldaten geführten Urlaubskarteikarten im Original" gebeten worden ist, dem Senat mit Schriftsatz vom 14. August 2009 mitgeteilt hat, sind "die angeforderten Urlaubsanträge und Urlaubskarteikarten des Soldaten für die Jahre 2005 und 2006 ... beim Heeres...kommando und auch beim Sanitätskommando ... im Original nicht mehr vorhanden." Aus welchem Grund die Originale der Urlaubskarteikarten und der Anträge auf Urlaub, Zeitausgleich bzw. "Gleitzeitabbau" während der Ermittlungen der Einleitungsbehörde und der Wehrdisziplinaranwaltschaft nicht herangezogen wurden oder nicht herangezogen werden konnten, lässt sich dieser Stellungnahme des Bundeswehrdisziplinaranwalts nicht entnehmen.

56

Die Beweisaufnahme in der Berufungshauptverhandlung hat jedoch ergeben, dass die den Soldaten betreffenden Original-Urlaubskarteikarten für 2005 und 2006 offenbar im Oktober 2006 durch den Zeugen Ho. dem "VS-Müll" zugeführt und vernichtet wurden, nachdem er - wie er in der Berufungshauptverhandlung auf Befragen eingeräumt hat - zuvor von ihm nicht näher bezeichnete "Fehler" in den Original-Urlaubskarteikarten festgestellt und diese deshalb bei einer von ihm für notwendig gehaltenen Neuerstellung der Urlaubskarteikarten korrigiert habe. Er glaube zwar nicht, dass ihm bei der Neuerstellung der Urlaubskarteikarte(n) neue Fehler unterlaufen seien. Mit Gewissheit könne er dies heute allerdings nicht sagen, auch wenn er keinerlei Anhaltspunkte für solche Fehler habe. Dies hat der Zeuge Ho. in der Berufungshauptverhandlung vor dem Senat auf Befragen bekundet, nachdem er auf zahlreiche - in sich nicht schlüssige und nicht unmittelbar nachvollziehbare - Eintragungen in der äußeren rechten Spalte der Urlaubskarteikarte(n) für 2005 und 2006 hingewiesen und um Erläuterung gebeten worden war. An den genauen Grund für die von ihm vorgenommenen "Berichtigungen" und für die Neuerstellung der Original-Urlaubskarteikarte(n) hat sich der Zeuge nicht mehr zu erinnern vermocht. Anhand des auch in den Kopien erkennbaren Unterschriftskürzels hat er jedoch in der Berufungshauptverhandlung festgestellt, dass diese "Berichtigungen" von ihm persönlich vorgenommen wurden. Möglicherweise sei dies wegen "nachträglicher Urlaubsbewilligungen" geschehen, was er aber für "unwahrscheinlich" halte. Die "wahrscheinlichere Möglichkeit" sei für ihn, dass die für den Soldaten geführte(n) Original-Urlaubskarteikarte(n) "zahlreiche Fehler" aufgewiesen hätten, so dass diese im Oktober 2006 hätten korrigiert werden müssen. Es könne aber auch sein, dass diese Änderungen im Oktober 2006 wegen zuvor erfolgter falscher Berechnungen der Resturlaubsansprüche vorgenommen worden seien, nachdem dies bei einer Prüfung durch den Kompaniefeldwebel aufgefallen sei. Darauf deute das Datum der Eintragungen hin. Genau wisse er dies aber nicht mehr.

57

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Bekundungen des Zeugen Ho. zu der von ihm offenbar im Oktober 2006 - und damit im Vorfeld oder zu Beginn der von dem Dezernatsleiter angeordneten Überprüfung der Fehltage des Soldaten - vorgenommenen Neuerstellung der den Soldaten betreffenden Urlaubskarteikarte(n) und zur anschließenden Vernichtung der Original-Urlaubskarteikarte(n) inhaltlich unrichtig sind, hat der Senat nicht feststellen können. Die Bekundungen des Zeugen waren insoweit nachvollziehbar sowie in sich stimmig und homogen. Der Zeuge war ersichtlich um wahrheitsgemäße Aussagen bemüht, auch soweit diese im Einzelfall ein eher ungünstiges Licht auf die Art und Weise der Urlaubsaktenführung in der Stabskompanie geworfen haben. Vorhandene Erinnerungslücken hat er nicht zu verdecken gesucht, sondern jeweils offen eingeräumt. Zweifel an seiner persönlichen Glaubwürdigkeit sind nicht erkennbar und auch von den Verfahrensbeteiligten nicht geltend gemacht worden.

58

Die Bekundungen des Zeugen Ho. stimmen auch mit den aus den Kopien der Ersatz-Urlaubskarteikarte(n) für 2005 und 2006 ersichtlichen Eintragungen überein. Allerdings hat sich nicht mehr klären lassen, welche genauen Änderungen vom Zeugen Ho. vorgenommen wurden und worin die neuerstellte(n) Urlaubskarteikarte(n) von der (den) Original-Urlaubskarteikarte(n) konkret abwich(en). Insoweit bestehen nicht behebbare Erinnerungslücken des Zeugen.

59

Eine anderweitige Möglichkeit, die Vollständigkeit und inhaltliche Richtigkeit der Eintragungen auf der für den Soldaten geführten Original-Urlaubskarteikarte(n) festzustellen, ist dem Senat versagt geblieben. Aus der Mitteilung des Bundeswehrdisziplinaranwalts im Schriftsatz vom 14. August 2009 ergibt sich zudem, dass eine solche Überprüfung der Eintragungen auf den Urlaubskarteikarten durch die zuständige Wehrdisziplinaranwaltschaft bisher nicht stattgefunden hat. Insofern hat der Bundeswehrdisziplinaranwalt dem Senat mitgeteilt, "die Überprüfung der Eintragungen auf den Urlaubskarteikarten auf Vollständigkeit kann durch die zuständige Wehrdisziplinaranwaltschaft nur mit sehr zeitintensivem Aufwand betrieben werden. Das mit der Führung der Karteikarten in den Jahren 2005 und 2006 beauftragte Personal (Grundwehrdienstleistende) ist inzwischen aus der Bundeswehr ausgeschieden." Es sei "zu bedenken, dass nach so langer Zeit das Erinnerungsvermögen an Einzelheiten zur Führung der Urlaubskarteien bei den (damit befassten) früheren Grundwehrdienstleistenden kaum noch vorhanden sein dürfte." Da dem Senat auch in der Berufungshauptverhandlung über den Zeugen Ho. hinaus keine Zeugen zur Frage der Art und Weise der Führung der Urlaubskarteikarten benannt werden konnten, ist eine weitere Aufklärung insoweit nicht möglich. Diese nicht weiter aufklärbaren Umstände bewirken ernsthafte Zweifel an der Aussagekraft der vorliegenden Kopien der (Ersatz-)Urlaubskarteikarte(n). Sie scheiden damit als hinreichende Nachweise dafür, dass dem Soldaten an den in Rede stehenden, von den Anschuldigungspunkten 1 und 2 erfassten Fehltagen kein Urlaub gewährt wurde, aus.

60

Weitere Zweifel an den dem Soldaten zur Last gelegten Vorwürfen, er habe am 23. Februar, 29. März und 7. April 2005 (Anschuldigungspunkt 1) sowie am 26. Mai, 2. Juni und 25. August 2006 (Anschuldigungspunkt 2) den Dienst versäumt, obwohl ihm für diese Fehltage weder Urlaub, Dienstzeitausgleich noch "Gleitzeitabbau" genehmigt worden sei, ergeben sich daraus, dass an diesen Tagen sein Fehlen in seinem Dienstbereich von seinen Vorgesetzten nicht beanstandet wurde, weil sie anhand der von ihnen geführten Unterlagen (Kalender, Excel-Kartei) davon ausgingen, er sei berechtigterweise nicht im Dienst. Nach der dem Senat auf die gerichtliche Verfügung vom 31. Juli 2009 erteilten schriftlichen Auskunft des Bundeswehrdisziplinaranwalts vom 14. August 2009 erfolgte an jedem Tag morgens "die Kontrolle des täglichen Dienstantritts" durch "die Vorgesetzten in der Stabsabteilung." "Bei Fehlen ohne erkennbaren Grund wurde mit dem Stabsquartier Heeres...kommando Verbindung aufgenommen, ob der Abteilung nicht bekannte Gründe (Erkrankung etc.) zu einer Freistellung geführt haben. Ergab diese Überprüfung, dass ein Soldat möglicherweise unberechtigt dem Dienst fernblieb, wurde der Sachverhalt dem Kommandanten Stabsquartier (= Chef der Stabskompanie) als Disziplinarvorgesetzten gemeldet. Oberstleutnant H., der von Oktober 2004 bis Mai 2006 der Dezernatsleiter des Soldaten war, hat die Kontrolle seinen Angaben zufolge seinerzeit dadurch gewährleistet, dass jeden Morgen im Dezernat eine Dienstbesprechung angesetzt war, an der alle anwesenden Soldaten teilgenommen haben." Diese tägliche Verfahrenspraxis haben der Zeuge Oberstleutnant H., der von Herbst 2004 bis Juni 2006 Dezernatsleiter des Soldaten war, der Zeuge Oberstleutnant C., der stellvertretende Dezernatsleiter in der Zeit von März 2004 bis Juni 2006 (seit Februar 2006 war er nach seinen Angaben im Auslandseinsatz in Afghanistan), sowie der Zeuge Oberstleutnant N., der seit dem 23. Juni 2006 Leiter des Dezernats ist, in der Berufungshauptverhandlung der Sache nach übereinstimmend bestätigt. Nach den Bekundungen des Zeugen H. wurde jeden Morgen in seinem Dienstzimmer eine so genannte "Morgenlage" durchgeführt, an der grundsätzlich alle Soldaten des Dezernats (mit Ausnahme der sog. Mannschaftsdienstgrade) teilnahmen. Soweit einer der Soldaten fehlte, wurde anhand eines Kalenders und einer fortlaufend für Planungszwecke geführten digitalen Excel-Datei ermittelt, ob diesem Soldaten "Gleitzeitabbau" durch den Dezernatsleiter (oder dessen Stellvertreter) genehmigt oder ob ihm mit Befürwortung des Dezernats "Urlaub oder Dienstzeitausgleich bewilligt worden war".

