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Bundessozialgericht
Beschl. v. 17.03.2016, Az.: B 12 R 34/15 B
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 17.03.2016
Referenz: JurionRS 2016, 14958
Aktenzeichen: B 12 R 34/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Nordrhein-Westfalen - 11.02.2015 - AZ: L 8 R 968/10

BSG, 17.03.2016 - B 12 R 34/15 B

in dem Rechtsstreit

Az: B 12 R 34/15 B

L 8 R 968/10 (LSG Nordrhein-Westfalen)

S 7 (2) R 164/08 (SG Detmold)

.................................,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigte: .............................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Bund,

Ruhrstraße 2, 10709 Berlin,

Beklagte und Beschwerdegegnerin,

beigeladen:

1. ...............................,

Prozessbevollmächtigter: ..............................................,

2. AOK Nordost - Die Gesundheitskasse,

Behlertstraße 33 A, 14467 Potsdam,

3. Pflegekasse bei der AOK Nordost - Die Gesundheitskasse,

Wilhelmstraße 1, 10963 Berlin,

4. Bundesagentur für Arbeit,

Regensburger Straße 104, 90478 Nürnberg,

5. Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg,

Knobelsdorffstraße 92, 14059 Berlin.

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat am 17. März 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. K r e t s c h m e r sowie den Richter Prof. Dr. B e r n s d o r f f und die Richterin Dr. K ö r n e r

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Februar 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 5.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in seiner Tätigkeit für die Klägerin in den Zweigen der Sozialversicherung.

2

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 11.2.2015 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

3

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

4

Die Klägerin beruft sich in ihrer Beschwerdebegründung vom 20.10.2015 auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 SGG).

5

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

6

Mit ihrem Vortrag genügt die Klägerin den an die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zu stellenden Anforderungen nicht. Die Klägerin trägt vor, die Rechtssache habe in zweifacher Hinsicht grundsätzliche Bedeutung: Zum einen habe das LSG den Rechtssatz geformt, dass Ausgangs- und Widerspruchsbescheid in einem Statusfeststellungsverfahren gemäß § 7a SGB IV bei Vorliegen einer unzulässigen Elementenfeststellung im Sinne der Rechtsprechung des BSG aufzuheben seien, während ein ergänzender Bescheid, der zur Vervollständigung dieser Bescheide gemäß § 96 Abs 1 SGG in das Verfahren eingeführt wurde, bei Vorliegen der Voraussetzungen für rechtmäßig zu erklären sei. Dies verstoße gegen den vom BSG postulierten Grundsatz von der Einheit bzw einheitlichen Betrachtung aller Bescheide. Es stelle sich die Frage, wie mit den einzelnen Bescheiden zu verfahren sei, wenn das streitentscheidende Gericht das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung und der Versicherungspflicht bejahe: Sei dann eine Anfechtungsklage insgesamt abzuweisen oder seien die Ursprungsbescheide aufzuheben? Zum anderen habe das LSG den Rechtssatz geformt, eine Rechtsverfolgung (des Auftragnehmers) sei bereits deshalb nicht rechtsmissbräuchlich, weil der Auftragnehmer nicht zur Prüfung und Beurteilung seines sozialversicherungspflichtigen Status verpflichtet sei, sondern vielmehr der Auftraggeber. Dieser könne sich nicht auf Rechtsmissbrauch berufen, weil er es selbst in der Hand gehabt habe, sich mit einer eigenen Antragstellung frühzeitig Rechtssicherheit zu verschaffen. Diese "apodiktische Verneinung der Anwendbarkeit des § 242 BGB im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens" habe grundsätzliche Bedeutung.

7

Es kann unerörtert bleiben, ob die Klägerin hinreichend konkrete Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht aufgeworfen und in ihren Ausführungen den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden Schritt ausreichend konkret dargelegt hat. Jedenfalls genügt die Beschwerdebegründung nicht den oben genannten Anforderungen, weil sie zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend die zugrunde liegenden Rechtsvorschriften und die dazu schon ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung in den Blick nimmt. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um darzulegen, dass die vermeintlichen Rechtsfragen nicht bereits nach dem aktuellen Stand von Rechtsprechung und Lehre oder unmittelbar aus dem Gesetz heraus beantwortet werden können bzw darzutun, dass - obwohl eine konkret bezeichnete Frage noch nicht höchstrichterlich entschieden wurde - sich auch aus der bisherigen Rechtsprechung des BSG keine hinreichenden Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam herausgestellten Fragen ergeben (vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 8 mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen).

