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Bundessozialgericht
Beschl. v. 24.04.2023, Az.: B 5 R 59/23 B

Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Bezeichnung eines Verfahrensmangels; Rüge einer Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung

Bibliographie

Gericht
BSG
Datum
24.04.2023
Aktenzeichen
B 5 R 59/23 B
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 24101
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:BSG:2023:240423BB5R5923B0

Verfahrensgang

vorgehend
LSG Berlin-Brandenburg - 06.12.2022 - AZ: L 33 R 938/20
SG Neuruppin - 05.11.2020 - AZ: S 22 R 282/17

Redaktioneller Leitsatz

Die Vorschriften der ZPO dürfen nur dann entsprechend angewandt werden, wenn das SGG keine Bestimmungen über das Verfahren enthält – hier verneint für den Fall der Rüge einer Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung in einem Rechtsstreit auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung in der gesetzlichen Rentenversicherung, auf die ein Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht gestützt werden kann.

in dem Rechtsstreit
BSG Az.: B 5 R 59/23 B
LSG Berlin-Brandenburg 06.12.2022 - L 33 R 938/20
SG Neuruppin 05.11.2020 - S 22 R 282/17
…………………………...,
Kläger und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigter: ………………………………….,
g e g e n
Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg,
Knobelsdorffstraße 92, 14059 Berlin,
Beklagte und Beschwerdegegnerin.
Der 5. Senat des Bundessozialgerichts hat am 24. April 2023 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. D ü r i n g sowie den Richter G a s s e r und die Richterin Prof. Dr. K ö r n e r
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. Dezember 2022 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

I

1

Der im Jahr 1963 geborene Kläger, der zuletzt als Melker beschäftigt war, begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung. Seinen im Juni 2016 gestellten Antrag lehnte der beklagte Rentenversicherungsträger ab (Bescheid vom 2.11.2016, Widerspruchsbescheid vom 3.7.2017). Im Klageverfahren ist der vom SG beauftragte Facharzt für Chirurgie und Sozialmedizin B1 nach Untersuchung des Klägers am 7.10.2019 zu der Beurteilung gelangt, dieser könne trotz der bestehenden Gesundheitsstörungen (stabile koronare Gefäßerkrankung, Bluthochdruckleiden, leichte Fehlhaltung der Wirbelsäule mit Neigung zu muskulären Reizzuständen bei Zustand nach bioprothetischem Aortenklappenersatz) leichte körperliche Tätigkeiten unter Beachtung gewisser qualitativer Einschränkungen noch vollschichtig verrichten. Seine Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt und es liege auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor. Gestützt auf dieses Gutachten hat das SG die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 5.11.2020).

2

Im Berufungsverfahren hat die Fachärztin für Allgemeinmedizin B2 in ihrem Gutachten vom 5.11.2021 den Kläger noch für in der Lage erachtet, leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 6.12.2022) und sich dabei auf die überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen B1 und B2 bezogen. Eine schwere spezifische Leistungsbeeinträchtigung bestehe beim Kläger ebenso wenig wie eine Summierung ungewöhnlicher oder gewöhnlicher Leistungseinschränkungen. Nach den im gesamten Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger mit seinem Restleistungsvermögen nicht mehr in der Lage sei, Tätigkeiten wie Zureichen, Abnehmen, Scannen, Faxen und Telefonieren vollwertig und regelmäßig zu verrichten.

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt. Er beruft sich auf einen Verfahrensmangel.

II

4

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der Kläger hat einen Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

5

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die Umstände, aus denen sich der Verfahrensfehler ergeben soll, substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

6

Diesen Anforderungen wird die für den Kläger vorgelegte Beschwerdebegründung nicht gerecht. In ihr ist ausgeführt, ein Verfahrensmangel liege "darin, dass das LSG die erhobenen Beweise nur unzureichend gewürdigt" habe. Der Kläger bezieht das auf die Beweiswürdigung des LSG zum (Nicht-)Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung und verweist dazu auf das BSG-Urteil vom 11.12.2019 (B 13 R 7/18 R - BSGE 129, 274 = SozR 4-2600 § 43 Nr 22, RdNr 30). Es könne ein Verfahrensfehler auch in einer mangelhaften Beweiswürdigung liegen. Auf der Fehlbeurteilung der genannten Umstände durch das LSG könne dessen Entscheidung beruhen.

7

Zutreffend ist der Hinweis des Klägers, dass nach Ansicht des OLG Hamm (Urteil vom 30.7.2013 - I-21 U 84/12 - NJW 2014, 78 = juris RdNr 96) ein Verfahrensfehler auch darin zu sehen sein kann, dass eine Beweiswürdigung gänzlich fehlt. Er schenkt allerdings dem Umstand keine Aufmerksamkeit, dass jene Entscheidung zu § 538 Abs 2 Satz 1 Nr 1 ZPO ergangen ist. Die genannte Vorschrift regelt die Frage, unter welchen Umständen im Zivilprozess das Berufungsgericht, das nach § 538 Abs 1 ZPO grundsätzlich die notwendigen Beweise selbst zu erheben und in der Sache zu entscheiden hat, ausnahmsweise den Rechtsstreit zur weiteren Beweisaufnahme an die erste Instanz zurückverweisen darf. Demgegenüber sind im sozialgerichtlichen Verfahren die Vorschriften des SGG einschlägig. Die Vorschriften der ZPO dürfen nur dann entsprechend angewandt werden, wenn das SGG keine Bestimmungen über das Verfahren enthält (vgl § 202 Satz 1 SGG). § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 2 SGG ordnet ausdrücklich an, dass im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien Beweiswürdigung) gestützt werden kann. Mit der hierzu bereits umfangreich ergangenen Rechtsprechung des BSG (vgl zB BSG Beschluss vom 26.10.2022 - B 5 R 105/22 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 30.8.2022 - B 9 SB 9/22 B - juris RdNr 11 mwN) setzt sich der Kläger nicht auseinander.

8

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 183 Satz 1 iVm § 193 Abs 1 und 4 SGG.

Dr. Düring
Gasser
Prof. Dr. Körner