Sofern bei einem abwesenden Soldaten anhand dieser Unterlagen nicht festgestellt werden konnte, ob für den betreffenden Tag Urlaub, Dienstzeitausgleich oder "Gleitzeitausgleich" genehmigt worden war, seien zusätzliche nähere Überprüfungen eingeleitet und durchgeführt worden. Er, der Zeuge, könne zwar heute nicht mehr feststellen, ob dem Soldaten für die von den Anschuldigungspunkten 1 und 2 erfassten Tage Urlaub, Dienstzeitausgleich oder "Gleitzeitausgleich" bewilligt gewesen sei. Er wisse jedoch, dass jedenfalls er, der Zeuge, die Abwesenheit des Soldaten "nicht beanstandet habe" bzw. dass diese Abwesenheitszeiten für ihn "damals keine Veranlassung für weitere Nachforschungen waren". Auf Nachfrage räumte der Zeuge H. allerdings ein, bei der Prüfung der Frage, ob einem bei der "Morgenlage" fehlenden Soldaten Urlaub bewilligt gewesen sei, habe er sich darauf beschränkt nachzuschauen, ob er, der Zeuge, oder sein Vertreter "den Urlaubsantrag befürwortet hatten und dies entsprechend in unseren Unterlagen vermerkt war". Ob im Einzelfall der Urlaub vom Disziplinarvorgesetzten tatsächlich genehmigt gewesen sei, hätten er und sein Stellvertreter "nicht nachgefragt". Darüber, ob eine Bewilligung von Urlaub durch den Disziplinarvorgesetzten tatsächlich erfolgt sei, habe sein Dezernat jeweils keine konkrete Information erhalten. Die Information über die Urlaubsgewährung oder -versagung sei nach seiner Erinnerung nur dem jeweiligen Soldaten per "Rückläufer" zugegangen. Der stellvertretende Dezernatsleiter, der Zeuge C., sowie der Zeuge N. haben diese Verfahrenspraxis der Sache nach glaubhaft bestätigt. Alle drei Zeugen haben deshalb nicht ausschließen können, dass sie bei der morgendlichen Überprüfung der Berechtigung im Falle einer Abwesenheit eines der Angehörigen ihres Dezernats von einer Urlaubsbewilligung oder Genehmigung von Dienstzeitausgleich anhand ihrer Unterlagen ausgingen, obwohl eine solche Genehmigung durch den Disziplinarvorgesetzten tatsächlich nicht erfolgt war. Denn Grundlage ihrer Überprüfungen waren allein Eintragungen im Dezernatskalender und in der Excel-Datei, in denen jedoch neben dem genehmigten "Gleitzeitabbau" jeweils nur die befürwortende Stellungnahme des Dezernatsleiters zum Antrag auf Urlaub bzw. Dienstzeitausgleich vermerkt wurde.

61

Der Senat hat keine konkreten Anhaltspunkte dafür, an der inhaltlichen Richtigkeit dieser Bekundungen der vorgenannten Zeugen zu zweifeln, auch wenn nicht verkannt werden kann, dass sie ein nicht unerhebliches Eigeninteresse daran hatten, mögliche eigene Versäumnisse bei der Wahrnehmung ihrer Dienstaufsicht, insbesondere bei der Kontrolle der Berechtigung von Abwesenheitszeiten des ihnen unterstellten Soldaten, nicht ins Blickfeld geraten zu lassen. Ihre Aussagen waren jedoch nachvollziehbar sowie in sich stimmig, widerspruchsfrei und homogen. Ihre unabhängig voneinander gemachten Aussagen deckten sich in den maßgeblichen Kernpunkten. Anhaltspunkte für Widersprüche zwischen ihren Bekundungen liegen nicht vor. Konkrete Zweifel an ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit sind nicht ersichtlich geworden. Gegenteiliges haben auch die Verfahrensbeteiligten nicht vorgetragen.

62

Die Beweisaufnahme hat damit ergeben, dass weder in der Stabskompanie des Heeres...kommandos noch im Dezernat eine hinreichende Kontrolle über die erfolgte oder nicht erfolgte Gewährung von Urlaub, Dienstzeitausgleich und "Gleitzeitabbau" sowie - im Falle eines Fernbleibens des Soldaten vom Dienst -eine hinreichende Überprüfung des dafür jeweils maßgeblichen Grundes jedenfalls im hier maßgebenden Zeitraum stattfanden. Insoweit war jedenfalls hinsichtlich des Soldaten kein hinreichender Informationsfluss zwischen den verschiedenen Stellen gewährleistet. Weder anhand der vorliegenden Kopien der (Ersatz-)Urlaubskarteikarten noch der Computerausdrucke aus dem Zeiterfassungssystem noch der Aussagen der vernommenen Zeugen lässt sich mit hinreichender Gewissheit feststellen, ob der Soldat an den von den Anschuldigungspunkten 1 und 2 erfassten Fehltagen fehlte, obwohl ihm weder Urlaub noch Dienstzeitausgleich noch "Gleitzeitabbau" genehmigt worden war.

63

Sonstige Beweismittel, mit denen (hinsichtlich des von den Anschuldigungspunkten 1 und 2 erfassten Sachverhalts) zu Lasten des Soldaten ein Tatnachweis hätte geführt werden können, sind nicht verfügbar und nicht ersichtlich. Ergänzende Beweisanträge sind von den Verfahrensbeteiligten nicht gestellt worden.

64

Bei der danach gebotenen Gesamtwürdigung der verfügbaren und in die Berufungshauptverhandlung eingeführten Beweismittel hat der Senat nach alledem nicht die hinreichende Gewissheit gewinnen können, dass dem Soldaten für die von den Anschuldigungspunkten 1 und 2 erfassten Fehltage zweifelsfrei weder Urlaub noch Dienstzeitausgleich oder "Gleitzeitabbau" genehmigt worden war. Diese verbliebenen Unklarheiten gehen im vorliegenden gerichtlichen Disziplinarverfahren nicht zu Lasten des Soldaten, sondern führen dazu, dass er nach dem Zweifelssatz ("in dubio pro reo") von den insoweit gegen ihn erhobenen Vorwürfen freizustellen ist.

65

bb) Anschuldigungspunkte 3 und 4

Dagegen hat der Senat auf der Grundlage der von ihm erhobenen Beweise und der Einlassungen des Soldaten, soweit ihnen hat gefolgt werden können, mit der nach § 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 261 StPO erforderlichen hinreichenden Gewissheit festgestellt, dass der Soldat das ihm in den Anschuldigungspunkten 3 und 4 zur Last gelegte Fehlverhalten vorsätzlich begangen hat.