8

Die Klägerin verweist auf die "Grundsatzentscheidung des BSG vom 11.3.2009" (BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2 - Beschwerdebegründung S 9 f), nach der zunächst rechtswidrig erlassene Bescheide regelmäßig durch die Beklagte geändert worden seien. Mit der diesem Urteil folgenden weiteren Rechtsprechung des Senats befasst sich die Klägerin jedoch nicht hinreichend. Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit hätten insbesondere im Hinblick auf das Urteil des Senats vom 28.9.2011 (B 12 R 17/09 R) erfolgen müssen. Danach ist bereits für Fälle wie hier, in denen ein wegen der Feststellung (nur) eines Tatbestandselements unvollständiger Verwaltungsakt durch einen weiteren Verwaltungsakt um das fehlende (andere) Element zu einer vollständigen Feststellung ergänzt wird - und damit auch erst einer inhaltlichen, materiell-rechtlichen Überprüfung durch das bereits angerufene Gericht zugänglich gemacht wird - entschieden, dass darin eine insgesamt erneuernde Feststellung zu sehen ist, mit der Folge, dass der zweite Verwaltungsakt den ersten iS von § 96 Abs 1 SGG (iVm § 153 Abs 1 SGG) ersetzt (vgl BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - Juris RdNr 13; BSG Urteil vom 30.10.2013 - B 12 KR 17/11 R - Juris RdNr 20). Soweit die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung an anderer Stelle aus dieser Entscheidung zitiert (Beschwerdebegründung S 7), zieht sie mit den daraus abgeleiteten Rechtsfolgen bereits selbst die Schlüsse zur Beantwortung der von ihr aufgeworfenen Frage "Ist die Anfechtungsklage insgesamt abzuweisen oder sind die Ursprungsbescheide ... aufzuheben?" (Beschwerdebegründung S 8 f).

9

Mit ihrem weiteren Vortrag, das LSG verkenne schon grundlegend, dass jedes Recht nur unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben ausgeübt werden könne und aus zahlreichen Verhaltensweisen des Beigeladenen zu 1. folge ein missbräuchliches Betreiben des Statusfeststellungsverfahrens, während das LSG diese Gesichtspunkte nur pauschal als nicht relevant abhandele, macht die Klägerin im Kern lediglich die Unrichtigkeit des angegriffenen LSG Urteils geltend. Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann jedoch - wie bereits ausgeführt - nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl erneut BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

10

2. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).

11

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht. Die Klägerin benennt zur Darlegung der von ihr vorgetragenen "Abweichung von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts" (Beschwerdebegründung S 2 ff) schon keine abstrakten Rechtssätze, sondern beschränkt sich allein auf Ausführungen dazu, der Bescheid der Beklagten vom 17.2.2010 sei - entgegen der Annahme des LSG - rechtswidrig und das LSG weiche deshalb von den Entscheidungen des BSG vom 11.3.2009 (BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr 2) und vom 28.9.2011 (B 12 R 17/09 R) ab. Dabei beachtet die Klägerin nicht hinreichend, dass eine zulässige Rüge der Divergenz die Darlegung eines Widerspruchs im Grundsätzlichen voraussetzt. Dies erfordert den Vortrag, dass das LSG den mit der Rechtsprechung zB des BSG nicht übereinstimmenden Rechtssatz seiner Entscheidung zugrunde gelegt, insoweit eine die Entscheidung tragende Rechtsansicht entwickelt, im Ergebnis also der abweichenden Rechtsprechung im Grundsätzlichen widersprochen hat. Dagegen genügt nicht ein Rechtsirrtum im Einzelfall, also zB fehlerhafte Subsumtion, unzutreffende Beurteilung oder Übersehen einer Rechtsfrage (vgl zum Ganzen Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 14 mwN). Mit ihrem Vorbringen rügt die Klägerin insoweit nur eine unrichtige Rechtsanwendung durch das LSG. Hierauf kann sie sich aber im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht berufen.

12

Soweit die Klägerin unter dem Gliederungspunkt "Grundsätzliche Bedeutung" (Beschwerdebegründung S 9) weiter vorträgt, das LSG verstoße mit den von ihm "geformten Rechtssätzen" gegen die Rechtsprechung des BSG, genügt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht den Anforderungen zur Darlegung einer - auch insoweit möglicherweise sinngemäß geltend gemachten - Divergenz als Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG. Auch dazu hat die Beschwerdebegründung nicht aufgezeigt, zu welchen abstrakten Rechtssätzen in höchstrichterlichen Urteilen die in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltenen Rechtssätze im Widerspruch stehen, und nicht dargelegt, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).

13

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

14

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

15

5. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist in bloßen Statusfeststellungsverfahren der Auffangstreitwert festzusetzen (vgl Beschluss vom 5.3.2010 - B 12 R 8/09 R - Juris).

Dr. Kretschmer
Prof. Dr. Bernsdorff
Dr. Körner

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