Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundessozialgericht
Beschl. v. 14.01.2016, Az.: B 9 SB 1/15 BH
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 14.01.2016
Referenz: JurionRS 2016, 10476
Aktenzeichen: B 9 SB 1/15 BH
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Nordrhein-Westfalen - 30.09.2015 - AZ: L 10 SB 163/15

SG Düsseldorf - AZ: S 40 SB 670/12

BSG, 14.01.2016 - B 9 SB 1/15 BH

in dem Rechtsstreit

Az: B 9 SB 1/15 BH

L 10 SB 163/15 (LSG Nordrhein-Westfalen)

S 40 SB 670/12 (SG Düsseldorf)

.....................................................,

Klägerin und Antragstellerin,

gegen

Stadt Wuppertal, Ressort Soziales,

Neumarkt 10, 42103 Wuppertal,

Beklagte.

Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat am 14. Januar 2016 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. S c h l e g e l sowie die Richterin Dr. R o o s und den Richter O t h m e r

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. September 2015 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

I

1

In der Hauptsache begehrt die Klägerin die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mehr als 50 sowie der Voraussetzungen des Merkzeichens G. Bei der Klägerin war zuletzt ein GdB von 90 festgestellt (Bescheid vom 17.3.2006; Gewebsneubildung im Darmbereich im Stadium der Heilungsbewährung, Einzel-GdB 80; Neigung zu Allergien mit Quaddelbildung, Nahrungsmittelunverträglichkeit, Asthma bronchiale, Einzel-GdB 20; Sehminderung, EinzelGdB 20; Muskelentzündung, periphere Nervenerkrankung, Knick-Senkfuß, Einzel-GdB 10; Wirbelsäulenbeschwerden bei Wirbelsäulenverbiegung, Einzel-GdB 10). Nach Ablauf der Heilungsbewährung setzte die Beklagte den GdB im Nachprüfungsverfahren auf 50 herab und lehnte den parallelen Antrag auf Neufeststellung eines höheren GdB sowie des Merkzeichens G ab (Bescheid vom 16.11.2011; Widerspruchsbescheid vom 19.3.2012; Dickdarmteilverlust bei Gewebsneubildung, Dickdarmdivertikel, Gallensteine, Zwerchfellbruch, Verdauungsstörungen, Einzel-GdB 20; Allergien, Asthma bronchiale, Einzel-GdB 20; Sehminderung, Einzel-GdB 20; Knie- und Fußbeschwerden, Einzel-GdB 20; Wirbelsäulenbeschwerden bei Fehlstellung, Kalksalzminderung, Einzel-GdB 20; Seelische Erkrankung, Gangstörung, Einzel-GdB 20). Das SG wies die Klage auf der Grundlage orthopädischer und internistischer Begutachtung sowie weiterer medizinischer Befundunterlagen ab, nachdem sich die Klägerin einer zusätzlichen neurologischen Begutachtung verweigert hatte (Gerichtsbescheid vom 27.1.2015). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Klageverfahren komme weder ein höherer GdB als 50 noch das Merkzeichen G in Betracht. Insbesondere sei eine Polyneuropathie nicht hinreichend gesichert, weil die Klägerin sich geweigert habe, sich einer neurologischen Begutachtung zu unterziehen. Hinsichtlich der Atmung sei der Lungenfunktionsbefund unauffällig (Urteil vom 30.9.2015).

2

Mit ihrem Antrag begehrt die Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.

II

3

Der Antrag auf PKH ist abzulehnen. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO). Weder die Antragsbegründung noch die Aktenlage lassen bei der gebotenen summarischen Prüfung die erforderliche Erfolgsaussicht erkennen.

4

Hinreichende Erfolgsaussicht hat eine Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Die Revision darf danach zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Von diesen Zulassungsgründen lässt sich nach Aktenlage unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des LSG-Urteils und des Vortrags der Klägerin keiner feststellen.

5

Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall der Klägerin hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Insbesondere ergibt sich die Grundsätzlichkeit der Bedeutung danach entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus dem Verstoß gegen Verfahrensrecht im konkreten Fall.

6

Auch ist nicht ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von der Rechtsprechung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Es entspricht der gesicherten Senatsrechtsprechung, dass die Versorgungsverwaltung berechtigt ist, nach Ablauf der Heilungsbewährung den GdB nach den konkreten Auswirkungen der vorliegenden Gesundheitsstörungen zu bemessen (zuletzt BSG Urteil vom 11.8.2015 - SozR 4-1300 § 48 Nr 31 RdNr 15).