66

Anschuldigungspunkt 4:

Der Soldat gab am 21. September 2006 bei Dienstantritt zunächst um 6:28:56 Uhr in dem im Gebäude ... der ...-Kaserne in K. befindlichen Zeiterfassungsterminal über die Eingabetaste "Kommen" ein, um seinen Dienstantritt im elektronischen Zeiterfassungssystem zu dokumentieren. Wenige Sekunden später buchte er um 6:29:02 Uhr zusätzlich für den folgenden Tag, den 22. September 2006, über die entsprechende Eingabetaste "Fehlzeit Urlaub" ein. Die am vorgenannten Tag (21. September 2006) um 6:29:02 Uhr erfolgte Buchung wird durch den bei den Gerichtsakten befindlichen und zum Gegenstand der Berufungshauptverhandlung gemachten Computerausdruck aus dem Zeiterfassungssystem des Heeres...kommandos ("Visual Time Vorgesetztenfunktion", BA I Bl. 63) zweifelsfrei belegt. Bei seinem Verhalten am Zeiterfassungsterminal war dem Soldaten bekannt, dass er für den 22. September 2006 keinen Urlaub beantragt hatte und dass ihm ein solcher für jenen Tag auch nicht bewilligt worden war. Vielmehr hatte er nach seinen Angaben für den 22. September 2006 eine mündliche Zusage seines Dezernatsleiters, des Zeugen Michael N., eingeholt, an diesem Tag Dienstzeitausgleich nehmen zu dürfen. Außerdem hatte er anschließend - nach seinen Angaben am 18. September 2006 - einen "Änderungsantrag für das Zeitkonto (Korrekturbeleg) in der elektronischen Zeiterfassung" für den 22. September 2006 per Lotus Notes an den Dezernatsleiter geschickt. Eine Kopie dieses Korrekturbeleges liegt vor und ist zum Gegenstand der Berufungshauptverhandlung gemacht worden.

67

Der Senat hat keine Veranlassung, an der inhaltlichen Richtigkeit des die erfolgte Falschbuchung des Soldaten ausweisenden vorgenannten Computerausdrucks aus dem Zeiterfassungssystem des Heeres...kommandos zu zweifeln. Zwar hat der Soldat geltend gemacht, das im Jahre 2001 im Heeres...kommando eingeführte Zeiterfassungssystem sei des Öfteren störanfällig gewesen; nicht selten sei es zu Stromausfällen gekommen, die zu Fehlern im System geführt hätten. Diese Einlassung des Soldaten beruht jedoch jedenfalls für die am 21. September 2006 für den Folgetag vorgenommene Falschbuchung ("Urlaub") nach den Feststellungen des Senats auf reinen Spekulationen ohne reale Tatsachenbasis. Es handelt sich um eine bloße Schutzbehauptung ohne empirischen Wahrheitsgehalt. Denn der Soldat hat selbst nicht in Abrede gestellt, dass er am 21. September 2006 morgens gegen 6:28 Uhr zum Dienst erschienen ist und deshalb die entsprechende Buchung "Kommen" in der vorgesehenen Weise um 6:28:56 Uhr in das Zeiterfassungsterminal eingegeben hat. Aus welchem Grund das Zeiterfassungssystem zutreffend diese Buchung um 6:28 Uhr vorgenommen und gespeichert, die darauf - ca. sechs Sekunden später - erfolgende Falschbuchung um 6:29:02 Uhr dagegen fehlerhaft gespeichert haben sollte, ist nicht ersichtlich. Auch der Soldat hat keine plausible Begründung für seine spekulativ gebliebene Behauptung anzugeben vermocht. Zudem ist nicht erkennbar, wer an Stelle des Soldaten sechs Sekunden nach seiner "Kommen"-Buchung die in Rede stehende Falschbuchung vorgenommen haben könnte. Dies war in Anwesenheit des Soldaten ohne seine Kenntnisnahme ausgeschlossen. Vor allem aber verfügte allein der Soldat über seine für die Buchung erforderliche Identifizierungskarte, die vor den Sensor des Terminals gehalten werden musste. Letztlich hat der Soldat zudem seine spekulative Behauptung in der Berufungshauptverhandlung selbst widerlegt. Er hat nämlich auf Befragen eingeräumt, er habe mit seiner am 21. September 2006 erfolgten Eingabe ("Urlaub") "dem System nur mitteilen" wollen, dass er "am 22. September 2006 nicht im Dienst sein würde." Wenn er diese Absicht und damit die von ihm vorgenommene Buchung selbst einräumt, ist nicht ersichtlich aus welchem Grund dann die im Computerausdruck auch ausgewiesene Buchung durch Stromausfall oder einen Störfall oder anders ausgelöst worden sein sollte.

68

Der Soldat verstieß mit seinem von Anschuldigungspunkt 4 erfassten Verhalten gegen seine Pflichten gemäß § 13 Abs. 1 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG.

69

Ein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht in dienstlichen Angelegenheiten ( § 13 Abs. 1 SG ) liegt insbesondere vor bei unwahren mündlichen Angaben gegenüber Vorgesetzten sowie bei Eintragungen in amtlichen Unterlagen, die urkundlichen Charakter haben. Dazu gehören nicht nur unter anderem Taucherdienstbücher (vgl. dazu Urteil vom 26. Juni 1991 - BVerwG 2 WD 30.90 - BVerwGE 93, 115 [BVerwG 26.06.1991 - 2 WD 30/90] <118>), Schießkladden (vgl. dazu Scherer/Alff/Poretschkin, SG, 8. Aufl. 2008, § 13 Rn. 4) und ähnliche schriftliche Unterlagen, sondern auch elektronische Zeiterfassungssysteme, die im dienstlichen Bereich Verwendung finden. Das Tatbestandsmerkmal "sagen" umfasst jede Mitteilung, Meldung, Informationsübermittlung oder Angabe durch einen Soldaten in dienstlichen Angelegenheiten, d.h. alle mit dem Dienst zusammenhängenden Vorgänge, die den Bereich der Bundeswehr als Teil der Exekutive betreffen oder berühren. Es ist nicht auf mündliche Äußerungen oder bestimmte Übermittlungsformen oder -medien begrenzt, sondern schließt nach seinem Sinngehalt und nach dem Regelungszweck der Vorschrift (vgl. dazu u.a. Urteile vom 27. Januar 1983 - BVerwG 2 WD 25.82 - BVerwGE 76, 54 [BVerwG 27.01.1983 - 2 WD 25/82] <59>, vom 18. Juni 2003 - BVerwG 2 WD 50.02 - Buchholz 235.01 § 38 WDO  2002 Nr. 6, vom 18. September 2003 - BVerwG 2 WD 3.03 - BVerwGE 119, 76 [BVerwG 18.09.2003 - 2 WD 3.03] = Buchholz 235.01 § 38 WDO  2002 Nr. 11 und vom 13. Februar 2008 - BVerwG 2 WD 5.07 - Buchholz 450.2 § 58 WDO  2002 Nr. 3 Rn. 33) auch Kommunikationsformen und Informationsübermittlungen ein, die von Soldaten über elektronische Medien erfolgen, sofern dies in dienstlichen Angelegenheiten geschieht oder solche betrifft. "Wahr" ist eine Meldung, eine Äußerung oder eine Angabe dann, wenn der vorgetragene oder eingegebene Sachverhalt mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Dies gilt auch für eine Eingabe in ein elektronisches Zeiterfassungssystem.

70

Seine Pflicht, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen, verletzte der Soldat mit seinem von Anschuldigungspunkt 4 erfassten Verhalten, weil er am Zeiterfassungsterminal am 21. September 2006 für den darauffolgenden Tag (22. September) die Buchung "Urlaub" durch eigenhändige Betätigung der entsprechenden Eingabetaste bewirkte, obwohl ihm - wie er selbst eingeräumt hat - für diesen Tag weder Urlaub genehmigt worden war noch er diesen auch nur beantragt hatte.

71

Der Soldat wusste und wollte auch, dass diese Falschbuchung erfolgte. Er handelte damit vorsätzlich. Nach der aufgrund der Beweisaufnahme vom Senat gewonnenen Überzeugung ist es ausgeschlossen, dass der Soldat die Eingabetaste ("Urlaub") nur versehentlich betätigte. Denn der Soldat hat, wie oben in anderem Zusammenhang bereits dargelegt, in der Berufungshauptverhandlung auf Befragen selbst ausgeführt, er habe mit seiner am 21. September 2006 erfolgten Eingabe ("Urlaub") "dem System nur mitteilen" wollen, dass er "am 22. September 2006 nicht im Dienst sein würde." Diese Absicht schließt ein versehentliches Betätigen der Eingabetaste aus.

72

Der Soldat hätte die Fehlbuchung zudem leicht vermeiden können, wenn er sie unterlassen und am 21. September 2006 - nach Dienstschluss - lediglich die Eingabetaste "Dienstlich-Gehen" betätigt hätte. Dann wären die Fehlstunden vom 22. September 2006 entsprechend den Bestimmungen der Dienstvereinbarung mit seinem Zeitguthaben verrechnet worden. Mit seiner Falscheingabe ("Urlaub") erweckte er aber bewusst den Anschein, dass an jenem Tag (22. September 2006) keine ausgleichspflichtigen Fehlstunden anfielen.

