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Bundessozialgericht
Beschl. v. 21.12.2015, Az.: B 9 SB 55/15 B
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 21.12.2015
Referenz: JurionRS 2015, 34843
Aktenzeichen: B 9 SB 55/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Baden-Württemberg - 26.06.2015 - AZ: L 8 SB 186/15

SG Freiburg - AZ: S 17 SB 863/12

BSG, 21.12.2015 - B 9 SB 55/15 B

in dem Rechtsstreit

Az: B 9 SB 55/15 B

L 8 SB 186/15 (LSG Baden-Württemberg)

S 17 SB 863/12 (SG Freiburg)

...........................,

Kläger und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigte: ..........................................,

gegen

Land Baden-Württemberg,

vertreten durch das Regierungspräsidium, Landesversorgungsamt,

Ruppmannstraße 21, 70565 Stuttgart,

Beklagter und Beschwerdegegner.

Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat am 21. Dezember 2015 durch die Richterin Dr. R o o s als Vorsitzende sowie die Richter Dr. O t h m e r und Dr. B i e r e s b o r n

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Juni 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

I

1

In der Hauptsache ist streitig, ob das Berufungsverfahren L 8 SB 39/14 vor dem LSG Baden-Württemberg durch die Rücknahme der Berufung erledigt ist.

2

In dem vorangehenden Klageverfahren hatte das SG die Klage auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 20.11.2013). Im anschließenden Berufungsverfahren wies der Berichterstatter im Erörterungstermin vom 5.9.2014 auf die im Klageverfahren eingeholten und für den Kläger negativen Sachverständigengutachten hin, ferner auf die Möglichkeit von Kosten nach § 192 SGG bei Fortsetzung des Berufungsverfahrens. Der Kläger nahm daraufhin die Berufung zurück. Später focht er die Erklärung wegen Drohung (§ 123 BGB) an und beantragte die Fortsetzung des Verfahrens. Das LSG hat festgestellt, dass das Berufungsverfahren durch Rücknahme der Berufung erledigt ist. Eine Anfechtung dieser Prozesshandlung komme nicht in Betracht. Hinweise auf eine Prozessunfähigkeit bestünden nicht. Ein gegen den seinerzeitigen Berichterstatter gestellter Befangenheitsantrag habe sich nach dessen Eintritt in den Ruhestand erledigt. Ein möglicher Widerruf unter den Voraussetzungen einer Wiederaufnahme sei nicht gegeben (Urteil vom 26.6.2015).

3

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und rügt einen Verfahrensfehler.

II

4

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der sinngemäß geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels nicht innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 7.9.2015 ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

5

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Fall des Klägers darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

6

Der Kläger trägt vor, das LSG sei verfahrensfehlerhaft vorgegangen, indem es von einer Erledigung des Verfahrens wegen Rücknahme der Berufung ausgegangen sei, ohne in der Sache zu entscheiden (vgl zum Verfahrensfehler bei Prozessentscheidung anstelle einer gebotenen Sachentscheidung BSG Urteil vom 25.6.2002 - B 11 AL 23/02 R - juris RdNr 20). Das LSG habe ihm - obwohl anwaltlich nicht vertreten - eine Rücknahme der Berufung durch Hinweis auf § 192 SGG abgenötigt, ohne ihm bereits vor dem Erörterungstermin einen entsprechenden Hinweis (§ 139 ZPO) zu erteilen und die psychischen und psychosomatischen Aspekte seiner Persönlichkeit zu beleuchten. Auch sei der anschließend gestellte Befangenheitsantrag gegen den Berichterstatter nicht deshalb zu vernachlässigen, weil dieser sich zwischenzeitlich im Ruhestand befinde. Mit diesem Vortrag legt der Kläger indes unter keinem Gesichtspunkt einen entscheidungsrelevanten Mangel dar. Der Kläger beschäftigt sich schon nicht mit den Voraussetzungen, unter denen ein von ihm eingeforderter gerichtlicher Hinweis nach § 139 ZPO geboten ist. Ebenso wenig wird deutlich, welche Abweichungen im Prozessverhalten sich dadurch ergeben hätten. Der Hinweis auf die Kostenersparnis ist angesichts des angeordneten persönlichen Erscheinens nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Der Kläger setzt sich auch nicht mit den näheren Umständen auseinander, unter denen eine Prozesshandlung wie die der Berufungsrücknahme beseitigt werden könnte. Selbst wenn danach die Anfechtung oder der Widerruf wegen einer Drohung (vgl BFH Beschluss vom 26.4.2011 - III S 24/10; Müller in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 102 RdNr 8) oder unter den Voraussetzungen eines Restitutionsgrundes oder einer Nichtigkeitsklage (§§ 579, 580 ZPO) grundsätzlich erwogen werden könnte, fehlt es jedenfalls an substantiiertem Vortrag zur Widerrechtlichkeit der Androhung von Kosten nach § 192 SGG zur Wahrung rechtlichen Gehörs vor dem Hintergrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme (vgl § 192 Abs 1 S 1 Nr 2 SGG; auch BSG Beschluss vom 25.2.2010 - B 11 AL 114/09 B - juris RdNr 7).

7

Ein Verfahrensmangel kommt allerdings in Betracht, wenn ein in Wahrheit prozessunfähiger Beteiligter vom Gericht für prozessfähig gehalten wird. Auch in diesem Fall ist jedoch die Darlegung der diesen Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen erforderlich, dh, es muss in der Beschwerdeschrift substantiiert und schlüssig dargetan werden, aufgrund welcher Anzeichen das LSG ernsthafte und begründete Zweifel am Vorliegen der Prozessfähigkeit des Klägers hätte haben können (BSG Beschluss vom 15.11.2000 - B 13 RJ 53/00 B - juris RdNr 11 = SozR 3-1500 § 160a Nr 32). Der Kläger behauptet keine allgemeine Prozessunfähigkeit, sondern bezieht eine Störung seines freien Willens mehr oder weniger auf die Situation der Berufungsrücknahme am 5.9.2014. Die Bezugnahme auf eine Bescheinigung des Universitätsklinikums Freiburg vom 2.9.2011 vermag diesen Anforderungen nicht zu genügen. Sein daran anknüpfender Vortrag, bei ihm gebe es psychische Beeinträchtigungen, die sich im Umgang mit Autoritäten äußerten, vermag in dieser Allgemeinheit nicht zu belegen, dass der Kläger sich durch einen vom Gericht ausgeübten Druck in dem von ihm geltend gemachten Sonderfall einer "Extremsituation" befunden habe, in der er zu einer freien Willensbetätigung nicht mehr in der Lage gewesen wäre (vgl BSG Beschluss vom 15.11.2000 - B 13 RJ 53/00 B - juris RdNr 13 = SozR 3-1500 § 160a Nr 32). Einen Beweisantrag, dem das LSG in diesem Zusammenhang ohne hinreichende Gründe nicht gefolgt sein könnte und der zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels führen könnte, bezeichnet die Beschwerdebegründung nicht.

8

Schließlich führt die Beschwerdebegründung auch mit dem Hinweis auf den nach Abgabe der Berufungsrücknahme gestellten Befangenheitsantrag keinen Verfahrensfehler an, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könnte. Denn der abgelehnte Richter war auch nach dem Vortrag des Klägers wegen seines zwischenzeitlichen Eintritts in den Ruhestand an der getroffenen Entscheidung nicht beteiligt.

9

2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).

10

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

11

4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Dr. Roos
Dr. Othmer
Dr. Bieresborn

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