7

Schließlich fehlt ein ausreichender Anhalt dafür, dass die Klägerin einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler des LSG bezeichnen könnte (Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Entscheidungsrelevante Verfahrensmängel sind weder von der Klägerin geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

8

Die Klägerin gibt ua an, das LSG sei von einem unzureichend ermittelten bzw gewürdigten Sachverhalt insbesondere hinsichtlich der bei ihr bestehenden Polyneuropathie und Atemnot ausgegangen und habe ein Überraschungsurteil getroffen. Es treffe nicht zu, dass sie eine Elektromyographie (EMG) behauptet habe, obwohl diese gar nicht durchgeführt worden sei. Eine entsprechende Begutachtung habe sie in der Folge allein wegen der hohen Kosten abgelehnt. Die eingeholten Gutachten seien nicht verwertbar, weil sich der orthopädische Sachverständige ohne die entsprechende Sachkompetenz zu neurologischen Fragestellungen (neurologische Untersuchung der Peripherie) geäußert und der internistische Sachverständige widersprüchliche Ausführungen zur Atemnot gemacht habe. Mit diesem Vortrag wird auch unter Berücksichtigung des Akteninhalts ein entscheidungsrelevanter Verfahrensfehler nicht hinreichend erkennbar.

9

Soweit die Klägerin die Verletzung der Amtsermittlungspflicht rügt (§ 103 SGG), wird sich in einer Nichtzulassungsbeschwerde kein Beweisantrag anführen lassen, dem das Gericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Selbst wenn von einem bis zum Schluss aufrechterhaltenen Beweisantrag der Klägerin ausgegangen würde, bedürfte es angesichts der bereits vorliegenden Sachverständigengutachten zusätzlicher Gutachten nur, wenn die vorliegenden Gutachten unvollständig oder widersprüchlich wären oder von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgingen (Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 760, 761). Anhaltspunkte hierfür bestehen entgegen den Ausführungen der Klägerin nicht. Denn das LSG hat anhand der Anlage zu den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" (AnlVersMedV) begründet, dass und warum die im Zusammenhang mit der Verlagerung des Magens als Folge der Zwerchfellhernie angegebene - und vom internistischen Sachverständigen auch nach den Angaben der Klägerin berücksichtigte - Atemnot mit Blick auf die Ergebnisse der Lungenfunktionsprüfung keine entscheidungserhebliche Bedeutung haben kann, ferner es sich bei der Lungenfunktionsprüfung in Ruhe um die übliche von der AnlVersMedV vorausgesetzte Art der Lungenfunktionsprüfung handelt. Ebenso hat das LSG anhand der AnlVersMedV begründet, dass und warum die Beeinträchtigungen des Stütz- und Bewegungsapparats auf der Basis des orthopädischen Gutachtens keinen Niederschlag in einem messbaren GdB finden können. Hinweise auf eine Kompetenzüberschreitung treten entgegen der Meinung der Klägerin nicht dadurch zutage, dass ein Orthopäde die notwendigerweise in sein Fachgebiet fallenden neurologischen Teiluntersuchungen (wie hier etwa der Reflexe) mit abdeckt. Soweit die Klägerin eine unzureichende neurologische Abklärung ihrer Beschwerden im Übrigen rügt, ist ihr allerdings entgegenzuhalten, dass die Amtsermittlung durch die Mitwirkung des Betroffenen begrenzt wird (§ 103 S 1 Halbs 2 SGG). Nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.9.2015 hat sich die Klägerin keineswegs lediglich aus finanziellen Gründen an einer Begutachtung nach § 109 SGG gehindert gesehen, sondern eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung von Amts wegen verweigert. Soweit sich die Klägerin weiter gegen die Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) wendet, lässt sich hierauf die Nichtzulassungsbeschwerde ebensowenig stützen (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG) wie auf die beanstandete inhaltliche Unrichtigkeit der LSG-Entscheidung (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

10

Schließlich wird die Klägerin auch eine Gehörsrüge (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG, Art 47 Abs 2 S 1 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention) nicht mit Erfolg dadurch erheben können, dass sie eine fehlerhafte Wiedergabe ihres Vorbringens in Bezug auf die - nicht - durchgeführte EMG anführt. Eine Gehörsverletzung liegt nur vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl BSG Beschluss vom 27.5.2015 - B 9 SB 66/14 B - Juris RdNr 6 mwN). In Bezug auf eine mögliche fehlerhafte Wiedergabe des Vorbringens der Klägerin fehlt es jedenfalls an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit. Es wird auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt, dass es zu einer - für das Bestehen einer Polyneuropathie als aufschlussreich erachteten - EMG nicht gekommen ist.

11

Der Antrag auf PKH ist daher abzulehnen. Damit entfällt zugleich auch die Beiordnung eines Rechtsanwaltes (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 ZPO).

Prof. Dr. Schlegel
Dr. Roos
Othmer

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.