73

Der nach den vorliegenden dienstlichen Beurteilungen und nach den glaubhaften Bekundungen seiner früheren und jetzigen Vorgesetzten, der Zeugen S., Sch. und N., als bei der Erfüllung seiner Dienstpflichten sehr verlässlich und akkurat charakterisierte Soldat wusste zudem, mit welcher Taste "Urlaub" einzugeben war und wie sich dies auf die Zeiterfassung auswirkte, denn er hatte bereits im Vorfeld des Öfteren Urlaube angetreten und entsprechende Buchungen ausgelöst (z.B. am 20. April, 14. und 26. Juni, am 27. Juli 2006 sowie später auch noch am 29. September 2006). Dies ergibt sich aus den vorliegenden Computerausdrucken. Der Soldat hat dies in der Berufungshauptverhandlung nicht in Abrede gestellt. Zudem muss der Soldat die Eingabe "Urlaub" (F1) auch deshalb bewusst vollzogen haben, weil es im Zeiterfassungsgerät keine Funktion gibt, mit der pauschal ein Zeitausgleich eingegeben werden kann und es sinnlos gewesen wäre, die "Dienstlich-Gehen" Taste oder die anderen, in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht brauchbaren Optionen des Zeiterfassungsgerätes zu betätigen.

74

Der Soldat unterlag auch keinem vermeidbaren Verbotsirrtum. Denn selbst wenn man dem Soldaten zugute hielte, er habe auf einen durch seinen Dezernatsleiter, den Zeugen N., möglicherweise genehmigten Zeitausgleich am 22. September 2006 vertrauen dürfen, wusste er, dass dieser eben nicht auf einem bewilligten Urlaubsantrag beruhte, sondern die entstehenden Fehlzeiten mit seinem Zeitguthaben zu verrechnen gewesen wären. Dass er mit der Eingabe "Urlaub" diese Folge umging, war ihm bekannt.

75

Weil es ihm somit möglich und zumutbar war, am 21. September 2006 am Zeiterfassungsterminal ausschließlich inhaltlich richtige Buchungen ("Kommen", "Gehen") vorzunehmen, er aber dennoch vorsätzlich durch Betätigung der entsprechenden Eingabetaste eine Falschangabe ("Urlaub") machte, kann er sich nicht darauf berufen, dass letztere bei ordnungsgemäßer Bearbeitung seines von ihm per Lotus Notes angeblich bei seinem Dezernatsleiter eingereichten Korrekturbelegs ohnehin automatisch korrigiert worden wäre. Denn seine Eingabe war falsch, unabhängig davon, ob andere sie später noch korrigieren konnten oder nicht.

76

Mit seinem von Anschuldigungspunkt 4 erfassten Verhalten hat der Soldat auch vorsätzlich gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verstoßen.

77

Denn jeder Verstoß eines Soldaten gegen eine gesetzliche Dienstpflicht, die dem § 17 SG vorangestellt ist, enthält (zugleich) einen Verstoß gegen § 17 Abs. 2 SG, wenn dem festgestellten Verhalten unabhängig von anderen Pflichtenverstößen die Eignung zur Ansehensminderung innewohnt (vgl. Urteil vom 29. Februar 1972 - BVerwG 2 WD 103.70 - NZWehrr 1972, 152; Walz in Walz/Eichen/Sohm, SG, 1. Auflage 2006, § 17 Rn. 38).

78

Die Achtungs- und die Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt (vgl. Urteile vom 2. April 1974 - BVerwG 2 WD 5.74 - BVerwGE 46, 244 [BVerwG 02.04.1974 - II WD 5/74] <248> = NZWehrr 1975, 69 <71 f.> und vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 -NJW 2006, 77 <108>, <insoweit nicht veröffentlicht in BVerwGE 127, 302 = Buchholz 236.1 § 11 SG Nr. 1>). Für die Feststellung eines Verstoßes gegen diese Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob eine Ansehensschädigung im konkreten Fall tatsächlich eingetreten ist. Es reicht vielmehr aus, dass das Verhalten des Soldaten geeignet war, eine ansehensschädigende Wirkung auszulösen (stRspr, u.a. Urteile vom 16. Dezember 2004 - BVerwG 2 WD 15.04 -, vom 21. Mai 2008 - BVerwG 2 WD 8.07 und 2 WD 17.07 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 51 = NVwZ-RR 2009, 27 <29>). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Denn der Soldat verstieß nach den oben getroffenen Feststellungen mit der von ihm vorgenommenen Falscheingabe ("Urlaub") in das elektronische Zeiterfassungssystem vorsätzlich gegen seine Pflicht, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen. Dieses Verhalten ist zumindest geeignet, einen Achtungsverlust bei Vorgesetzten, Untergebenen und anderen Kameraden herbeizuführen. Denn es offenbarte, dass der Soldat durchaus bereit war, unter bestimmten Voraussetzungen - ungeachtet seiner langjährigen hervorragenden Bewährung im Dienst und der herausragenden Würdigung seiner Persönlichkeit in den vorliegenden dienstlichen Beurteilungen - in dienstlichen Angelegenheiten die Unwahrheit zu sagen, wenn dies für ihn nützlich erschien. Das Vertrauen, sich uneingeschränkt auf ihn verlassen zu können, wurde dadurch in starkem Maße in Zweifel gezogen.

79

Anschuldigungspunkt 3:

Der Senat hat auch mit hinreichender Gewissheit das dem Soldaten in Anschuldigungspunkt 3 zur Last gelegte Verhalten festgestellt.

80

Am 22. September 2006 erschien der Soldat nicht zum Dienst, obwohl ihm, was er wusste, zuvor weder durch den dafür zuständigen Disziplinarvorgesetzten, den Zeugen Sch. oder dessen Vertreter im Amt, Urlaub oder Dienstzeitausgleich noch durch den dafür zuständigen Dezernatsleiter, den Zeugen N., oder dessen Vertreter im Amt, "Gleitzeitabbau" genehmigt worden war.

81

Zwar hat der Soldat behauptet, er habe bei seinem Dezernatsleiter mündlich und dann am 18. September 2006 per Lotus Notes auf elektronischem Weg die Genehmigung von "Gleitzeitabbau" für den 22. September 2006 beantragt. Aus dem bei den Gerichtsakten befindlichen Computerausdruck aus dem Zeiterfassungssystem für den 22. September 2006 ergibt sich jedoch, dass dem Soldaten für diesen Tag kein "Gleitzeitabbau" genehmigt wurde. Gegen die inhaltliche Richtigkeit dieses Computerausdrucks hat der Soldat keine substanziierten Einwände erhoben. Seine spekulativen Behauptungen zu abstrakt möglichen Stromausfällen oder sonstigen Störungen des Zeiterfassungssystems haben den Senat aus den oben zu Anschuldigungspunkt 4 dargelegten Gründen nicht zu überzeugen vermocht.

82

Auch aus dem bei den Gerichtsakten befindlichen und zum Gegenstand der Berufungshauptverhandlung gemachten "Korrekturprotokoll" des elektronischen Zeiterfassungssystems (BA I Bl. 67 - 70) ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass für den 22. September 2006 einem Antrag des Soldaten auf Genehmigung von "Gleitzeitabbau" entsprochen worden ist und/oder dass insoweit eine Korrektur erfolgte.

83

Der Umstand, dass der Soldat - wie festgestellt - am Vortag, also am 21. September 2006 um 6:29:02 Uhr, die Falschbuchung "Urlaub" in das elektronische Zeiterfassungssystem vornahm, belegt zugleich, dass er von keiner Genehmigung von "Gleitzeitabbau" für den 22. September 2006 durch den Dezernatsleiter ausging. Anderenfalls wäre die Eingabe "Urlaub" nicht erforderlich gewesen, um eine "Fehlzeit" zu vermeiden.

84

Nach den vom Senat in der Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen kann auch ausgeschlossen werden, dass durch die am 21. September 2006 um 6:29:02 Uhr erfolgte Falschbuchung "Urlaub" eine vorherige, vom Dezernatsleiter aufgrund des vom Soldaten angeführten Korrekturbelegs bewirkte Buchung von "Gleitzeit" nachträglich gelöscht worden ist. Die Zeugen Ne. und K. haben in der Berufungshauptverhandlung glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass dies ausweislich der vorliegenden Computerausdrucke aus dem elektronischen Zeiterfassungssystem (BA I Bl. 63) und des "Korrekturprotokolls" (BA I Bl. 67 - 70) nicht der Fall war. Anderenfalls wäre diese Korrekturbuchung in den Protokollen dokumentiert worden. Konkrete Anhaltspunkte, die gegen die Richtigkeit dieser Bekundungen der beiden Zeugen sprechen könnten, sind von den Verfahrensbeteiligten nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich.

