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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 15.06.2009, Az.: BVerwG 4 B 20.09
Anforderungen an die Begründung einer Revision im Falle einer auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützten vorinstanzlichen Entscheidung
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 15.06.2009
Referenz: JurionRS 2009, 15651
Aktenzeichen: BVerwG 4 B 20.09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VG München - 10.07.2007 - AZ: M 2 K 06.4914

VGH Bayern - 18.12.2008 - AZ: 4 BV 07.3067

Rechtsgrundlage:

§ 132 Abs. 2 VwGO

BVerwG, 15.06.2009 - BVerwG 4 B 20.09

In der Verwaltungsstreitsache
...
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. Juni 2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Petz
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 738 400 EUR festgesetzt.

Gründe

I

1

Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der zwischen den Beteiligten geschlossene städtebauliche Vertrag vom 24. Juli 2003 nichtig ist. Zur Begründung heißt es in dem angefochtenen Urteil, es fehle an der erforderlichen Kausalität zwischen der städtebaulichen Maßnahme, der zusätzlichen Anbindung des Gewerbegebiets Eching-Ost an das überörtliche Straßennetz, und dem Vorhaben der S. AG. Die vertragliche Überwälzung der Kosten für den Autobahnzubringer auf die Klägerin und die übrigen Neunutzer widerspreche zudem dem Gebot der Angemessenheit und dem Gleichheitssgrundsatz. Die Heranziehung nur der Neunutzer, nicht aber der Altnutzer sei mit dem Gleichbehandlungsgebot nicht vereinbar, wenn - wie hier - die städtebauliche Maßnahme nicht in dem Sinne teilbar sei, dass sie anteilig einer bestimmten Nutzergruppe zugeordnet werden könnte. Selbst im Fall einer - unterstellten - Teilbarkeit stehe der Heranziehung der Neunutzer entgegen, dass die Beklagte nicht eindeutig nachvollziehbar den auf die Alt- und Neunutzer jeweils entfallenen Anteil nebst einem etwaigen Eigenbehalt (für den Nutzen des Zubringers für die Allgemeinheit) aufgelistet und bei den Neunutzern den auf sie entfallenden Anteil entsprechend dem Verteilungsschlüssel nach § 7 des städtebaulichen Vertrags umgelegt habe. Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten davon ausgehen wollte, der von ihr getragene Anteil (vorläufig 13,1 Mio. DM) stelle die Übernahme des auf die Altnutzer entfallenden Anteils dar, ergäbe sich bei einem unterstellten gleichen Vorteil für Alt- und Neunutzer ein Missverhältnis zu Lasten der Neunutzer (ca. 13,1 Mio. DM zu ca. 22,7 Mio. DM aus städtebaulichen Verträgen mit den Neunutzern). Dies gelte erst recht, wenn man darauf abstelle, dass gemessen an den prognostizierten Verkehrsströmen die Altnutzer zu ¾ begünstigt würden.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Beklagte mit ihrer Beschwerde.

II

3

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

4

Ist die vorinstanzliche Entscheidung - wie hier - auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (vgl. Beschluss vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4; stRspr). Wenn nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begründung nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert.

5

Das Berufungsgericht hat die seine Entscheidung selbständig tragende Begründung, die vertragliche Überwälzung der Kosten für den Autobahnzubringer allein auf die Klägerin und die sonstigen Neunutzer widerspreche dem Angemessenheitsgebot und dem Gleichbehandlungsgebot, ihrerseits mit mehreren selbständig tragenden Argumenten untermauert. Die Grundsatzrügen nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und die Divergenzrügen nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO beziehen sich auf die rechtlichen Ansätze des Berufungsgerichts, die Unteilbarkeit der städtebaulichen Maßnahme stehe der Heranziehung allein der Neunutzer entgegen und die Heranziehung der Neunutzer scheitere selbst im Falle der unterstellten Teilbarkeit daran, dass die auf die Allgemeinheit, Altnutzer und Neunutzer entfallenen Kosten nicht plausibel und transparent aufgeschlüsselt seien. Beide Rügen erfassen nicht die weitere Begründung. Das Berufungsurteil ist bei dem Vorwurf der fehlenden Auflistung der Kosten nach Gemeindeanteil, Anteil für Altnutzer und Anteil für Neunutzer nicht stehen geblieben, sondern hat in einem weiteren Schritt zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass sich die Kosten zuordnen lassen, indem der von der Beklagten zu tragende Anteil von vorläufig 13,1 Mio. DM für die Altnutzer in Ansatz gebracht worden ist und 22,7 Mio. DM von den Neunutzern aufgebracht werden müssen. Dass es gleichwohl die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung verneint hat, beruht auf der Ansicht, dass bei gleichem oder gar überwiegendem Vorteil einer städtebaulichen Maßnahme für Altnutzer die Belastung der Neunutzer diejenige der Altnutzer nicht wesentlich übersteigen dürfe.

