Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundessozialgericht
Beschl. v. 26.06.2024, Az.: B 3 P 3/24 B

Zulassung der Revision durch Darlegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache; Erstattung von coronabedingten Mindereinnahmen oder Mehraufwendungen einer zugelassenen Pflegeeinrichtung

Bibliographie

Gericht
BSG
Datum
26.06.2024
Aktenzeichen
B 3 P 3/24 B
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 19607
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:BSG:2024:260624BB3P324B0

Verfahrensgang

vorgehend
SG Speyer - 16.06.2023 - AZ: S 9 P 184/21
LSG Rheinland-Pfalz - 14.02.2024 - AZ: L 5 P 35/23

Redaktioneller Leitsatz

Eine Pflegeeinrichtung hat keinen Anspruch auf Erstattung coronabedingter Mindereinnahmen oder Mehraufwendungen, wenn sie im besagten Zeitraum noch keine vertraglich vereinbarte Versorgung übernommen hat.

Die Rüge eines Verstoßes gegen das allgemeine Gleichheitsgebot erfordert u.a. eine Auseinandersetzung mit naheliegenden Gründen für die als Gleichheitsverstoß gerügte Differenzierung.

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat am 26. Juni 2024 durch den Richter Prof. Dr. Flint als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Behrend und Dr. Knorr
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Februar 2024 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 97 617,56 Euro festgesetzt.

Gründe

I

1

Das LSG hat das Erstattungsbegehren der durch Versorgungsvertrag vom 19.1.2021 mit Wirkung zum 1.1.2021 zugelassenen Klägerin, das SARS-CoV-2 bedingte Mehraufwendungen und Mindereinnahmen für November 2020 bis Januar 2021 betraf, wie zuvor das SG für unbegründet gehalten. Für den Zeitraum vom 1.11.2020 bis 31.12.2020 scheitere dies an der fehlenden Zulassung der Klägerin. Für den Zeitraum vom 1.1.2021 bis zum 24.1.2021 bestehe kein Erstattungsanspruch, weil die Klägerin noch keine vertraglich vereinbarte Versorgung übernommen habe.

2

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG. Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

II

3

Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 169 Satz 2 SGG).

4

Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision ua zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Diesen vorliegend allein geltend gemachten Zulassungsgrund hat die Klägerin in der Begründung der Beschwerde nicht schlüssig dargelegt (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

5

Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG prüfen zu können (vgl Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozial-gerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, IX. Kap, RdNr 284 mwN). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet worden sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Meßling, aaO, RdNr 286 f). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG vom 16.12.1993 - 7 BAr126/93 - SozR 3-1500 § 160a Nr 16). Hierfür ist eine substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen ebenso erforderlich wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben (vgl BSG vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8).

6

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Es wird bereits keine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert (vgl BSG vom 2.3.2015 - B 12 KR 60/14 B - juris RdNr 15 mwN). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage mit erkennbarem Bezug zu einer solchen Norm ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann. In der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin ua geltend, dass sie ab dem 1.1.2021 eine zugelassene Pflegeeinrichtung sei und ihr bereits deshalb entsprechende Erstattungen aufgrund von Mindereinnahmen oder Mehrausgaben zu leisten seien. Die Zulassung erst ab 1.1.2021 beruhe auf einer "verzögerten Bearbeitung" der AOK Rheinland-Pfalz. Für die Erstattung von Mindereinnahmen könne nicht ausschließlich auf die Vereinbarung einer Versorgung abgestellt werden. Aus ihrer Sicht habe sie alles Notwendige getan und Aufwendungen in Kauf genommen, um Intensivpatienten zu versorgen, die gerade aufgrund der Corona-Pandemie extrem gefährdet gewesen seien. Dieser Vortrag der Klägerin zielt jedoch nicht auf die Beantwortung einer abstrakten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern letztlich auf eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache "richtig" entschieden hat. Eine solche Überprüfung erfolgt im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde indes nicht.

7

Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen Art 3 GG rügt, fehlt es auch an hinreichenden Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit. Wer sich auf die Verfassungswidrigkeit einer Regelung beruft, darf sich nicht auf die Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl etwa BSG vom 1.2.2022 - B 3 KR 39/21 B - RdNr 6 mwN). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des GG dargelegt werden (vgl BSG vom 20.7.2010 - B 1 KR 10/10 B - RdNr 6). Bei Rügen eines Verstoßes gegen das allgemeine Gleichheitsgebot erfordert das ua eine Auseinandersetzung mit naheliegenden Gründen für die als Gleichheitsverstoß gerügte Differenzierung (vgl zur schlüssigen Darlegung eines Verstoßes gegen das allgemeine Gleichheitsgebot BVerfG <Kammer> vom 23.8.2010 - 1 BvR 1141/10 - SozR 4-2500 § 87 Nr 23 RdNr 15 mwN). Auch ein solcher Vortrag fehlt.

8

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs 2 VwGO, die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

Flint
Knorr
Behrend