85

Angesichts dessen kann offenbleiben, ob der Soldat überhaupt mündlich und per Lotus Notes einen Genehmigungsantrag an seinen Dezernatsleiter gerichtet hatte, woran deshalb gravierende Zweifel bestehen, weil der vom Soldaten in Kopie vorgelegte "Korrekturbeleg" keinen Adressaten ausweist. Der Zeuge Ne. hat in der Berufungshauptverhandlung nachvollziehbar und glaubhaft bekundet, dass sich dieser Kopie des "Korrekturbelegs" gerade nicht entnehmen lässt, an wen dieser Änderungsantrag geschickt worden ist. Soweit in der Niederschrift über die Verhandlung vor der Truppendienstkammer (BA IV Bl. 645) festgehalten worden sei, er - der Zeuge Ne. - habe vor der Truppendienstkammer ausgesagt, dem Beleg könne entnommen werden, dass der Änderungsantrag dem Dezernatsleiter vorgelegen haben müsse, sei dies unrichtig. Er habe dies nie so gesagt und sei möglicherweise missverstanden worden. Richtig sei vielmehr, dass man dem in Kopie vorliegenden Korrekturbeleg (BA II Bl. 263) gerade nicht entnehmen könne, an wen er adressiert gewesen sei bzw. ob er dem Dezernatsleiter elektronisch zugeleitet worden sei. Ein solcher Korrekturbeleg wie der vorliegende könne vom Soldaten an irgendeinen Adressaten - zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt - versandt worden sein. Der Senat hat auch insoweit keine Veranlassung, an der inhaltlichen Richtigkeit der in sich stimmigen und widerspruchsfreien Bekundungen des Zeugen Ne. zu zweifeln. Die Angaben des Zeugen zu dem Aussagegehalt der vorliegenden Kopie des Korrekturbelegs waren nachvollziehbar. Denn dieses Schriftstück lässt nach seinem Inhalt - wie die Einnahme des Augenscheins durch das Gericht ergeben hat - weder einen Adressaten noch eine Genehmigung durch den Dezernatsleiter erkennen. Auch der Soldat hat nicht konkret darzulegen vermocht, woraus sich die von ihm behauptete Absendung des Korrekturbeleges gerade an den Dezernatsleiter ergeben soll. Die Bekundungen des Zeugen Ne. waren zudem frei von Belastungseifer und ersichtlich von dem Bemühen des Zeugen bestimmt, Unrichtigkeiten und Ungenauigkeiten in seinen Aussagen strikt zu vermeiden. Nach- und Rückfragen ist er nicht ausgewichen, sondern hat sich ihnen ohne Umschweife gestellt und diese ohne Zögern beantwortet. Erinnerungslücken hat er offen zu erkennen gegeben. Ebenso hat er jeweils offen eingeräumt, wenn er aus eigener Kenntnis oder eigener Sachkompetenz Einzel- oder Detailfragen nicht hat beantworten können.

86

Der Soldat handelte bei der Nichterfüllung seiner Dienstpflicht am 22. September 2006 auch vorsätzlich. Denn er wusste - wie oben in anderem Zusammenhang dargelegt -, dass ihm für diesen Tag kein "Gleitzeitabbau" genehmigt worden war. Gerade deshalb versuchte er, durch die vorgenommene Falschbuchung ("Urlaub") vorzutäuschen, er fehle wegen genehmigten Urlaubs. Der Soldat wollte an diesem Tag auch dem Dienst fernbleiben, obwohl er wusste, dass er wegen fehlender Genehmigung von Urlaub, Dienstzeitausgleich oder "Gleitzeitabbau" hierzu nicht berechtigt war.

87

Der Soldat verstieß mit seinem von Anschuldigungspunkt 3 erfassten Verhalten gegen §§ 7 Abs. 1 und 17Abs. 2 Satz 1 SG.

88

Die Verpflichtung zum treuen Dienen gebietet jedem Soldaten, seine dienstlichen Aufgaben und Pflichten gewissenhaft, sorgfältig und loyal gegenüber seinem Dienstherrn zu erfüllen. Das schließt ein, innerhalb und außerhalb des Dienstes mit den ihm zur Verfügung stehenden Kräften dazu beizutragen, dass die Streitkräfte der Bundeswehr ihre durch die Verfassung festgelegten Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen können, sowie alles zu unterlassen, was diese bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in unzulässiger Weise schwächen könnte. Zu der in § 7 SG normierten Pflicht zum "treuen Dienen" gehören insbesondere die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung, vor allem die Beachtung der Strafgesetze (Urteile vom 28. September 1990 - BVerwG 2 WD 27.89 - BVerwGE 86, 321 [BVerwG 28.09.1990 - 2 WD 27/89] <326>, vom 28. Januar 2004 - BVerwG 2 WD 13.03 - BVerwGE 120, 105 <107>, vom 22. März 2006 - BVerwG 2 WD 7.05 - <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 450.2 § 107 WDO  2002 Nr. 2> jeweils m.w.N., Urteil vom 26. September 2006 - BVerwG 2 WD 2.06 - BVerwGE 127, 1 [BVerwG 26.09.2006 - BVerwG 2 WD 2.06] = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 55 = NZWehrr 2007, 79 und vom 22. August 2007 - BVerwG 2 WD 27.06 - BVerwGE 129, 181 [BVerwG 22.08.2007 - 2 WD 27.06] <192 f.> = Buchholz 449 § 11 SG Nr. 2 = NZWehrr 2008, 76) sowie die Verpflichtung, regelmäßig zum Dienst zu erscheinen und Dienst zu leisten, soweit dem Soldaten das Fernbleiben nicht ausdrücklich (z.B. durch die Gewährung von Urlaub, Dienstzeitausgleich oder "Gleitzeitabbau") durch die zuständigen Vorgesetzten gestattet wurde. Eine Nichterfüllung der Anwesenheits- und Dienstleistungspflicht beeinträchtigt auch die soldatische Verpflichtung zu jederzeitiger Einsatzbereitschaft (vgl. u.a. Urteil vom 29. Oktober 2003 - BVerwG 2 WD 9.03 - BVerwGE 119, 164 [BVerwG 29.10.2003 - 2 WD 9.03] = Buchholz 235.01 § 38 WDO  2002 Nr. 13 m.w.N.).

89

Mit seinem unberechtigten Nichterscheinen zum Dienst am 22. September 2006 verletzte der Soldat die vorbezeichnete Pflicht, weil ihm für diesen Tag nach den vom Senat getroffenen Feststellungen weder Urlaub noch Dienstzeitausgleich noch "Gleitzeitabbau" genehmigt worden war.

90

Das von Anschuldigungspunkt 3 erfasste Verhalten des Soldaten verstieß auch gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG. Denn es war geeignet, eine sein Ansehen schädigende Wirkung auszulösen. Denn ein Soldat, der unerlaubt dem Dienst fernbleibt, erweist sich in einem besonders schwerwiegenden Maße als unzuverlässig bei der Erfüllung seiner zentralen dienstlichen Pflichten. Dieses Fehlverhalten ist zumindest geeignet, einen Achtungsverlust bei Vorgesetzten, Untergebenen und anderen Kameraden herbeizuführen. Das Vertrauen, sich uneingeschränkt auf ihn und seine Einsatzbereitschaft verlassen zu können, wurde dadurch in starkem Maße in Zweifel gezogen.

91

Insgesamt hat der Soldat damit gemäß § 23 i.V.m. §§ 7, 13 Abs. 1, 17Abs. 2 Satz 1 SG ein Dienstvergehen begangen, wobei er als Vorgesetzter der verschärften Haftung des § 10 Abs. 1 SG unterliegt.

92

e) Bemessung der gerichtlichen Disziplinarmaßnahme

Die von der Truppendienstkammer verhängte gerichtliche Disziplinarmaßnahme einer Herabsetzung in den Dienstgrad eines Stabsfeldwebels ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist erforderlich und angemessen, so dass die Berufung des Soldaten zurückzuweisen ist.

93

Bei der konkreten Maßnahmebemessung ist von der von Verfassungs wegen ( Art. 20 Abs. 1, Art. 103 Abs. 3 GG ) allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr", vgl. dazu u.a. BVerfG, Beschlüsse vom 2. Mai 1967 - 2 BvL 1/66 - BVerfGE 21, 391 [BVerfG 02.05.1967 - 2 BvL 1/66] <406> und vom 26. Mai 1970 - 1 BvR 668/68, 1 BvR 710/68, 1 BvR 337/69 - BVerfGE 28, 264; BVerwG, Urteile vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO  2002 Nr. 26 und vom 5. August 2008 - BVerwG 2 WD 14.07 - jeweils m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

94

aa) Die "Eigenart und Schwere" eines Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung, mithin also nach der Bedeutung der verletzten Pflichten. Hier liegt der Schwerpunkt des Dienstvergehens des Soldaten bei Anschuldigungspunkt 3 (unberechtigtes Nichterscheinen zum Dienst am 22. September 2006) in der Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen ( § 7 SG ), bei Anschuldigungspunkt 4 (am 21. September 2006 vorgenommene Falschbuchung im Zeiterfassungssystem) in dem Verstoß gegen die Wahrheitspflicht ( § 13 Abs. 1 SG ). Beides wiegt schwer.