6

Hiergegen wendet sich die Beschwerde allein mit einer Verfahrensrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Sie hält dem Berufungsgericht eine aktenwidrige Feststellung vor. Die Annahme eines Missverhältnisses zu Lasten der Neunutzer stehe in offenkundigem Widerspruch zu dem Akteninhalt, aus dem sich ergebe, dass der Freistaat Bayern einen Zuschuss zu den Kosten des Autobahnzubringers in Höhe von 12 Mio. DM gewährt habe. Hätte das Berufungsgericht diesen Umstand nicht außer Acht gelassen, wäre es zu dem Ergebnis gekommen, dass die insgesamt von der öffentlichen Hand getragenen Kosten mit 25,1 Mio. DM den von den Privaten getragenen Kostenanteil bereits jetzt nicht unerheblich überstiegen. Zudem habe die Vorinstanz aktenwidrig ignoriert, dass der von der Beklagten zu tragende Kostenanteil insbesondere im Hinblick auf noch zu zahlende Enteignungsentschädigungen um einen weiteren siebenstelligen Euro-Betrag ansteigen werde und sich die von der öffentlichen Hand getragenen Kosten deshalb noch erheblich erhöhten.

7

Die Verfahrensrüge greift nicht durch. Das Berufungsgericht hat den von der Beklagten zu tragenden Kostenanteil dem von den Privaten zu tragenden Kostenanteil gegenübergestellt und hat den auf die Beklagte entfallenden Anteil mit vorläufig 13,1 Mio. DM beziffert. Der Wert ist richtig und vom Berufungsgericht nicht als fixe, sondern als vorläufige, der Veränderung zugängliche Größe gekennzeichnet. Damit steht fest, dass der Vorhalt der Beschwerde, das Berufungsgericht sei von einem aktenwidrigen Sachverhalt ausgegangen, unberechtigt ist. Der Bereich der Tatsachenfeststellung ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz aus zu beurteilen, auch wenn dieser Standpunkt rechtlich verfehlt sein sollte (Urteil vom 25. März 1987 - BVerwG 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183; stRspr). Mit einer Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung lässt sich danach ein Verfahrensmangel nicht aufzeigen (Beschluss vom 2. November 1999 - BVerwG 4 BN 41.99 - UPR 2000, 226). Eine solche Kritik übt die Beschwerde aber in Wahrheit. Sie beanstandet nämlich, dass das Berufungsgericht den Zuschuss des Freistaats Bayern nicht der Beklagten "gutgeschrieben" und eine mögliche oder zu erwartende Kostensteigerung auf Seiten der Beklagten nicht in einem Sinne gewürdigt hat, der für die von der Klägerin in Anspruch genommene Rechtsposition ungünstig ist.

8

Da die Beschwerde mit ihrem Angriff gegen die Auffassung des Berufungsgerichts scheitert, der städtebauliche Vertrag sei selbst dann wegen eines Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung nichtig, wenn die Beklagte mit ihrem Kostenanteil den auf die Altnutzer entfallenden Anteil habe tragen wollen, kann offen bleiben, ob die sonstigen Rügen geeignet wären, die Zulassung der Revision auszulösen.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Prof. Dr. Rubel
Gatz
Petz

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