95

Die Pflicht zum "treuen Dienen" ( § 7 SG ) gehört zu den zentralen Pflichten eines Soldaten. Ihre Verletzung hat in der Regel schon deshalb erhebliches Gewicht. Sie ist gerade bei solchen Vorgängen, die erfahrungsgemäß schwer kontrolliert werden können, von besonderer Bedeutung. Die Bundeswehr kann den ihr erteilten Verfassungsauftrag nur dann erfüllen, wenn nicht nur das innere Gefüge der Streitkräfte so gestaltet ist, dass sie ihren militärischen Aufgaben gewachsen ist, sondern auch ihre Angehörigen jederzeit präsent und einsatzbereit sind. Der Dienstherr muss sich darauf verlassen können, dass jeder Soldat seinen Pflichten zur Erfüllung der verfassungsmäßigen Aufgaben der Bundeswehr nachkommt und alles unterlässt, was deren konkreter Wahrnehmung zuwiderläuft. Dazu gehören insbesondere die Pflichten zur Anwesenheit und gewissenhaften Dienstleistung. Die Verletzung der Pflicht zur militärischen Dienstleistung berührt nicht nur die Einsatzbereitschaft der Truppe, sie erschüttert insbesondere die Grundlage des Dienstverhältnisses selbst, wie der erkennende Senat wiederholt zum Ausdruck gebracht hat (vgl. u.a. Urteil vom 1. September 1998 - BVerwG 2 WD 26.97 -). Gerade bei einem aufgrund freiwilliger Verpflichtung berufenen Soldaten gehören Anwesenheit und Dienstleistung zu den Kernpflichten.

96

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats kommt auch der Wahrheitspflicht ( § 13 Abs. 1 SG ) im militärischen Bereich hohe Bedeutung zu. Die Wahrheitspflicht ist insbesondere von erheblicher Bedeutung, wenn ein Soldat Angaben macht, die auf die Erfüllung seiner Anwesenheitspflicht ausgerichtet sind. Denn der Dienstherr ist auf wahrheitsgemäße Angaben des Antragstellers angewiesen, weil dieser Bereich den Kern des militärischen Ordnungsgefüges betrifft. Ein Soldat, der gegenüber Vorgesetzten und Dienststellen der Bundeswehr diesbezügliche unwahre Erklärungen abgibt, beschädigt damit in starkem Maße seine persönliche Integrität und seine Glaubwürdigkeit (vgl. u.a. Urteil vom 24. Juni 1992 - BVerwG 2 WD 62.91 - <insoweit nicht veröffentlicht in BVerwGE 93, 265 [BVerwG 24.06.1992 - 2 WD 62.91] = NZWehrr 1993, 76).

97

Auch die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen im Dienst ( § 17 Abs. 2 Satz 1 SG ) ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung der verfassungsmäßigen Aufgaben der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, und zwar insbesondere ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner militärischen Vorgesetzten, um seine Aufgabe so zu erfüllen, dass der geordnete Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist (vgl. Urteil vom 3. Dezember 1970 - BVerwG 1 WD 4.70 - BVerwGE 43, 149 [BVerwG 03.12.1970 - BVerwG I WD 4/70] <150>).

98

Erschwerend kommt vorliegend hinzu, dass der Soldat als Oberstabsfeldwebel in einer herausragenden Vorgesetztenstellung innerhalb seiner Dienstgradgruppe versagte. Je höher ein Soldat in den Dienstgradgruppen steigt und je mehr Verantwortung ihm übertragen wird, umso größer sind die Anforderungen, die an seine Zuverlässigkeit, sein Pflichtgefühl und sein Verantwortungsbewusstsein gestellt werden müssen, und umso schwerer wiegt folglich ein Dienstvergehen, das er sich zuschulden kommen lässt (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 9. Juli 1991 - BVerwG 2 WD 41.90 - BVerwGE 93, 126 [BVerwG 09.07.1991 - 2 WD 41.90] <131 f.> = NZWehrr 1994, 254 und vom 24. Juni 1992 - BVerwG 2 WD 62.91 - BVerwGE 93, 265 [BVerwG 24.06.1992 - 2 WD 62.91] <269> = NZWehrr 1993, 76).

99

Die herausgehobene Stellung des Soldaten als "Spitzenportepeeunteroffizier" hätte es erfordert, dass er insoweit als Vorgesetzter in Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel gibt ( § 10 Abs. 1 SG ). Denn nur wer selbst ein beispielhaftes Verhalten zeigt, kann von seinen Untergebenen erwarten, dass sie sich am Vorbild ihres Vorgesetzten orientieren und ihre Pflichten nach besten Kräften und aus innerer Überzeugung erfüllen.

100

bb) Die Schuld des Soldaten wird vor allem durch sein vorsätzliches Handeln bestimmt. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass zum Zeitpunkt der Dienstpflichtverletzungen seine Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB eingeschränkt oder gar ausgeschlossen war.

101

Schuldmildernde Umstände bei Begehung der Tat sind nicht festzustellen. Solche Milderungsgründe in der Tat sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 18. März 1997 - BVerwG 2 WD 29.95 - <insoweit nicht veröffentlicht in BVerwGE 113, 70 [BVerwG 18.03.1997 - 2 WD 29.95] = Buchholz 235.0 § 34 WDO Nr. 28 = NZWehrr 1997, 212> und vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - BVerwGE 118, 161 [BVerwG 06.05.2003 - 2 WD 29.02] = Buchholz 235.01 § 107 WDO  2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 31 m.w.N.). Als solche Besonderheiten sind unter anderem ein Handeln in einer ausweglos erscheinenden, unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage, die auf andere Weise nicht zu beheben war, ein Handeln unter schockartig ausgelöstem psychischen Zwang oder unter Umständen anerkannt worden, die es als unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten erscheinen lassen, sowie ein Handeln in einer körperlichen oder seelischen Ausnahmesituation (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 1. September 1997 - BVerwG 2 WD 13.97 - BVerwGE 113, 128 [BVerwG 01.09.1997 - 2 WD 13.97] <129 f.> = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 16 <insoweit nicht veröffentlicht in NZWehrr 1998, 83> und vom 6. Mai 2003 a.a.O.). Die Voraussetzungen für das Vorliegen dieser oder ähnlicher Milderungsgründe sind hier nicht erfüllt.

102

Insbesondere handelte es sich entgegen der Auffassung der Verteidigung bei dem Fehlverhalten nicht um eine unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten. Das ergibt sich schon daraus, dass der Soldat planmäßig vorging. Er entschloss sich nicht aus der Situation des Augenblicks heraus ohne hinreichende Gelegenheit zum Bedenken seines Tuns zu seinem Fehlverhalten, sondern wusste und wollte sich einen dienstfreien Tag erschwindeln, ohne sein "Urlaubskonto" bzw. "Gleitzeitkonto" zu belasten. Nach der am 21. September 2006 morgens um 6:29:02 Uhr vorgenommenen Falschbuchung hatte er den ganzen Tag über hinreichende Gelegenheit, seine fehlerhafte Eingabe in das Zeiterfassungssystem zu korrigieren und am nächsten Tag ordnungsgemäß zum Dienst zu erscheinen. Das unterließ er jedoch. Von einem spontanen Verhalten kann angesichts dessen schon deshalb nicht die Rede sein.

103

Konkrete Anhaltspunkte für ein den Soldaten teilweise entlastendes Mitverschulden von Vorgesetzten - etwa im Hinblick auf eine nicht hinreichende Wahrnehmung der Dienstaufsicht (vgl. dazu u.a. Urteile vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 4.03 - Buchholz 235.01 § 38 WDO  2002 Nr. 2, vom 6. Mai 2003 a.a.O. und vom 13. Juni 2006 - BVerwG 2 WD 1.06 -) - sind nicht erkennbar. Selbst wenn seine Vorgesetzten bei der Führung und Überwachung der Akten und Unterlagen über die Gewährung von Urlaub, Dienstzeitausgleich und "Gleitzeitabbau" sowie bei der Kontrolle der Anwesenheit bzw. Abwesenheit des Soldaten ihre Pflicht zur Dienstaufsicht verletzt haben sollten, vermag ihn dies nicht zu entlasten. Insbesondere das Zeiterfassungs- und Gleitzeitsystem ermöglichte dem Soldaten zwar eine hohe Flexibilität in der Bestimmung seiner Dienstzeit. Auf der anderen Seite erschwerte es aber objektiv die Wahrnehmung der Dienstaufsicht. Der Vorteil der Berechtigung, die Lage der Dienstzeit in erheblichem Umfang selbst bestimmen zu dürfen, korrespondierte mit einem höheren Maß an persönlicher Verantwortung, was gleichzeitig eine Berufung auf das Versagen von Vorgesetzten in Bezug auf ihre Dienstaufsicht begrenzt. Entscheidend ist aber unabhängig davon, dass der Soldat zur Vermeidung seines Fehlverhaltens keiner dienstaufsichtlichen Maßnahmen bedurfte, um zu wissen, dass er ausschließlich wahrheitsgemäße Eingaben in das elektronische Zeiterfassungssystem machen und nur nach Genehmigung seines zuständigen Vorgesetzten seinem Dienst fernbleiben durfte. Es fehlt an jedem Anhaltspunkt dafür, dass sich der Soldat in einer Situation befand, die von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten von ihm nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte.

104

cc) Die Auswirkungen des Fehlverhaltens lagen vor allem darin, dass der Soldat am 22. September 2006 keinen Dienst leistete. Ungeachtet dessen erhielt der Soldat für diesen Fehltag dennoch Dienstbezüge. Seine Kameraden mussten die an jenem Tage anfallenden Aufgaben für ihn miterfüllen. Sein Fehlverhalten führte auch dazu, dass innerhalb seines Dezernats das Vertrauen seiner Vorgesetzten in seine persönliche Integrität erschüttert wurde. Das Dienstvergehen wurde zudem in seiner Einheit bekannt, weil der Disziplinarvorgesetzte des Soldaten im Wege der Dienstaufsicht tätig werden und dazu zahlreiche Vernehmungen und Ermittlungen durchführen und veranlassen musste. Darüber hinaus ist das Dienstvergehen nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen Sch., des damaligen Disziplinarvorgesetzten, allerdings nicht bekannt geworden. Die konkreten Auswirkungen auf den Dienstbetrieb blieben deshalb relativ gering, weil der Soldat schon bald - aus anderen Gründen - wegkommandiert und wegversetzt wurde.

105

dd) Das Vorgehen des Soldaten diente ersichtlich dem Ziel, unrechtmäßig mehr Freizeit zu erhalten. Er handelte damit eigennützig. Ausweislich des Buchungsjournals nahm der Soldat im Jahr 2005 an 66 Tagen und im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. September 2006 an 53 Tagen Urlaub, wobei bis Ende des Jahres vier weitere Urlaubstage hinzukamen, so dass der Soldat danach in den Jahren 2005 und 2006 an insgesamt 123 Tagen urlaubsbedingt abwesend war. Dies ist mehr als das Doppelte des ihm in zwei Jahren zustehenden Erholungsurlaubes. Sein Zeitguthaben wies hingegen regelmäßig kaum mehr als 30 Stunden auf, so dass ohne den Eintrag "Urlaub" erhebliche Sollzeiten aufgebaut worden wären, die weitere Anträge auf Zeitausgleich von vornherein aussichtslos gemacht hätten. Das legt die Schlussfolgerung nahe, dass es ihm auch bei dem vorliegend allein festgestellten Fehlverhalten darauf ankam, möglichst Freizeit zu "erwirtschaften". Dem steht auch seine ansonsten gute dienstliche Reputation nicht entgegen, weil Wohlverhalten und gute Leistungen im Dienst den Willen nicht ausschließen, von Freizeit möglichst ausgiebig Gebrauch machen zu wollen.

106

ee) Für den Soldaten spricht allerdings seine bisherige Führung. Bis zu dem Dienstvergehen hat er sich - soweit ersichtlich - im und außer Dienst völlig tadelfrei geführt und ist weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten. Er erhielt zudem eine förmliche Anerkennung und eine Leistungsprämie. Ferner wurde zu seinen Gunsten eine Leistungsstufe festgesetzt. Darüber hinaus erbrachte er ausweislich der vorliegenden dienstlichen Beurteilungen gute bis sehr gute dienstliche Leistungen. Dies kam sowohl in der letzten planmäßigen Beurteilung vom 2. April 2002 beim .../Transportbataillon ... als auch in den Bekundungen der Leumundszeugen S., Sch. und D. zum Ausdruck. Auch nach Bekanntwerden seines Fehlverhaltens und nach Versetzung zum Sanitätskommando ... erbrachte er weiterhin, teilweise mit ansteigender Tendenz, hervorragende dienstliche Leistungen. Eine Nachbewährung ist ihm daher zu attestieren. In der Sonderbeurteilung der ...-Abteilung Sanitätskommando ... vom 21. November 2007 erhielt der Soldat im Bereich "Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten" im Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung die Note 7,86. Dabei wurden die Einzelmerkmale "Fachkenntnis", "Praktisches Können" sowie "Informations- und Kommunikationsverhalten" mit "7", die Merkmale Zielerreichung", "Eigenständigkeit", "Planung und Organisation" und "Zusammenarbeit" mit "8" sowie das Einzelmerkmal "Belastbarkeit" mit "9" bewertet. Des Weiteren wird in dieser Sonderbeurteilung vom 21. November 2007 ausgeführt:

"Ausgestattet mit großem Selbstbewusstsein ist OStFw L. ein durch seine Lebenserfahrung und verschiedensten Verwendungen geprägter Uffz m.P., der durch seine Zuverlässigkeit und Selbstständigkeit besticht. Geradlinig, ehrlich und loyal verfügt er über einen aufrichtigen Charakter. Durch seine Fähigkeit, komplex zu denken, gewährleistet er durch die flexible und innovative Planung und optimale Nutzung der zur Verfügung stehenden Ressourcen stets eine qualitativ hochwertige Auftragserfüllung in seinem Bereich. Ausgeprägtes Pflicht- und Qualitätsbewusstsein, Organisationsfähigkeit, vor allem aber unbändige Tatkraft kennzeichnen seine Arbeit, mit der er konstant weit überdurchschnittliche Leistungen erzielt.

OStFw L. ist ein Gewinn für das SanKdo ... und ein Leistungsträger in der ...-Abteilung. Zu Recht gehört er zur Leistungsspitze seiner Laufbahn. Willensstärke, Leistungsbereitschaft, Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein sowie ein vorbildliches berufliches und soldatisches Selbstverständnis sind besondere Merkmale seiner Persönlichkeit.

Durch seine ruhige, ausgeglichene Art sowie sein freundliches und zuvorkommendes Auftreten gelingt es ihm immer, das Vertrauen seiner Mitarbeiter und Vorgesetzten zu gewinnen. Im Kameradenkreis ist er beliebt, seine Meinung gefragt und ein geschätzter Gesprächspartner. Man merkt ihm an, dass er gerne Soldat ist. Insgesamt ein Portepeeträger mit dem es Freude macht, zusammenzuarbeiten."

107

Der nächsthöhere Vorgesetzte, Oberstarzt und Chef des Stabes des Sanitätskommandos ... Dr. W., stimmte dieser Beurteilung zu und führte ergänzend aus:

"Die Beurteilung des OStFw L., die ich uneingeschränkt mittrage, beschreibt in ausgezeichneter Weise einen herausragenden Unteroffizier m.P., der durch ein hohes Maß an persönlichem Engagement und Einsatzbereitschaft überzeugt. Geistige Flexibilität, belastbar auch weit über die normale Dienstzeit hinaus und berufliche Erfahrung lassen die ihm übertragenden Aufgaben durch große Selbstständigkeit und Feingefühl mühelos gelingen. Uneingeschränkte Loyalität gepaart mit einer tadellosen Berufsauffassung ist er unbestritten ein Leistungsträger in der ...-Abteilung im Stab SanKdo ... Dabei ist er ein äußerst wertvoller Berater seiner Vorgesetzten.

Ein Höchstmaß an beruflicher Kompetenz und als geR.te Persönlichkeit hat er zurecht den Spitzendienstgrad seiner Laufbahn erreicht und vertritt dabei beispielhaft seine Dienstgradgruppe. Sein geR.tes, gefestigtes, offenes und stets freundliches Selbstverständnis trotz hoher Belastung runden das Bild dieses höchst qualifizierten Unteroffizier m.P. ab. Charakterlich geprägt von Integrität und vorbildlichem Verhalten, identifiziert sich OStFw L. uneingeschränkt und umfassend mit seinen ihm übertragenen Aufträgen, bei denen er zielstrebig zu umfassenden, effektiven sowie effizienten Lösungen kommt und dabei immer im Sinne der Führung des SanKdo ... denkt und handelt.

Die vom Abteilungsleiter ... gemachten Verwendungsvorschläge teile ich uneingeschränkt. Aufgrund seines Leistungsbildes und seiner Gesamtpersönlichkeit unterstütze ich insbesondere den Verwendungsvorschlag als Attachéfeldwebel nach einer angemessenen Stehzeit im Stab SanKdo ..."

108

Unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung dieser Sonderbeurteilung vom 21. November 2007 führte der Beurteilende in einem Vermerk vom 9. Oktober 2008 zudem aus:

"OStFw L. hat sein weit überdurchschnittliches Eignungs- und Leistungsbild sowie sein unermüdliches Engagement in seinem Aufgabenbereich eindrucksvoll bestätigt. Er zeigt auch unter deutlich erhöhter psychischer und physischer Belastung kein Nachlassen seiner Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit, sondern beweist täglich in außergewöhnlicher Weise, dass er den dienstlichen Anforderungen hervorragend gewachsen ist. OStFw L. ist eine gereifte Persönlichkeit, die charakterlich gefestigt ist und die sich im täglichen Dienstbetrieb durch sein hohes Engagement heraushebt. Unermüdlich in der Auftragserfüllung ist er ein Vorbild eines jeden Soldaten im Stab SanKdo ... OStFw L. ist ein Mitarbeiter, wie ihn sich jeder Vorgesetzte wünscht und der alle positiven Attribute, die an einen Soldaten gestellt werden, mitbringt. Ein grundehrlicher, stets loyaler, leistungsbereiter und leistungsfähiger Unteroffizier mit Portepee, der beispielgebend ist und zu Recht frühzeitig den Spitzendienstgrad seiner Dienstgradgruppe erreicht hat!"

109

ff) Bei der gebotenen Gesamtwürdigung fallen vor allem der Unrechtsgehalt und die Eigenart des Fehlverhaltens des Soldaten ins Gewicht, welches Verletzungen von zwei zentralen soldatischen Dienstpflichten beinhaltet. Belastend hinzu kommt die vorsätzliche Begehungsweise.

110

Der erkennende Senat hält in ständiger Rechtsprechung im Falle eines unerlaubten eigenmächtigen Fernbleibens eines Soldaten von der Truppe bei kürzerer eigenmächtiger Abwesenheit aus spezial- und generalpräventiven Gründen regelmäßig eine Dienstgradherabsetzung für geboten. Nach Maßgabe der in § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO normierten Zumessungskriterien kann es sogar geboten sein, diese Herabsetzung bis in einen Mannschaftsdienstgrad vorzunehmen. Bei Fahnenflucht, bei längerdauernder oder wiederholter eigenmächtiger Abwesenheit ist das Dienstvergehen so gravierend, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Senats regelmäßig auf eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis oder die sonst gebotene Höchstmaßnahme erkannt wird (stRspr, vgl. Urteile vom 28. April 1978 - BVerwG 2 WD 6.78 - BVerwGE 63, 66, [BVerwG 28.04.1978 - 2 WD 6/78] vom 6. März 1990 - BVerwG 2 WD 36.89 - BVerwGE 86, 258, [BVerwG 06.03.1990 - 2 WD 36/89] vom 24. Oktober 1990 - BVerwG 2 WD 11.90 -, vom 14. November 2007 - BVerwG 2 WD 29.06 - Buchholz 450.2 § 84 WDO  2002 Nr. 4 m.w.N. und vom 5. August 2008 - BVerwG 2 WD 14.07 -). Hieran hält der Senat aus Gründen der Gleichbehandlung ( Art. 3 Abs. 1 GG ) und der Rechtssicherheit fest.

111

Bereits dann, wenn der betreffende Soldat für einen Tag oder mehrere Tage unberechtigt dem Dienst fernbleibt, erfordert dies mithin regelmäßig eine von außen wahrnehmbare Maßnahme, also zumindest eine Herabsetzung im Dienstgrad.

112

Angesichts des erheblichen Unrechtsgehalts des Fehlverhaltens bedarf der Soldat auch im vorliegenden Fall einer solchen nachdrücklichen Pflichtenmahnung. Für eine Abweichung nach "oben" oder "unten" besteht nach Maßgabe der Kriterien des § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO im Hinblick auf den Zweck des Disziplinarrechts, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb sicherzustellen und/oder wiederherzustellen, keine Veranlassung.

113

Eine Herabsetzung im Dienstgrad macht sowohl für den Betroffenen als auch für sein berufliches Umfeld deutlich, dass ein solches Fehlverhalten keinesfalls hingenommen werden kann und gravierende Folgen für seine dienstliche Stellung und seine weitere berufliche Zukunft nach sich zieht. Von einer Dienstgradherabsetzung hätte nur dann abgesehen werden können, wenn es sich um einen atypischen Fall gehandelt hätte, der das Gewicht des Dienstvergehens in einem milderen Licht erscheinen ließe. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Insbesondere liegen, wie zuvor ausgeführt, keine Milderungsgründe in den Umständen der Tat vor. Ein Beförderungsverbot in Verbindung mit einer Kürzung der Dienstbezüge reicht deshalb als angemessene Disziplinarmaßnahme nicht aus. Die festgestellten Milderungsgründe in der Person des Soldaten (langjährige sehr ansprechende dienstliche Leistungen; Nachbewährung) rechtfertigen es nicht, von einer Dienstgradherabsetzung abzusehen und auf eine andere Maßnahmeart zurückzugR.en.

114

Soweit der Soldat bis zuletzt in der Berufungshauptverhandlung sein vom Senat schließlich festgestelltes Fehlverhalten geleugnet hat, hat er damit zwar von seinem ihm zustehenden Recht Gebrauch gemacht, sich nicht selbst belasten zu müssen (vgl. dazu Urteile vom 11. Juli 1968 - BVerwG 2 WD 13.68 und 2 WD 14.68 - BVerwGE 33, 168 und vom 21. Dezember 2006 - BVerwG 2 WD 19.05 - Buchholz 450.2 § 21 WDO  2002 Nr. 1 = NZWehrr 2009, 119; ZDv 14/3 B 116 Nr. 6c; Walz in Walz/Eichen/Sohm, SG, 1. Auflage 2006, § 13 Rn. 20). Ungeachtet dessen hat ein solches Verhalten allerdings zur Konsequenz, dass der Senat eine hinreichende Einsicht des Soldaten in sein Fehlverhalten und daraus gezogene positive Schlussfolgerungen nicht hat feststellen können. Nach den in der Berufungshauptverhandlung getroffenen Feststellungen bietet die Persönlichkeit des Soldaten nach der vom Senat gewonnenen Überzeugung auch wegen der ausgebliebenen, zumindest nicht feststellbaren subjektiven Aufarbeitung des Fehlverhaltens insgesamt keine hinreichende Gewähr für eine künftige Beachtung seiner zentralen hier in Rede stehenden dienstlichen Pflichten in ähnlichen Situationen, so dass auch aus spezialpräventiven Gründen von der Verhängung einer Dienstgradherabsetzung nicht abgesehen werden konnte.

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Die Milderungsgründe in der Person des Soldaten (langjährige sehr ansprechende dienstliche Leistungen; Nachbewährung) sind von der Truppendienstkammer zutreffend bei der Verkürzung der Wiederbeförderungszeit auf 2 Jahre berücksichtigt worden. Da dem Soldat noch ca. sieben Dienstjahre bis zur Zurruhesetzung verbleiben, ist die Möglichkeit einer Wiederbeförderung nicht von vornherein ausgeschlossen.

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Nicht zugunsten des Soldaten hat der Senat berücksichtigen können, dass der Soldat nach seinen Angaben im Fall einer Degradierung nicht mehr an seinem jetzigen Dienstort in D. verbleiben kann. Personalrechtliche Folgen, die aus einem disziplinaren Fehlverhalten eines Soldaten resultieren, hat sich dieser selbst zuzuschreiben und vermögen nicht das Unrecht der Tat zu mildern. Sofern die gerichtliche Entscheidung eine persönliche Härte für den Soldaten nach sich ziehen sollte, ist es nicht Aufgabe des erkennenden Gerichts diese zu mildern; dazu sind allein die militärischen Vorgesetzten aufgrund ihrer bestehenden Fürsorgepflicht berufen.

117

Die Berufung des Soldaten ist somit unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

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4. Die Kosten des Verfahrens hat der Soldat gemäß § 139 Abs. 2 WDO zu tragen, weil seine Berufung im Ergebnis keinen Erfolg hatte. Die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen ganz oder teilweise dem Bund aufzuerlegen, ist gemäß § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO unzulässig.

Dr. Deiseroth

Dr. Müller

Dr. Frentz

Oberstleutnant i.G. Reershemius

Oberfeldwebel Gerlach

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